Bielefeld, Stadttheater – CAPRICCIO

von Richard Strauss (1864-1949), ein Konversationsstück für Musik in einem Aufzug, Libretto: Clemens Krauss und Richard Strauss; UA: Capriccio, München, 28.10.1942.
Regie: Helen Malkowsky, Bühnenbild/Kostüme: Harald B. Thor, Tanja Hofmann
Dirigent: Peter Kuhn, Opernchor und Bielefelder Philharmoniker.
Solisten: Melanie Kreuter (Gräfin Madeleine), Meik Schwalm (Graf, ihr Bruder),
Luca Martin (Flamand), Alexander Marco-Buhrmester (Olivier), Brian Bannatyne-Scott (La Roche), Susanne Reinhard (Clairon), Victoria Granlund (Sängerin), Seil Kim (Tenor), u.a.
Besuchte Aufführung: 31. Januar 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
bielefeld-capriccio.jpgZum Geburtstag der Gräfin Madeleine sind der Dichter Olivier, der Komponist Flamand und der Theaterdirektor La Roche gekommen. Olivier und Flamand diskutieren darüber, ob Dichtung oder Musik der Vorzug gebührt, La Roche vertritt den Standpunkt, welche Kunst auch immer dominiert – Hauptsache, die Aufführung ist effektvoll. Die Rivalität der Metiers ist auch eine um die Liebe der Gräfin. Olivier rezitiert der Gräfin ein Sonett, um ihr seine Liebe zu gestehen. Flamand will ihm nicht nachstehen: er vertont das Sonett, doch Madeleine kann sich nicht entscheiden, welcher Kunst (und welchem Mann) sie den Vorzug geben soll. Sie fordert die Künstler auf, gemeinsam eine Oper zu schaffen. Der Bruder der Gräfin schlägt als Sujet „die Ereignisse des heutigen Tages“ vor. Die Gräfin, die sich weder für den Dichter noch für den Komponisten, weder für Wort noch für Ton zu entscheiden vermag, gibt keinem der beiden Galane den Vorzug. In edler Musik das Wort vereint, es gibt keinen schöneren Bund.
Aufführung
Mit Kammermusik öffnet sich der Vorhang und ein schlicht gehaltenes Bühnenbild ist zu sehen, Graufarben dominieren. Eine Stahlkonstruktion bildet eine Hausfassade mit jeweils vier großen Fenstern auf zwei Ebenen. Hinter einem Fenster in der unteren Etage ist ein Geiger zu sehen, der an einer Komposition arbeitet. Am diagonal darüber liegenden Fenster arbeitet ein Dichter an der Wortfindung. Die übrigen Fenster sind mit einer Alu-Jalousie geschlossen. Vor der Hausfassade ist ein Platz, auf dem Leute gehen und verweilen. Die Kostüme sind dem jeweiligen Handlungscharakter der Personen angepaßt: Größtenteils gutbürgerliche Kleidung in Erd- und Grautönen. Das italienische Sängerpaar sticht in typisch italienischer Opernkleidung hervor. Die Schauspielerin Clairon trägt eine sehr auffällige, bunt moderne Kleidung.
Sänger und Orchester
Das Orchester unter der Leitung von Peter Kuhn zeigt in eine gute dynamischer und rhythmischer Abstufung. Die Begleitung der Gesangssolisten brachte diese manchmal durch gewisse Lautstärken in Bedrängnis. Einem Sonett aus alter Zeit folgen die Ballett-Einlage einer jungen Tänzerin, ein terzenseliges Duett zweier italienischer Sänger sowie zwei Oktette, darauf ein Monolog. Die Orchesterlautstärke ist an vereinzelten Stellen etwas überlaut, so daß sie die Vokalstimmen überdecken. Der Sopranistin Melanie Kreuter (Gräfin) gebührt unter den Sängern das größte Lob. Ob in den mehrstimmigen Passagen oder in der emotionsstarken Schlußarie – Sie singt mit einer gekonnten Leichtigkeit und vermag die Wechsel der vorgegebenen Ausdrucksweisen voller Brillanz umzusetzen. Die übrigen Vokalisten, wie der Bariton Meik Schwalm (Bruder der Gräfin), der Bariton Alexander Marco-Buhrmester (Olivier) und der Bassist Brian Bannatyne-Scott (La Roche) singen sehr solide. Der Tenor Luca Martin (Flamand) wurde leider zeitweise auch vom Orchester übertönt. Seine Stimme ist von klarer Klangfarbe, aber tritt in kraftvolleren Orchesterpassagen nicht mit dem erforderlichen Klangvolumen hervor. Seil Kim und Viktoria Granlund präsentieren die „italienische Opernarien-Marnier“ sehr überzeugend. Gerade durch den Kontrast zu den vorherigen deutschen Gesangsrezitativen wirkt diese Arie wie eine andere Oper innerhalb der Oper. Weniger überzeugend ist Susanne Reinhard (Clairon). Ihre Stimme läßt es an Brillanz und Ausdruckskraft fehlen, und sie hat es in orchesterstarken Stellen oder in den mehrstimmigen Passagen schwer, gehört zu werden. Theatralisch wirkt ihre Darbietung überzogen durch zu ausschweifende Bewegungen und häufig überbetonte Sprache. Die Herren des Bielefelder Opernchors verdienen Erwähnung mit ihrer kleinen, aber feinen musikalischen Gesangseinlage, die sie meisterlich darbieten.
Fazit
Capriccio ist ein hervorragendes, aber durchaus schwieriges Werk. Eine gute Vorbereitung auf diese Oper ist vorteilhaft, denn diese Oper quillt über an Zitaten, Anspielungen, Stilkopien und Persiflagen aus der Musiktheatergeschichte. Eingebunden in eine zwischenmenschliche Handlung spielt die uralte Frage, ob denn nun der Ton oder das Wort innerhalb der Musik wichtiger ist und welche Rolle die Regie spielt den Kern des Werkes. Lag es an den Aktionen der Sängerschar, die letztlich der Regisseur zu verantworten hat oder überhaupt am Stoff, daß einem die Zeit lang wurde. Ich beobachtete, wie eine Anzahl Zuschauer auf die Uhr schauten, so, als würde ihnen die Zeit zu lang.

Britta Wandschneider

Bild: Matthias Stutte
Die Bild zeigt: Seil Kim (ein italienischer Tenor), Victoria Granlund (eine italienische Sängerin)
und Schwalm (der Graf, ihr Bruder) u.a. (v.l.n.r.)

Veröffentlicht unter Bielefeld, Theater, Opern