Die Zirkusprinzessin – Hof, Theater

von Emmerich Kalman (1882-1953); Operette in drei Akten, Text von Julius Brammer und Alfred Grünwald; UA: 26.März 1926 Wien, Theater an der Wien

Regie: Nicole Claudia Weber, Bühne: Herbert Buckmiller, Kostüme: Götz Lanzelot Fischer, Choreographie: Barbara Buser

Musikalische Leitung: Walter E. Gugerbauer, Hofer Symphoniker, Ballett, Opernchor (Chorleitung: Roman David Rothenaicher).

Solisten: Sophie-Magdalena Reuter (Fürstin Palinksa), Thilo Andersson (Prinz Sergius Wladimir), Thomas Hary (Baron Brusowsky, Adjudant), James Tolksdorf (Zirkusdirektor Stanislawski), Minseok Kim (Mister X, Fedja Palinski), Yvonne Prentki (Miss Mabel Gibson), Stefanie Rhaue (Carla Schlumberger), Markus Gruber (Toni Schlumberger), Thomas Hary (Oberkellner Pelikan), u.a.

Besuchte Aufführung: 10. Januar 2020

Kurzinhalt

Die Vorstellungen im Zirkus Stanislawski in St. Petersburg sind ausverkauft – wegen des Mister X, der maskiert als tollkühner Zirkusreiter auftritt. In Wirklichkeit ist er der enterbte Neffe eines verstorbenen Fürsten. Er liebte die Gattin des Fürsten, die Fürstin Palinksa, die nun den Zirkus besucht – ohne ihn zu kennen. Da sie die Annäherung des Prinzen Sergius Wladimir zurückweist, stellt er ihr den Reiter als den Prinzen Korosoff vor, um sie unstandesgemäß zu verkuppeln. Als gedemütigte „Zirkusprinzessin“, verlangt sie die sofortige Trennung. Und das vor der Hochzeitsgesellschaft, zu der auch das Zirkuspersonal zählt. Zu dem Personal gehört auch die vermeintliche Engländerin Mabel Gibson, die vom Wiener Hoteliersohn Toni Schlumberger verehrt wird, der sich als Sohn vom Erzherzog Karl vorstellt – aber das Hotel in Wien meint, in dem sich die Gesellschaft wiedertrifft und die Paare zusammen finden.

Aufführung

Die Kostüme sind bunt und üppig. Besonders die Clowns zeigen viele Details und farbenfrohe Schminke. Da man keine Zirkus-Kunststücke oder Pferde zu Gesicht bekommt, dienen die perfekt choreographierten Auftritte der Clowns als lustige Einlagen zu den zahlreichen Tanznummern oder als Begleitung zu den Gesangsstücken. So wird etwa zu Komm auf die Wiese kunstvoll ein Stück Kunstrasen ausgebreitet und mit Blumen bestreut. Ansonsten wird dezent an der Zeitvorgabe festgehalten: Das Stück (obwohl 1926 entstanden) spielt 1912 und läßt die k. u. k. Zeit als Abgesang wieder aufdämmern. Auf Bällen und als Hotelkellner trägt die Gesellschaft Frack und Abendgarderobe, die Kavalleristen schwarze oder rote Reiterpekeschen. Mister X könnte mit Maske und Cape als Zorro durchgehen.

Das Einheitsbühnenbild ist – wie könnte es anders sein – relativ simpel: es ist eine Orchesterempore (ohne Orchester) über einer Zirkusmange, die nur durch einen beweglichen Begrenzungsring dargestellt wird. Die eigentliche Mange scheint auf der anderen Seite zu sein, man sieht nur die Rahmenhandlung und die omnipräsenten Clowns. Für den fürstlichen Landsitz senken sich Birkenstämme herab, die (wie immer) für die russische Seele stehen sollen. Und das Hotel Erzherzog Karl besteht nur aus einigen kleinen Speisetischen im Zirkusrund.

Sänger und Orchester

Das Ensemble besticht an diesem Abend durch seine solide Besetzung. So ist für Minseok Kim die Partie des Mister X eine Glanzrolle, die hohen tenoralen Anforderungen die durchaus einer schweren Opernpartie gereichen, erfüllt er mit tadelloser lyrischer Stimmführung und sicherer tenoraler Höhe. Er ist sowieso am Haus der unverzichtbare Solitär im Tenorfach und stimmlich sehr breit aufgestellt. Sophie-Magdalena Reuter ist ein ausdrucksstarker Sopran, die die operettenhaften aber auch die verzweifelten Momente der Fürstin Palinksa sängerisch mit jugendlicher klarer Stimme umsetzen kann. Thilo Andersson ist ein strahlender Operettentenor oder Tenorbuffo inklusive der stimmlichen Spielfreude und der Beweglichkeit. Die Rolle des intriganten Prinzen Sergius Wladimir ist eine Herausforderung, aber kein Problem für ihn. Markus Gruber gibt dem liebestollen Hotelierssohn Toni Schlumberger einen dynamischen Drive. Yvonne Prentki kann auch als Operettensoubrette vom Fach der Miss Mabel Gibson jugendlichen Charme geben. Stefanie Rhaue ist die verzweifelte Mutter, die versucht, das Hotel am Laufen zu halten und deren dunkel timbrierter kräftiger Mezzo mit Tendenz zum Alt nicht ganz frei von Schärfe ist.  James Tolksdorf hat die baritonale Durchschlagskraft um den Operetten-Zirkusdirektor Stanislawski einen dominanten und eindrucksvollen Auftritt zu verschaffen.

Unter Walter E. Gugerbauer werden die großen Momente dieser vermeintlichen harmlosen Operette mit viel Liebe und großer Orchesterwirkung gespielt. Die fesselnde Wirkung dieses Stückes entfaltet sich im Laufe der Zeit, die Präzision im Zusammenspiel der einzelnen Stimmgruppen, die Klangwelten Kalmans, seine musikalischen Spielereien werden mit einer großen Filigranität zelebriert. Besonders die etwas höheren musikalischen Ansprüche an die beiden Hauptdarsteller sind bei ihm in den richtigen Händen. Die Arie des Mister X Zwei Märchenaugen und das Duett Leise schwebt das Glück vorüber würden auch als Opernarien durchgehen.

Fazit

Die Sylvester-Neujahrs-Produktion des Theaters Hof zieht wieder alle Register. Das gesamte Haus – Orchester, Chor und Ballett – ist beteiligt. In einer bunten, extrem gut ausgefeilten Choreographie wird die Handlung mit nur geringem Tiefgang, aber viel erfrischender Fröhlichkeit auf die Bühne gebracht. Da fällt es nicht ins Gewicht, daß die Rahmenhandlung gestrafft ist zugunsten von Ballett-Einlagen, Mabel Gibson eigentlich eine Pudel Dressur zeigt und Wenn Du mich sitzen läßt, fahr ich sofort nach Budapest eigentlich im  ersten Akt steht, aber hier ist es in den dritten Akt geschoben wird. Übrigens eine Zweitverwendung: in der Gräfin Mariza heißt das Duett Komm mit nach Varasdin, solange dort die Rosen blühn: Kalman hat bei sich selbst abgeschrieben.

Der Hofer GMD Walter E. Gugerbauer zeigt die musikalisch tiefergehenden Parallelen zur Oper auf, einen Vergleich mit dem legendären Opernfilm Besetzungen mit Rudolf Schock oder Ingeborg Hallstein in den Hauptrollen brauchen Minseok Kim und Sophie-Magdalena Reuter nicht zu scheuen. Ausverkauftes Haus zu Sylvester. Jubel und Freude allenthalben.

Oliver Hohlbach

Bild: H. Dietz Fotografie, Hof

Das Bild zeigt: Yvonne Prentki (Miss Mabel Gibson), Markus Gruber (Toni Schlumberger) und Ballett-Compagnie

Veröffentlicht unter Hof, Städtebundtheater, Opern