Die Entführung aus dem Serail – Köln, Oper

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Singspiel in drei Akten, Libretto: Johann Gottlieb Stephanie nach Christoph Friedrich Bretzner, UA: 16. Juli 1782, Wien, Burgtheater

Regie: Kai Anne Schuhmacher, Bühne & Video: Dominique Wiesbauer, Kostüme: Valerie Hirschmann

Dirigent: Rainer Mühlbach und das Gürzenich-Orchester Köln

Solisten: Florian Reiners (Bassa Selim), Kathrin Zukowski (Konstanze), Seung Jick Kim (Belmonte), Rebecca Murphy (Blonde), Dustin Drosdziok (Pedrillo), Lucas Singer (Osmin)

Besuchte Aufführung: 14. März 2022 (Premiere)

Kurzinhalt

Belmonte reist über das Meer, um seine Verlobte Konstanze aus der Gewalt des Bassa Selim zu befreien. Dieser hält Konstanze, ihre Dienerin Blonde und dessen Geliebten Pedrillo als seine Sklaven gefangen und will Konstanze zu seiner Geliebten machen. Konstanze wehrt sich gegen den Bassa; ebenso verweigert sich Blonde Osmin, Selims Diener. Belmonte plant zusammen mit Pedrillo die Flucht: Pedrillo macht Osmin betrunken, so daß dieser einschläft und die vier fliehen können. Doch bevor sie das Schiff erreichen, erwacht Osmin und führt sie vor den Bassa Selim. Alle rechnen mit der Todesstrafe, doch Selim ist großzügig und läßt die Gefangenen frei.

Aufführung

Die Bühne im Staatensaal 3 ist eine gekippte Fläche auf der sich mehrere Stofflaken befinden, die an Seilen befestigt sind und im Verlauf des Stückes zu einer Art Zelt aufgespannt werden. Ansonsten bleibt die Bühne karg, so daß die bonbonfarbenen und schrillen Kostüme im Vordergrund stehen. Diese greifen verschiedene Zirkussymbole auf. Die Sängerinnen und Sänger sind beispielsweise als Dompteure, Clowns oder Tiger verkleidet; dabei sind für Farben und der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Osmin trägt einen langen Frack und zerfetzte Kleidung, seine Augen sind schwarz umrandet. Bassa Selim wird als dandyhafter Zirkusdirektor mit langem Umhang, schwarzen Lackhandschuhen und Lederhose präsentiert. Die Handlung ist in weiten Teilen nicht mehr wiederzuerkennen, ebenso sind die gesprochenen Dialoge an vielen Stellen entsprechend bearbeitet. Statt in einem Serail wird Konstanze in einer traumhaften Zirkus-Illusion gefangen gehalten. Doubles von Belmonte und Konstanze erscheinen schlafend auf der Bühne, sie ist schwanger, er im Pyjama, was offensichtlich auf eine unglückliche Beziehung in der Realität hinweist, aus der sich beide „hinweg träumen“ wollen.

Sänger und Orchester

Das Orchester ist aus Platzgründen nicht vor der Bühne positioniert, sondern hinten zwischen den Zuschauertribünen, was die Koordination von Gesang und Instrumenten für Rainer Mühlbach schwierig macht. Die Ouvertüre beginnt holprig, was auch daran liegt, daß Lucas Singer (Osmin) den ersten Teil auf der elektrischen Orgel spielt und das Orchester erst ein paar Takte später einsetzt. Lucas Singer (Osmin) singt in der Arie Solche hergelaufne Laffen mit einem knurrenden Baß, dabei hat seine Stimme ein helles Timbre, was ihm in den forte akzentuierten hohen Tönen sehr zugutekommt. Schauspielerisch ahmt er den knittrigen, verhärmten Diener in Mimik und Gestik sehr gekonnt nach und läßt seine ganze Bosheit an seinen Gegenspielern aus. Allerdings fällt es ihm gesanglich mitunter schwer das Tempo zu halten, so daß die Koloraturen etwas hölzern klingen und die tiefen Töne auch deutlich zu leise betont werden.

Deutlich besser singt Seung Jick Kim (Belmonte) mit seinem vollmundigen, warmen Tenor. In der Arie Konstanze dich wiederzusehen haucht er die leisen Töne im sotto voce wunderbar. Dadurch vermag er seinen tiefen Empfindungen Ausdruckfähigkeit zu verleihen, während er gedankenversunken Konstanzes Kleid vor sich hinhält.

Unübertroffen ist aber Kathrin Zukowski (Konstanze), die sich mit ihrem glasklaren, kühlen Sopran von Arie zu Arie noch mehr steigert und dabei alle Register der Gesangskunst zieht. Überwältigend ist sie in Martern aller Arten: Hier setzt sie sich körperlich gegen die Unterdrückung des Bassa Selims zur Wehr, zerreißt selbstbewußt ihr Kleid und läßt ihre Stimme in der Höhe anmutig anschwellen. Weder die vielen schwierigen Koloraturen der Triller, der Tonsprünge oder die schnelle Rhythmik bereiten ihr Probleme – alles meistert sie mit großer Leichtigkeit.

Eine ebenfalls sehr gute Leistung bringen Rebecca Murphy (Blonde) und Dustin Drosdziok (Pedrillo), die beide sehr dynamisch singen und sich gleichzeitig schauspielerisch ins Zeug legen. Murphy überzeugt mit einem metallischen Sopran, der in der Höhe angenehm scharf klingt und gut zu der Rolle der kokettierende Blonde paßt, die als Dompteuse zwei Tiger auf der Bühne mit ihrer Peitsche zähmt. Drosdzioks Tenor ist leicht kehlig und spitz in der Betonung, kann aber besonders in der Höhe strahlen. Florian Rainer (Bassa Selim) spielt seine Rolle als Herrscher sehr exzeptionell und verströmt dabei ein unheimliches Stimmung. Mit seinen Händen projiziert er beispielsweise Schatten auf eine Leinwand und manipuliert Belmonte wie ein Marionettenspieler.

Fazit

Katrin Zukowski ist der unangefochtene Star und Publikumsliebling des Abends, dicht gefolgt von Seung Jick Kim. Insgesamt legt sich das sehr junge Ensemble mit seinen Rollendebuts gesanglich und schauspielerisch voll ins Zeug, was über die experimentelle Inszenierung des Stückes hinwegtrösten kann. Ohne einen Blick in das Programmheft zu werfen, versteht man die Handlung aber nicht wirklich und selbst dann bleiben noch viele Fragen offen.

Melanie Joannidis

Bild: Paul Leclaire

Das Bild zeigt: Florian Reiners (Bassa Selim), Kathrin Zukowski (Konstanze)

Veröffentlicht unter Köln, Bühnen der Stadt, Opern