Lübeck, Theater – ANDREA CHÉNIER

von Umberto Giordano (1867-1948), Drama mit geschichtlichem Hintergrund in vier Bildern,
Libretto: Luigi Illica (1857-1919), UA: 28. März 1896, Teatro alla Scala, Mailand
Regie: Bernd Reiner Krieger, Bühnenbild/Kostüme: Dieter Klaß, Choreographie: Martina Wüst, Dramaturgie: Diane Ackermann, Beleuchtung: Georg Marburg
Dirigent: Philippe Bach, Philharmonisches Orchester Lübeck, Chor und Extrachor des Theater Lübeck
Solisten: Mario Diaz (Andrea Chénier), Antonio Yang (Carlo Gérard), Ausrine Stundyte (Maddalena de Coigny), Hye-Sung Na (Bersi), Roswitha C. Müller (Komtesse de Coigny/Die alte Madelon), Andreas Haller (Roucher/Fléville/Fouqier-Tinville), Steffen Kubach (Mathieu), Patrick Busert (Abbé/Incroyable) und Titus Witt (Haushofmeister/Dumas/Schmidt)
Besuchte Aufführung: 24. April 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
lubeck-chenier.jpgIm Anwesen der Coignys soll am Vorabend der Französischen Revolution ein Fest stattfinden, für welches Carlo Gérard mit seiner Dienerschaft die nötigen Vorbereitungen trifft. Unter den Gästen befindet sich der Dichter Andrea Chénier, der sich weigert, eine Kostprobe seines Werkes zu geben. Daraufhin erlaubt sich Maddalena de Coigny einen Scherz mit ihm, was Chénier ermutigt, eine Kritik an der Gesellschaft zu üben. Von Chéniers Stimmung angesteckt, stört Gérard das Fest mit einigen Revolutionären, was seine Entlassung bewirkt. Einige Jahre später ist die Revolution zur Gewaltherrschaft ausgeartet und Chénier wähnt sich nicht mehr in Sicherheit, so daß ihn sein Freund Roucher zur Flucht bewegen will. Einzig Maddalena, die ihm Liebesbriefe zukommen ließ, hält ihn davon ab. Die beiden treffen sich heimlich, doch Gérard, der Maddalena ebenfalls begehrt und mittlerweile ein Anhänger Robespierres ist, stört das Treffen. Es kommt zu einem Kampf zwischen den beiden Männern, in dem Gérard verwundet wird. Chénier wird festgenommen und Gérard verfaßt die Anklageschrift. Maddalena spielt ihm ihre Liebe vor, woraufhin er versucht die Verurteilung zu verhindern. Doch der Prozeß ist nicht mehr anzuhalten, so daß Chénier zum Tode verurteilt wird. Maddalena und Chénier gehen gemeinsam in den Tod.
Aufführung
Die Fest-Szene zeigt einen goldenen, mit Kronleuchtern und vielen Kerzenständern ausgestatteten Saal. Die Kleidung der Gäste ist ganz im Rokoko-Stil gehalten: Reifröcke für die Frauen und Roben für die Männer. Einzig Maddalena hebt sich davon ab, sie trägt ein schlichtes, weißes Kleid und eine rote Rose im Haar. Das Revolutionstreiben wird mit einem roten Hintergrund angedeutet, auf dem man einen Trikoloren-Fahnenträger und Auszüge aus der Verfassung zu sehen bekommt. Auf Bannern kann man Parolen wie Es lebe die Republik! lesen. Auf der Bühne herrscht wirres Treiben durch die Bürger, die ärmliche, in Naturfarben gehaltene Kleidung tragen. Das Gefängnis wird durch düstere Lichteffekte und Spärlichkeit, man kann lediglich die Kerkertür erkennen, umgesetzt.
Sänger und Orchester
Ausrine Stundyte (Maddalena de Coigny) ist die erste, die an diesem Abend begeistert. Den Wandel vom kindlichen Mädchen im unschuldigen weißen Kleid zur erwachsenen, standhaften Frau kann sie schauspielerisch authentisch umsetzen. In ihrem Gesang ist es nicht anders: Ihr Sopran wirkt in der ersten Arie noch gewollt verspielt, steigert sich dann aber zu fester Ausdrucksstärke durch ihre gut ausgeloteten Tiefen und ihre eindringlichen, intonationssicheren Höhen. Mario Diaz (Andrea Chénier) kann den verstörten Dichter perfekt umsetzen: Sein Tenor klingt rein und deutlich und immer gelingt es ihm gefühlvolle Akzente zu setzen. Bei dem Bariton Antonio Yang, der Carlo Gérard verkörpert, ist der Eindruck nicht anders. Die Rolle des Revolutionären ist ihm auf den Leib geschrieben: Die Störung des Fests, die Beeinflussung der Bürger, sowie die Gerichtsszene verkörpert er mit Selbstsicherheit und Präsenz. Als einer der vielen Höhepunkte ist das Schluß-Liebesduett zwischen Maddalena und Chénier zu nennen, in dem sie sich gefühlvoll ihrem Schicksal hingeben: In unserem Tod triumphiert die Liebe!
Fazit
Mit diesem ausstattungs-aufwendigen Geschichtsdrama zieht das Theater Lübeck alle Register: Perfekt besetzte Solopartien, imposantes Bühnenbild und starke Revolutionsszenen mit unzähligen Statisten. Ein Opernabend, der im Gedächtnis bleibt. Zwischenapplaus und Bravos gibt es schon nach den großen Arien und auch zum Schluß ist das Publikum kaum mehr zu bändigen.

Frederike Arns
Bild: Lutz Roesler
Das Bild zeigt Andreas Haller als Pierre Fléville (links neben dem Flügel),
Antonio Yang als Carlo Gérard (rechts neben dem Flügel),
Mario Diaz als Andrea Chénier (Mitte),
Roswitha C. Müller als Komtesse de Coigny (links neben dem Tisch),
Ausrine Stundyte als Maddalena de Coigny (rechts),
den Chor, Extrachor und die Statisterie des Theater Lübeck.

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