Tannhäuser – Hamburg, Staatsoper

von Richard Wagner (1813-1883), Große romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: R. Wagner, UA: 19. Oktober 1845, Königliches Hoftheater

Regie: Kornél Mundruczó  Co-Regie: Caroline Staunton  Bühne: Monika Pormale Kostüme: Sophie Klenk-Wulff   Licht: Felice Ross  Video: Rūdolfs Baltiņš  Dramaturgie: Kata Wéber

Dirigent: Kent Nagano, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Chor der Hamburgischen Staatsoper

Solisten: Georg Zeppenfeld (Landgraf Hermann), Klaus Florian Vogt (Tannhäuser), Christoph Pohl (Wolfram von Eschenbach ), Daniel Kluge (Walther von der Vogelweide), Guanqun Yu (Liù), Daniel Kluge (Pang), Levente Páll (Biterolf), Jürgen Sacher (Heinrich der Schreiber), Martin Summer (Reimmar von Zweter), Jennifer Holloway (Elisabeth), Tanja Ariane Baumgartner (Venus), Florian Markus (ein Hirt), Angelika Gajtanovska (1. Edelknabe), Kathrin von der Chevallerie (2. Edelknabe), Peixin Lee (3. Edelknabe), Veselina Teneva (4. Edelknabe)

Besuchte Aufführung: 24. April 2022 (Premiere)

Kurzinhalt

Der im Venusberg bei der heidnischen Göttin der Liebe lebende Tannhäuser ist die ewigen Sinnesfreuden leid und geht entgegen Venus‘ Warnungen in die Welt der Sterblichen zurück. Zurück in Thüringen macht er in der Wartburg bei einem Sängerwettstreit mit, den der Landgraf Hermann ausrichtet. Dort will Tannhäuser das Herz von dessen Nichte Elisabeth gewinnen, die auch Gefühle für ihn hat. Doch als er im Wettstreit gegen die anderen mittelalterlichen Dichter die fleischliche Liebe besingt und bekennt, daß er im Venusberg war, wird er verdammt. Auf die Bitte Elisabeths hin darf Tannhäuser nach Rom pilgern, um Buße zu tun. Doch der Papst verweigert ihm die Vergebung und meint, erst wenn Tannhäusers Priesterstab grün erblühe, sei ihm vergeben. Der zurückgekehrte Tannhäuser ruft Elisabeths Namen, die für seine Vergebung inzwischen gestorben ist. Nun sinkt auch Tannhäuser dahin, doch die anderen Pilger zeigen nun den Stab, der durch ein Wunder erblühte. Im Tod wurde Tannhäuser vergeben.

Aufführung

In der neuen Hamburger Inszenierung ist der Venusberg ein dichter üppiger Dschungel, in dem Tannhäuser mit Venus und rund zehn gemeinsamen Kindern isoliert lebt. Aus dem ewigen Sinnesfreuen wird so die Midlife-Crisis eines Familienvaters, der sich nach Abwechslung sehnt. Dementsprechend ist Venus hier weniger die Göttin der Liebe als eine Mutter.

Näher am Originaltext ist da schon die zweite Szene, die einen bemoosten Felsen mit kleinem Wasserfall zeigt. Das Wiedersehen mit Landgraf Hermann und seinen alten Dichterfreunden wird mit dem Ausbluten von sechs Hirschen begangen, die sie erjagt haben. Die Köpfe jener Hirsche sind im zweiten Akt im weißen Festsaal mit riesigem mittelalterlichem Wandteppich dann zu Kunstobjekten mit rot leuchten Augen geworden. Der Sängerkrieg wird als Event der High Society mit großer Dienerschaft dargestellt. Als Tannhäuser seinen Aufenthalt im Venusberg besingt, beginnt er zu schweben und der Wandteppich fällt zu Boden. Dahinter kommt der Dschungel des Venusbergs zum Vorschein. Im Gegensatz zur restlichen Gesellschaft ist Elisabeth wie Tannhäuser schlicht gekleidet. Selbige will sich zu Beginn des dritten Aktes vom Felsen stürzen, wird dann jedoch von Wolfram abgehalten. Am Schluß beginnt im Dschungel die Baumkrone einer Palme golden zu leuchten, das Wunder des ergrünten Stabes symbolisierend.

Sänger und Orchester

Als einer der profiliertesten Wagnersänger dieser Tage enttäuschte Klaus Florian Vogt als Tannhäuser auch dieses Mal nicht mit seiner unerhört reinen Diktion, die den Blick zu den Übertiteln überflüssig macht, weil man ihn so gut versteht. Auch wenn es zu Beginn noch etwas an der Durchschlagskraft mangelt, entwickelte sein leichter Tenor im Verlauf der Aufführung noch mehr stimmliches Gewicht, so daß er spätestens beim Sängerwettstreit dann voll da war. So lieferte er sich in der ersten Szene mit Tanja Ariana Baumgartners Venus einen spannenden Schlagabtausch, da diese mit ihrem weich blühenden Mezzosopran überaus präsent war und die Liebesgöttin stimmlich glaubhaft verkörperte.

Bereits zum Ende des ersten Aktes und dann natürlich im zweiten Akt wußten, dank Christoph Pohl, Daniel Kluge, Levente Páll, Jürgen Sacher und Martin Summer, die Ensembleszenen zu packen, wobei vor allem Christoph Pohl als Wolfram hervorstach. Ebenfalls viel stimmliche Autorität und Klarheit brachte Georg Zeppenfeld als Landgraf Hermann mit.

Jennifer Holloway, von der Regie äußerlich gegen den Strich gebürstet, wußte mit warm intensivem Vibrato und geschickter Phrasierung zu gestalten.

Dem Chor der Hamburgischen Staatsoper gelang in den Pilgerszenen eine anrührende, dynamisch zurückhaltende Präsentation. Im Kontrast dazu standen die durchschlagenden großen Szenen im zweiten Akt, die sich wunderbar in den Verlauf einfügten. Auch wenn das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano nicht immer völlig intotationssicher war (Flöten), erklang aus dem Orchestergraben doch ein gut ausbalancierter Wagnerklang, der im Tutti wie in den zahlreichen Soli überzeugte.

Fazit

Standing Ovation bei einer Opernpremiere gibt es in Hamburg nicht alle Tage. Umso höher ist der Jubel zu bewerten, der den Beteiligten am Premierenabend entgegenschlug. In die allgemeine Begeisterung mischten sich jedoch auch Buhrufe für das Regieteam. So oder so ist der neue Hamburger Tannhäuser zu empfehlen, weil er musikalisch begeistert und auch bühnentechnisch einiges zu bieten hat.

Dr. Aron Sayed

Bild: Brinkhoff/Mögenburg

Das Bild zeigt: Martin Summer (Reimmar von Zweter), Levente Páll (Biterolf), Christoph Pohl, (Wolfram von Eschenbach), Klaus Florian Vogt (Tannhäuser), Georg Zeppenfeld (Landgraf Hermann), Daniel Kluge (Walther von der Vogelweide), Jürgen Sacher (Heinrich der Schreiber), Chor der Hamburgischen Staatsoper, Komparserie

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