von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen; Dichtung vom Komponisten; Uraufführung: 28. August 1850 in Weimar.
Regie: Yuval Sharon, Bühne und Kostüme: Neo Rauch & Rosa Loy
Dirigent: Christian Thielemann, Festspielorchester, Festspielchor, Chor: Thomas Eitler de Lint
Solisten: Mika Kares (König Heinrich), Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Elza van den Heever (Elsa), Olafur Sigurdarson (Telramund), Milina-Lisa Värelä (Ortrud), Michael Kupfer-Radecky (Heerrufer), u.a.
Besuchte Aufführung: 9. August 2025
König Heinrich ruft die Brabanter zum Feldzug. Telramund, von seiner Gattin Ortrud angestachelt, beschuldigt Elsa des Mordes an ihrem Bruder Gottfried. Ein Gottesgericht in Form eines Zweikampfs soll über Elsas Schuld entscheiden. Da erscheint ein Fremder im Boot, gezogen von einem Schwan; er besiegt Telramund. Dieser Fremde wird Elsa heiraten, aber sie darf nie nach seinem Namen und Herkunft fragen. Ortrud und Telramund bezichtigen den Fremden der Zauberei. Im Brautgemach bricht Elsa ihr Versprechen und stellt die Fragen. Telramund dringt ein, im Zweikampf stirbt er. Nun muß Lohengrin Namen und Herkunft offenbaren. Ortrud triumphiert, aber Lohengrin bewirkt die Rückkehr Gottfrieds.
Aufführung
In Neo Rauchs Lohengrin-Inszenierung bestimmen surreal verfremdete Landschaftsbilder die Bühne: eine blaue Auenlandschaft ohne Sonne und Wasser, durchzogen von Starkstrommasten, Transformatorenhäuschen und Isolatoren. Lohengrin erscheint hier nicht als Schwanenritter, sondern als blauer Starkstromtechniker mit Blitz in der Hand; sein W-förmiges Fluggerät erhebt sich wie ein technisierter Schwan vom Dach des Häuschens. Die Figuren tragen Insektenflügel, das Gottesgericht mit Telramund wird als Luftkampf gezeigt, bei dem Telramund einen Flügel verliert. Im farblich kontrastierenden orangefarbenen Ehegemach kommt es statt zur Annäherung zu Fesselspielen. Den Schlußpunkt setzt Gottfried als grünes Ampelmännchen – ein ostdeutsches Kultsymbol, das ironisch Hoffnung und Neubeginn signalisiert. So verwandelt Rauch den mystischen Kern der Oper in eine Bildwelt zwischen industrieller Moderne, Märchen und ironischer Brechung.
Sänger und Orchester
Ein wesentlicher Erfolgsgarant dieser Lohengrin-Produktion ist der durchgehend präsente Chor der Bayreuther Festspiele, der trotz erschwerter Bedingungen – etwa der V-förmigen, schräg zur Rampe gerichteten Aufstellung, die Einsätze erschwert – unter der Leitung von Eberhard Friedrich eine beeindruckende Geschlossenheit bewahrt. Selbst bei Christian Thielemanns mitunter ungewöhnlicher Tempowahl, die zu neuen Phrasierungen führt, und bei den präzisen Einsätzen nach neu eingeführten Generalpausen, bleibt der Chor ein verläßlicher Klangpfeiler. Thielemann gestaltet sein Dirigat stets im Ausgleich zwischen Orchester und Stimmen, lässt aber auch pathetische Klangwolken wie beim Brautlied oder ekstatische dynamische Steigerungen, etwa beim Sonnenaufgang im zweiten Akt, zu. Diese flexible Tempogestaltung kommt den Solisten zugute, die mit der Melodielinie atmen können.
Elza van den Heever verleiht Elsa eine jugendlich klare, durchschlagskräftige Stimme mit sicherer Höhe, die jedoch zunehmend eindimensional wirkt und gelegentlich Schärfen zeigt. Klaus Florian Vogt übernahm am 9. August 2025 kurzfristig die Titelpartie des Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen, nachdem der ursprünglich vorgesehene Tenor Piotr Beczała erkrankt war. Vogt zeigte sich in dieser Rolle in hervorragender Verfassung. Sein keusch-entrücktes, fast knabenhaftes Timbre, das oft mit dem einer Trompete verglichen wird, paßte perfekt zu der Figur des Gralsritters und überzeugt mit klarer Diktion und einem lyrischen, baritonal fundierten Tenor. Olafur Sigurdarson kann in Bayreuths Akustik nicht immer mit gleicher Durchschlagskraft bestehen, gestaltet Telramund jedoch mühelos und unangestrengt – ein dunkles Vorzeichen für das drohende Unheil. Mika Kares bestätigt als König Heinrich seinen Rang als derzeit wohl bester Interpret dieser Rolle: samtweiche Tiefe ohne übermäßige Schwärze und unverwechselbare Klangfarbe. Milina-Lisa Värelä zeigt Ortrud mit ungewohnt menschlichen Zügen und technischer Souveränität, was zu bestechender Textverständlichkeit führt. Michael Kupfer-Radecky als Heerrufer, präsentierte er sich als respektvolle und würdige Figur. Sein Bariton klang warm und voll, und die Textverständlichkeit war ausgezeichnet. Insgesamt profitiert die Produktion enorm von der musikalischen Geschlossenheit und dem hohen künstlerischen Niveau des Ensembles, was auch kleineren Schwächen in der Akustik oder einzelnen Rollen zu trotzen vermag. Der Chor, die Solisten und das Orchester bilden gemeinsam ein stimmiges Klangbild, das die dramatische Intensität der Oper wirkungsvoll transportiert.
Fazit
Musikalisch präsentiert sich diese Aufführung von Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen als ein echtes Highlight. Dank eines präzise einstudierten Chorklangs und dem Dirigat von Christian Thielemann, das gleichermaßen ausgewogen wie spannungsvoll wirkt, entwickelt sich ein mitreißendes Klangbild, das die dramatischen Höhen und Tiefen des Werkes eindrucksvoll transportiert. Thielemanns sensible musikalische Leitung schafft es, die differenzierten Klangfarben und dynamischen Nuancen hervorzuheben. Die Sänger fügen sich als geschlossenes, hochkarätiges Ensemble harmonisch in diese Atmosphäre ein, was den Abend zu einem Festspielhöhepunkt macht.
Die Inszenierung setzt auf eine optisch auffällige Starkstrom- und Insektenästhetik, die zwar visuell prägnant, jedoch erzählerisch eher beliebig wirkt. Diese Gestaltung verliert dadurch an Klarheit und Stringenz und kann nicht an die Wirkung historischer Meisterinszenierungen heranreichen, die noch eine klare dramaturgische Linie und eine tiefere inhaltliche Durchdringung bieten konnten. Die ästhetische Konzeptwahl erscheint bisweilen überfrachtet und erschwert das Verständnis des Handlungsverlaufs, was die emotionale Wirkung der Oper beeinträchtigt.
Dementsprechend galt der Applaus des Publikums vor allem der musikalischen Seite der Aufführung. Trotz des Fehlens einer prominenten Starbesetzung überzeugte das Ensemble durch die musikalische Geschlossenheit und die hohe Qualität der Darbietung restlos. Insbesondere die kraftvolle und zugleich nuancierte Interpretation von Klaus Florian Vogt als Lohengrin sowie Michael Kupfer-Radecky als Heerrufer wurden besonders gewürdigt. Die musikalische Gestaltung gelingt es so, den Abend trotz szenischer Defizite zu einem eindrucksvollen Erlebnis zu machen.
Oliver Hohlbach
Elza van den Heever (Elsa von Brabant), Piotr Beczała (Lohengrin), Chor der
Bayreuther Festspiele.
Bild: Enrico Nawrath
