Falstaff – Hamburg, Staatsoper

von Giuseppe Verdi (1813-1901), UA: 9. Februar 1893 Mailand, Teatro alla Scala

Regie: Calixto Bieito, Bühne: Susanne Gschwender, Kostüme: Anja Rabes, Licht: Michael Bauer, Dramaturgie: Bettina Auer

Dirigent: Axel Kober, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Chor der Hamburgischen Staatsoper

Solisten: Ambrogio Maestri (Falstaff), Markus Brück (Ford), Oleksiy Palchykov (Fenton), Jürgen Sacher (Dr. Cajus), Daniel Kluge (Bardolfo), Tigran Martirossian (Pistola), Maija Kovalevska (Alice Ford), Elbenita Kajtazi (Nannetta), Nadezhda Karyazina (Mrs. Quickly), Ida Aldrian (Meg Page)

Besuchte Aufführung: 18. Januar 2020 (Premiere)

Kurzinhalt

Der mittellose Lebemann Falstaff will zu Geld kommen, indem er die beiden Damen Mrs. Alice Ford und Mrs. Meg Page verführt, um so an das Geld ihrer Ehemänner zu kommen. Diese durchschauen jedoch den Schwindel und wollen ihn mit Hilfe von Mrs. Quickly zum Gespött machen. Unabhängig davon faßt der Gatte von Ford den gleichen Entschluß, so daß es zu einem Verwirrspiel kommt, bei dem Falstaff am Ende den kürzeren zieht und es zu einer Doppelhochzeit kommt.

Aufführung

Die gesamte Aufführung spielt in Anlehnung an die Shakespeare Vorlage in der Londoner Schenke The Boar’s Head und um diese herum. Die Aufführung selbst wurde jedoch in die Gegenwart verlegt, dementsprechend sind die Kostüme gehalten. Das Gebäude ist komplett fahrbar und dreht sich, so daß man es aus allerlei Perspektiven zu Gesicht bekommt. Zu Beginn des zweiten Akts wird die Front entfernt, um ins Innere Einblick zu gewähren. Im Verlauf der Suche am Ende des zweiten Akts wird die Schenke dann fast komplett auseinandergenommen. Der dritte Akt spielt schließlich auf einer leeren schwarzen Bühne. Die Feenkönigin und ihr Gefolge können als Anspielungen auf die Me-Too-Bewegung verstanden werden. Zu Beginn des zweiten Akts hält das weibliche Gesangsensemble das BannerFette Steuern für die Fetten“ hoch. Falstaff wirkt am Ende wie eine armselige, vollständig ruinierte Gestalt.

Sänger und Orchester

Der für den Falstaff-Part bekannte Ambrogio Maestri ist auch in Hamburg stimmlich wie darstellerisch erwartungsgemäß beeindruckend. Sein Vortrag schwankt zwischen lebendigem Parlandoton und baritonaler Wucht, zwischen Sprechgesang und auch mal ins Grelle gehenden Spitzentönen. Insgesamt entsteht bei diesem Falstaff mehr der Eindruck von Musiktheater als von reiner Oper. Aber auch der Rest des Ensembles setzt das Theatermäßige des Falstaff wunderbar um. So sprühen die Alice Ford von Maija Kovalevska und die Meg Page von Nadezhda Karyazina förmlich vor komödiantischer Energie. Wie Ida Aldrian als Meg Page gerät ihr Vortrag hochflexibel und kippt bei Bedarf auch ins Rufen oder Sprechen um. Überhaupt wird das Potential an sprachlichen Gesten dieses Falstaff voll ausgeschöpft. So auch bei Markus Brück, der als Ford im zweiten Akt eine feurige Eifersuchtsarie hinlegt. Oleksiy Palchykov und Elbenita Kajtazi versehen die gesanglich konventionelleren Rollen von Fenton und Nannetta mit tenoraler Wärme respektiv soubrettenhaftem Charme.

Unter Axel Kober klingt das Philharmonische Staatsorchester Hamburg intonatorisch makellos, die große Leistung liegt im heiter plappernden Tonfall der Instrumente und der Transparenz, mit der die Falstaff-Musik hier ausgebreitet wird. Kein Solo, das nicht humorvoll klingt, keine musikalisch ironische oder spöttische Geste, die unter den Tisch fällt. Auf diese Weise gehen heitere orchestrale Leichtigkeit und das gesangliche Parlando auf der Bühne eine wunderbare Verbindung ein.

Fazit

Musikalisch ist dieser Falstaff überaus zu empfehlen. Auch die Regie wirkt im Vergleich zu früheren Arbeiten Calixto Bieitos vergleichsweise zahm, dabei aber unterhaltsam, auch wenn das Komödiantische häufig ins düster Groteske umkippt. In den Premierenjubel mischten sich nur einige wenige, dafür umso lautere Buhs.

Dr. Aron Sayed

Bild: Monika Rittershaus

Das Bild zeigt: hinten: Elbenita Kajtazi (Nannetta), Maija Kovalevska (Alice Ford), Ambrogio Maestri (Falstaff), Ida Aldrian (Meg Page), Nadezhda Karyazina (Mrs. Quickly); davor: Daniel Kluge (Bardolfo), Markus Brück (Ford); Chor der Hamburgischen Staatsoper

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