von Umberto Giordano (1867–1948), Melodramma in drei Akten, Libretto von Arturo Colautti nach dem Drama von Victorien Sardou, UA: 1898 Mailand
Regie: Christof Loy, Ausstattung: Herbert Murauer, Szenische Einstudierung: Anna Tomson, Licht: Olaf Winter, Videodesign: Velourfilm AB
Dirigent: John Fiore, Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin, Choreinstudierung: Thomas Richter
Solisten: Vida Miknevičiūtė (Fedora), Jonathan Tetelman (Loris Ipanov), Navasard Hakobyan (Giovanni de Siriex), Julia Muzychenko (Olga Sukarev), Tobias Kehrer (Gretch), Artur Grabas (Cirillo), u.v.a.
Besuchte Aufführung: 27. November 2025 (Premiere)
Die Fürstin Fedora Romanov ist mit Vladimiro, dem Sohn des russischen Polizeichefs, heimlich verlobt. Als er am Abend vor ihrer Hochzeit nicht zu einer Verabredung erscheint, betritt sie zum ersten Mal sein Haus in St. Petersburg. Schwer verwundet wird er ins Haus gebracht und erliegt wenig später seinen Verletzungen. Vladimiros Nachbar Loris Ipanov wird im Zuge der polizeilichen Untersuchung zum Hauptverdächtigen erklärt und flieht. Fedora beschließt, sich als Spionin in den Dienst der Polizei zu begeben, um den Mörder ihres Verlobten dingfest zu machen. In Paris gelingt es ihr, Ipanov ausfindig zu machen und sein Vertrauen zu gewinnen. Er verliebt sich in sie. Als er ihr den Mord an Vladimiro gesteht, muß sie erfahren, daß es sich um einen Mord aus Eifersucht gehandelt hat, denn ihr Verlobter hatte eine Affäre mit Ipanovs Frau. Diese Enthüllung bringt sie von ihrem Plan ab, Ipanov der russischen Polizei auszuliefern und beide reisen in die Schweiz. Nach einigen glücklichen gemeinsamen Wochen wird Ipanov jedoch darüber informiert, daß sie ihn in Paris für die russische Polizei aufgespürt hatte. Aus Scham und Verzweiflung nimmt Fedora sich das Leben.
Aufführung
Die Bühne ist in zwei Räume unterteilt: Den vorderen Bereich an der Rampe und eine Wand mit einem riesigen goldenen Rahmen, auf der entweder Videoprojektionen zu sehen sind oder die zu einem weiteren Raum geöffnet wird, in dem sich parallele Aktionen abspielen. Die Sänger werden vor allem im ersten Akt in Nahaufnahme auf die Wand projiziert und kurze Filmeinspielungen erweitern die Szene räumlich. Die Kostüme sind nicht im Stile des späten 19. Jahrhunderts gehalten, sondern historisch indifferent, und auch die Atmosphäre des russischen Salons in Paris wird lediglich angedeutet. Die Beleuchtung ist stimmungsvoll und Schauplatzwechsel werden mit Requisiten angedeutet.
Sänger und Orchester
Die Partitur ist kleinteilig und stellt die Interpreten vor die schwierige Aufgabe, all die kurzen, schnell aufeinander folgenden musikalischen Momente zu einem Ganzen werden zu lassen. Im ersten Akt gelang das nicht vollständig, hier wurden die vielen Einsätze und kurzen Einwürfe der Sänger etwas unübersichtlich und dem Orchester gelang es mitunter nicht, ein stabiles Klangbild oder einen längeren Spannungsbogen zu schaffen. Rhythmisch und dynamisch ist John Fiore die Leitung im übrigen aber vollauf gelungen. Insbesondere die kraftvollen Tutti-Einsätze im zweiten Akt und auch das akkurate Zusammenspiel von Orchester und Szene sind hier lobend hervorzuheben. Die Sänger haben vom deklamatorischen Sprechgesang bis zum an Puccini gemahnende mit dem Orchester colla parte voll auszusingende laute Passagen zu bewältigen, allen voran die Sänger der beiden Hauptpartien. Das sind Vida Miknevičiūtė in der Titelrolle und Jonathan Tetelman als Loris Ipanov, die zwei in jedem Register wohlklingende und ausgesprochen starke Stimmen haben und beide auch als Darsteller mehr als beachtlich agieren. Tetelmans Forte füllt wie dasjenige Miknevičiūtės den gesamten großen Saal mühelos. Erstaunlich ist, daß er trotz seiner enormen Tongebung noch immer über Reserven zu verfügen scheint. Vida Miknevičiūtė ist eine elegante Erscheinung auf der Bühne und imstande, auch auf Stöckelschuhen oder im Liegen strahlende hohe Töne zu setzen. Die innere Entwicklung ihrer Figur von einer von dem Wunsch nach Rache beseelten kühlen Persönlichkeit zu einer hilflosen und zerknirschten Selbstmörderin ließ sie anschaulich werden. Von den kleinen Rollen am meisten Beifall bekam Artur Grabas in der Rolle des Kutschers Cirillo. Julia Muzychenko (Olga Sukarev) vermochte ihrer humoristischen Rolle etliche Facetten abzugewinnen und hat eine ansprechend volltönende Sopranstimme. Tobias Kehrer als Polizeioffizier Gretch konnte bei dem Verhör im ersten Akt, dem längsten Abschnitt seines Parts, sein vokales Können unter Beweis stellen. Generell sind alle Stimmen, die in dieser Produktion zu hören sind, ausgeglichen und auf dem gleichen hohen technischen Niveau, auch diejenigen der kleineren Rollen.
Fazit
Diese Inszenierung, die 2016 in Stockholm Premiere hatte, kam auch beim Berliner Publikum gut an. Sie ist auf das wesentliche reduziert, jedoch nicht spartanisch, und gibt den Sängern den nötigen Raum, um die Handlung ungehindert darstellen zu können. Videoprojektionen werden punktuell eingesetzt um die z.T. recht rasante Handlung, die sich in mehreren Räumen gleichzeitig abspielt, zu verdeutlichen. Donnernder Beifall belohnte zu Recht die Sänger der beiden wichtigsten Rollen und auch Dirigent und Orchester wurden für ihre Leistungen ausgiebig beklatscht. Diese musikalisch ansprechende und von der Handlung her recht ungewöhnliche Oper ist hier in einer kurzweiligen und publikumsfreundlichen Produktion zu erleben, die Zuhörer aus allen Altersgruppen ansprechen dürfte.
Dr. Martin Knust
Bild: Bettina Stöß
Das Bild zeigt: Vida Miknevičiūtė (Fedora), Tobias Kehrer (Polizeioffizier Gretch), u.a.
