Dresden, Sächsische Staatsoper „Semperoper“ – TOSCA

Giacomo Puccini, Musikdrama in 3 Akten, Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Drama von Victorien Sardou, UA: 14.Januar 1900, Teatro Costanzi, Rom
Regie: Johannes Schaaf, Bühnenbild: Christof Cremer, Kostüme: Petra Reinhardt
Dirigent: Ivan Anguélov, Sächsische Staatskapelle Dresden, Chor und Kinderchor
Solisten: Floria Tosca (Chiara Taigi), Mario Cavaradossi (Aleksandr Antonenko), Baron Scarpia (Lucio Gallo), Cesare Angelotti (Sangmin Lee) Spoletta (Timothy Oliver) u.a.
Besuchte Aufführung: 31.Januar 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
dresden-tosca.jpgDer Maler Cavaradossi, Geliebter der berühmten Sängerin Tosca, verhilft Angelotti zur Flucht. Scarpia, der Polizeichef, ist Angelotti dicht auf der Spur, erwischt ihn zunächst aber nicht, sondern inhaftiert lediglich Cavaradossi. Über diesen hofft er zum einen Angelotti zu erwischen, zum anderen, Tosca, die er begehrt, zu besitzen. Cavaradossi wird gefoltert. Tosca kann dies nicht mit ansehen und verrät das Versteck Angelottis. Scarpia läßt Cavaradossi zur Hinrichtung abführen, aber für eine Nacht mit Tosca wäre er bereit, den Maler zu begnadigen. Vorher beauftragt er seinen Polizeiagenten Spoletta, Cavaradossi zu exekutieren, wogegen er Tosca erklärt, daß es eine Scheinerschießung sei. Aber während Scarpia den Passierschein für Tosca und Cavaradossi ausstellt, ersticht sie ihn. Cavaradossi bereitet sich auf seine Erschießung vor, da erscheint Tosca und erzählt ihm daß es eine Scheinerschießung sei. Die Schüsse knallen und ihr Geliebter ist tot. Tosca stürzt sich von der Engelsburg in den Tod.
Aufführung
Die Kirche Sant’Andrea della Valle in Rom ist Kirche im Aussehen von Kirchen der 50/60er Jahre, erkennbar an dem großen Kreuz an der hinteren Betonwand. An der linken Betonwand ein monumentales Gemälde, davor ein Malergerüst. Rechts die Statue der Madonna, daneben eine sehr niedrige Tür. Die Kapelle der Attavanti ist im Boden versenkt. Das Büro von Scarpia im Palazzo Farnese ist ein Allerweltsbüro. Dann ein üblich gestaltetes Gefängnis – alles mit Betonmauern. Links ein Stehpult und in der Mitte ein Eßtisch mit Stühlen, alles aus rotbraunem Holz. Die Engelsburg ist eine beliebige Hinrichtungsstätte, vorne links liegt ein großer Haufen Schuhe, zu dem sich bald auch (mit einigen Mühen beim Ausziehen…schafft er’s noch ohne Umzufallen bis zur Erschießung?) Cavaradossis Stiefel gesellen sollen. Toscas Sprung in den Tod erlebt der Zuschauer in gleißendem Licht optisch er- und überhöht.
Sänger und Orchester
Hervorragend die Leistung der Sächsischen Staatskapelle unter Ivan Anguélov, lyrisch in den emotionalen Phasen, knallig und bunt aufspielend in den farben¬prächtigen Szenen, diabolisch das Motiv des Scarpia interpretierend, melancholisch das der Tosca in sensibler Begleitung der Sänger.
Emily Magee, als Tosca vorgesehen, erkrankte plötzlich und kurzfristig rettete die erst zur Generalprobe eingesprungene Chiara Taigi aus Rom die Premiere. Und wie! Gesang und Spiel sind bei ihr eine vollkommene Einheit. Glaubwürdig bis in die kleinste Emotion, weiß sie ihr gepflegtes Stimmmaterial wirkungsvoll einzusetzen. Natürlich kleines Künstler-Premieren-Pech beim Betreten der Kirche: Die Tür ist zu niedrig und ihr Kopf macht Bekanntschaft mit dem Türstock. Aber Vollprofi, der sie ist, läßt sie sich nichts anmerken, tritt absolut sicher auf, und das unter den gegebenen Umständen. Und wie war in der Arie Vissi d’arte – nur der Kunst? Fabelhaft – wem da nicht die Tränen in den Augen standen, der hat kein Herz. Dunkel timbriert der Tenor, aber einer, der sich auch kraftvoll zu strahlenden Höhen emporschwingen kann. Man zittert ja jedesmal mit, wenn die Oper gleich zu Anfang, ohne die Chance des Warmsingens, von Cavaradossi eine Arie wie Recondit’ armoniageheimnisvolle Harmonie verlangt. Kleinste Unsicherheiten beim Ansingen, mal eine Phrase nicht ganz ausgehalten – Premierenstreß bei Aleksandr Antonenko. Und wie war „E lucevan le stelle – und es leuchten die Sterne? Grandios! Auch hier waren Tränen in den Augen angesagt. Das großartige Sängerensemble wurde eindrucksvoll abgerundet durch einen geradezu triumphal aufsingenden Lucio Gallo als Scarpia. Da saß alles – und den Scarpia nimmt man ihm sofort ab. So wünsche ich mir Scarpia immer. Neben den tadellos besetzten kleineren Rollen beeindruckte besonders Sangmin Lee als Angelotti im Zusammenspiel tadellosen Gesangs und packender Darstellung.
Filmregisseur Johannes Schaaf inszeniert – da weiß man von vornherein, daß die Augen nicht gequält werden. Und Kerzen, allüberall Kerzen, Schaaf liebt Kerzen bis hin zum unvermeidlichen Kerzenleuchter neben Scarpias totem Haupt.
Fazit
Standing Ovations des begeisterten Premierenpublikums. Eine Oper aus einem Guß. Zwingend und optisch ansprechend die Inszenierung, Sänger und Orchester gaben, jeder für sich, und alle gemeinsam, ein Beispiel. Diese Tosca ist eine Reise nach Dresden wert!

Dr. Rüdiger Ehlert

Bild: Matthias Creutziger
Das Bild zeigt: Chiara Taigi (Floria Tosca), Aleksandr Antonenko (Mario Cavaradossi)

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