Tristan und Isolde – Deutsche Oper Berlin

von Richard Wagner (1813–1883), Handlung in drei Aufzügen, Text vom Komponisten, UA: 1865 München

Inszenierung: Michael Thalheimer, Bühne: Henrik Ahr, Kostüme: Michaela Barth, Licht: Stefan Bolliger, Dramaturgie: Luc Joosten und Jörg Königsdorf

Dirigent: Sir Donald Runnicles, Orchester der Deutschen Oper Berlin

Herrenchor der Deutschen Oper Berlin, Einstudierung: Jeremy Bines

Solisten: Clay Hilley (Tristan), Elisabeth Teige (Isolde), Georg Zeppenfeld (Marke), Thomas Lehman (Kurwenal), Irene Roberts (Brangäne), Dean Murphy (Melot), u.a.

Besuchte Aufführung: 1. November 2025 (Premiere)

Kurzinhalt

Tristan, der Held Kornwalls, und Isolde, Prinzessin von Irland, sind insgeheim füreinander in Liebe entflammt, obwohl er ihren Verlobten Morold getötet und ihr Vertrauen mißbraucht hat: Unter falschem Namen ließ Tristan seine Wunden, die er beim Kampf mit Morold erlitten hatte, von ihr heilen und kehrte danach zu ihr zurück, um sie seinem Onkel Marke, dem König von Kornwall, als Braut zuzuführen. Auf der Überfahrt von Irland beschließt Isolde, sich und Tristan mit einem giftigen Trank umzubringen. Brangäne, die Zofe Isoldes, verabreicht ihnen jedoch statt dessen einen Liebestrank, und nun können beide ihre Gefühle nicht länger verheimlichen. Ihre Liebe verstößt jedoch gegen Gesetz und Moral, und so beschließen sie, den Tod zu wählen. Tristan stürzt sich in das Schwert Melots, nachdem er sie im Morgengrauen gemeinsam mit Marke und seinem Hofstaat ertappt hat, und wird schwer verletzt. An seiner Wunde siechend erwartet er auf seiner Burg verzweifelt die Ankunft Isoldes, um den ersehnten Tod finden zu können. Als sie bei ihm eintrifft, stirbt er. Isolde wird in ihrem Schlußgesang verklärt. Der Vorhang fällt.

Aufführung

Die Inszenierung ist überaus sparsam in den äußeren Mitteln. Sowohl das schlichte, dunkle Bühnenbild als auch die sich fast nur in Andeutungen ergehende Personenregie ergeben phasenweise den Eindruck eines halbszenischen Konzertes. In allen drei Aufzügen ist die Bühne in ihrer gesamten Breite und Höhe von über einhundert Lampen ausgefüllt, deren Lichtintensität im Kontext der Handlung wechselt. Die Kostüme sind formell und zeitgenössisch. Lediglich Isoldes weißes Brautkleid wird ab dem zweiten Aufzug gegen ein schwarzes eingetauscht, ansonsten behalten alle Figuren ihr Kostüm. Die Veränderungen des Bühnenbildes geschehen langsam und beschränken sich auf das Absenken der Bühnenmitte oder des Lampenrasters. Die Personenregie arbeitet einzelne Aktionen sehr genau heraus, etwa als der Liebestrank im ersten Akt zu wirken beginnt und sich die Akteure der Titelpartien zu dem sogenannten Blickmotiv erstmals direkt ansehen. Requisiten werden fast gar nicht eingesetzt, abgesehen von einer Scherbe des zerschmetterten Glases, aus dem im ersten Aufzug der Liebestrank getrunken wird. Damit schneiden sich die beiden Hauptfiguren im zweiten Aufzug die Arme auf und Isolde am Ende die eigene Kehle. Ein durchgehendes optisches Motiv ist ein Seil, an dem Isolde im ersten und Tristan im letzten Akt ziehen und dessen Ende nicht sichtbar ist. Die wenigen unmittelbaren physischen Interaktionen, die stattfinden, verlangen den Sängern viel ab. Die in rasendem Tempo zu singenden, extrem hohen Rufe bei dem Wiedersehen der beiden Liebenden zu Beginn ihrer großen Szene im zweiten Aufzug waren von den Sängern beispielsweise auf dem Bauch liegend auszuführen. Und im ersten Aufzug hat die Sängerin der Isolde ihren Dialog mit Tristan herabgebeugt und der Sänger des Tristan die Fiebermonologe im dritten Aufzug auf den Knien zu singen. Neben ihrer Kargheit lehnt sich diese Produktion, die eine Zusammenarbeit mit dem Genfer Grand Théâtre ist, an eine filmische Bearbeitung oder vielmehr filmische Zitierung des Stoffes an, nämlich an Lars von Triers Melancholia von 2011, der sich ausgiebig der Musik und Symbolik von Wagners Tristan und Isolde bedient. Wie zu Beginn des Films tritt Isolde als Braut von rechts auf und hat gegen einen großen Widerstand körperlich anzuarbeiten und im Programmheft werden dann auch die beiden kollidierenden Planeten des Films gezeigt.

Sänger und Orchester

Das Orchester der Deutschen Oper unter Sir Donald Runnicles spielte die Partitur wie zu erwarten analytisch und zurückhaltend und dehnte das klangliche Feld eher in den Bereich des Leisen als des Lauten aus. Die großen dynamischen Bögen im zweiten Aufzug wurden schön aufgebaut und den Sängern viel Platz gegeben. Das Zusammenspiel mit der Bühne klappte rhythmisch tadellos, auch bei den hinter der Szene zu hörenden Chören und Instrumentalmusiken. Bei den Sängern der Nebenrollen wurde das Publikum von zwei starken Stimmen überrascht: Irene Roberts (Brangäne) steht wie Dean Murphy (Melot) eine kräftige, raumfüllende Tongebung zur Verfügung. Auch wenn Roberts‘ Ton im fortissimo ohne Schärfe bleibt, wird ihr Tremolo dann jedoch etwas unkontrolliert und damit intonatorisch leicht prekär. In den leisen und Mezzoforte-Passagen und nicht zuletzt ihrem Wachtgesang konnte sie jedoch brillieren und wurde dafür zu Recht mit euphorischem Beifall gefeiert. Thomas Lehmans Umsetzung der Rolle des Kurwenal war in jeder Hinsicht gelungen. Er vereint eine deutliche Aussprache mit einem in jeder Lautstärke kultivierten Baritonklang und agiert darstellerisch souverän. Georg Zeppenfeld (Marke) hat einen Heldenbariton, dessen hohes Register an Durchschlagskraft nichts zu wünschen übrig läßt. Seine Diktion ist ebenso wie die von Clay Hilley (Tristan) in allen Details verständlich. Hilley, der sich mittlerweile einer soliden Anhängerschaft an diesem Haus erfreuen kann, hat eine wandelbare Stimme mit in der Höhe schier unverwüstlicher Strahlkraft, er kann schnell zwischen Gesangs- und Sprechton wechseln, akzentuiert den Text klar und deutlich und hat in allen Lagen wie es scheint immer noch Reserven, so daß sein Vortrag nirgends angestrengt wirkt und immer in Balance mit dem großen Orchesterapparat bleibt. Elisabeth Teiges Leistung als Isolde war nicht ganz so ausgeglichen. Es handelte sich an diesem Abend um ihr Rollendebut. Ihre Stimme hat, zumal in den leisen und mittellauten Passagen, ein sehr schönes, warmes Timbre. Allerdings sind ihre Register nicht ganz homogen, was die Spitze ihrer Stimme angeht. In der tieferen Lage fehlt die nämlich. Statt dessen bekommt ihr Klang dann einen sprechenden Ausdruck, was sich bei einigen Strecken ihrer Partie sehr schön ausnimmt, allerdings dazu führt, daß ihr Gesang in der unteren Mittellage in den lauteren Passagen stellenweise im Orchesterklang verschwindet. Sie ist in der Lage volle, hohe Töne stellen, sang aber an diesem Abend vielleicht ein wenig auf Sicherheit und trug ihren Schlußgesang eher mit Innerlichkeit als mit Kraft vor. Darstellerisch ist sie eine elegante, stark agierende Erscheinung auf der Bühne.

Fazit

Musikalisch gibt es an der Besetzung nichts auszusetzen. Die Sänger führen ihre reduzierten Aktionen sicher aus und kommen mit Ausnahme der weiblichen Titelpartie durchweg gut gegen das Wagner’sche Orchester an, dessen Klang angenehm durchhörbar bleibt. An der minimalistischen Inszenierung schieden sich die Geister. Einige Zuhörer fühlten sich anscheinend davon unterfordert, andere schätzten wohl, daß keine die Handlung und Musik kontrapunktierenden Einfälle der Regie den Hörgenuß trübten. Der Gesamteindruck bleibt etwas kühl, trotz aller darstellerischen Hingabe der Solisten, denn die Personenregie hält alle Figuren, auch in der großen Szene des zweiten Aufzugs, auf Abstand zueinander wie auch zum Publikum. Es fehlt an einer visuell wahrnehmbaren durchgehenden Erzählung und damit einer Vertiefung der Charaktere, die auf der Bühne zu sehen sind. Lediglich das psychologische Geschehen, das sich in der Musik abspielt, kann sich frei entfalten, was ja nicht das Schlechteste bei diesem musikgesättigten Werk ist. Dank der ihr wird diese Produktion ergreifend, sie scheut auch vor Pathos nicht zurück, bleibt aber bei der Zeichnung der Figuren blaß.

Dr. Martin Knust

Bild: Bernd Uhlig

Das Bild zeigt: Clay Hilley (Tristan), Elisabeth Teige (Isolde)

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