Bayerische Staatsoper – NABUCCO

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Dramma lirico in vier Akten, Libretto: Temistocle Solera
UA: 9. März 1842, Teatro alla Scala, Mailand
Regie/Bühne/Kostüme: Yannis Kokkos, Licht: Michael Bauer, Dramaturgie: Sophie Becker,
Dirigent: Paolo Carignani, Bayerisches Staatsorchester und Chor Einstudierung: Andrés Máspero
Solisten: Paolo Gavanelli (Nabucco), Aleksandrs Antonenko (Ismaele), Giacomo Prestia (Zaccaria), Maria Guleghina (Abigaille), Daniele Sindram (Fenena), Andreas Kohn (Il gran sacerdote), Kevin Conners (Abdallo), Lana Kos (Anna)
Besuchte Aufführung: 3. Februar 2008 (Premiere, 28.1.2008)

Kurzinhalt
nabucco-muenchen.jpgDie Babylonier unter König Nebukadnezar (Nabucco) belagern 578 v. Chr. Jerusalem. Der Hohepriester Zaccaria macht den im Tempel versammelten Hebräern Hoffnung, denn Nabuccos Tochter Fenena befindet sich in seiner Gewalt. In diesem Moment erscheint Ismaele, Neffe des Königs von Jerusalem, der Fenena liebt und berichtet, daß die Babylonier in die Stadt eingedrungen seien. Im Kampf mit Nabucco werden die Hebräer besiegt. Ismaele übergibt Nabucco dessen Tochter Fenena; denn die aufgebrachten Hebräer wollten sie töten. Dennoch befielt Nabucco, den Tempel zu plündern und zu zerstören. Zaccaria und das Volk verfluchen den Verräter Ismaele.
Schauplatzwechsel: In Babylon erfährt Abigaille, daß sie nur nicht ältere Tochter Nabuccos, sondern Tochter einer Sklavin sei. Da lange abwesend, hält man Nabucco für tot. Fenena ist seine Nachfolgerin. Doch Abigaille will Fenena verhaften lassen, um selbst Königin zu werden. Da erscheint der totgeglaubte Nabucco und will nun als König und Gott verehrt werden. Ein Blitzstrahl aus dem Himmel ängstigt Nabucco so, daß er wahnsinnig wird. Abigaille krönt sich selbst. Sie verurteilt Fenena zum Tode verurteilt und Nabucco läßt in den Kerker werfen. Allein betet Nabucco zum Gott der Hebräer. Daraufhin verläßt ihn der Wahnsinn. Es gelingt ihm, sich, Fenena und die Hebräer zu befreien. Sterbend bittet Abigaille Jehova um Vergebung.

Die Inszenierung
In dunkle Gewänder gehüllte Chormassen stehen fast unbeweglich auf der schwach ausgeleuchteten Bühne. Dazu ertönt tiefgründige Musik aus dem Orchestergraben. Das sind die Haupteindrücke die sich dem Zuschauer in der Neuinszenierung Nabucco durch den griechischen Regisseur Yannis Kokkos bieten. Dieser läßt die Handlung unter Verwendung diverser Bühneneffekte in einem zeitlosen Raum spielen.
Das Innere des Tempels von Jerusalem im ersten Akt besteht aus einer mit vier quadratischen Öffnungen versehenen Wand, die beim Auftritt Nabuccos versenkt wird, so daß dieser, in strahlend hellem Licht darauf stehend, erscheint. Im Hintergrund sind die Ruinen des zerstörten Jerusalem zu sehen. Doch zeigt sich hier auch, daß aufwendige Bühnentechnik allein zu einer Inszenierung nicht ausreicht. Es bedarf auch Personenführung, die in dieser Neuproduktion praktisch nicht stattfindet. So wird die Bedrohlichkeit der Situation der Hebräer in keiner Weise deutlich. Im Gegenteil! Die Eröffnungsszene ist an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Choristen und Statisten wandern, sofern sie sich überhaupt bewegen, einigermaßen unmotiviert über die Bühne.
Nach längerer Umbaupause ist im zweiten Akt ein perspektivisch verengter und orange ausgeleuchteter Würfel zu sehen. Dieser soll den babylonischen Palast darstellen, in dem Abigaille (in unvorteilhaftem Lederkostüm) nach der goldenen Krone auf dem Haupt ihrer Schwester greift. Der Blitzstrahl, der den gotteslästernden Nabucco trifft, wird durch ein vom Schnürboden heruntergefahrenes Gestell zunächst matt, später gleißend hell, in den Zuschauerraum leuchtender Glühbirnen dargestellt. Personenregie sucht man auch hier vergeblich.
Ebenso verhält es sich nach der Pause im dritten und vierten Akt, wenn der hervorragend disponierte Chor den berühmten Gefangenenchor hinter einem Maschendrahtzaun mit Stacheldraht anstimmt, der KZ-Assoziationen hervorruft. (Wie originell!) Der Kerker, in dem Nabucco sitzt, besteht aus einem über Treppen erreichbaren fahrbaren Podest. Im Hintergrund sind die Schatten der zum Richtplatz Geführten zu sehen.
Von szenischer Seite insgesamt also kein gutes Bild: Die Ästhetik dieser äußerst konventionellen Neuinszenierung erinnert an Produktionen aus den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts. Extrem statische Personenregie läßt dabei manche Szene beinahe komisch wirken. Der in jedem Akt drohende Genozid an den Hebräern, das spannungsreiche Vater-Tochter-Verhältnis zwischen Nabucco und Abigaille, all das blendet Yannis Kokkos zugunsten düsterer, belangloser Bebilderung der Opernhandlung völlig aus. Das können auch die teilweise eindrucksvollen Bühneneffekte nicht wettmachen. Schade!
Sänger/Orchester
Die wohl anspruchsvollste Partie der Oper ist die der Abigaille. Maria Guleghina kann trotz starker Bühnenpräsenz nicht überzeugen. In der Höhe schrill und in den Koloraturen mehr als unsauber, fiel sie gegen eine Edita Gruberova, die zwei Abende zuvor die Norma gab, deutlich ab. Am Schluß ihrer Cavatine Anch’io dischiuso un giorno ebbi alla gioa il core – Auch ich hatte ehemals ein Herz offen für die Freude brach ihr der Ton völlig weg. Paolo Gavanelli (Nabucco) ist Stammgast für alle großen Verdi-Baritonrollen an der Münchener Staatsoper und verströmte erneut balsamische Töne, mit denen er vor allem in der Cavatine im vierten Akt überzeugen konnte. Zur Charakterisierung des wahnsinnigen Tyrannen in den vorigen Aufzügen hätte man sich jedoch weniger einem dem Schönklang verpflichteten Gesang gewünscht.
Der Ismaele von Aleksandrs Antonenko blieb insgesamt eher blaß, wohingegen Giacomo Prestia (Zaccaria) mit betörend schön geführter Baßstimme, begeisterte. Ensemblemitglied Daniela Sindram landete als Fenena einen schönen Achtungserfolg.
Bei wohl allen Aufführungen dieser Oper – so auch hier – ist jedoch der Chor der Star, der bei weitem nicht nur den Gefangenenchor darzubieten hat. Es mag an der statischen Inszenierung gelegen haben, daß die Damen und Herren des Opernchors sich voll und ganz auf den Gesang konzentrieren konnten. Das akustische Ergebnis war jedenfalls großartig. Großartig auch das Dirigat von Paolo Carignani unter dem das Staatsorchester eine konzentrierte bis ins Detail ausmusizierte Vorstellung bot.
Fazit
Die biedere, langweilige Inszenierung nicht gesehen zu haben ist kein Verlust. Auf Folgevorstellungen mit Prestia, Carignani und diesem Chor darf sich das Münchner Publikum freuen.
Christoph Lang                                                             Bild: Wilfried Hösl

Veröffentlicht unter München, Staatsoper

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