Göttingen, Deutsches Theater – ADMETO, KÖNIG VON THESSALIEN (1727)

von G.F. Händel, Oper in drei Akten, Libretto: Nicola F. Haym nach L’Antigona delusa da Alceste – Die von Alceste verhinderte Antigona
Regie: Doris Dorrie, Bühne/Kostüme: Bernd Lepel, Choreographie: Tadashi Endo
Dirigent: Nicholas McGegan, Festspielorchester Göttingen,
Tim Mead (Admeto, Altus, C), Marie Arnet (Alceste, S), Kirsten Blaise (Antigona, S), William Berger (Ercole, B), Mamu Dance Theatre
Besuchte Aufführung: 2. Juni 2009

Vorbemerkung
Internationale Händel-Festspiele in Göttingen
Es hat immer einen besonderen Reiz, Festspiele zu besuchen, erwartet man dort doch etwas Außergewöhnliches, etwas, das man gewöhnlich bei dem Besuch eines Konzerts oder einer Oper nicht antrifft. Darüber hinaus ist die traditionsreiche Universitätsstadt neben Halle und Karlsruhe eine der drei Städte, die sich dem Werk des großen Georg Friedrich Händel widmet. In Göttingen setzte mit der Erstaufführung der Opern Rodelinde, Julius Cesar und Xerxes in den zwanziger Jahren des vorigen Jh. die sog. Göttinger Händel-Renaissance ein. Unter vielen größeren und kleineren Konzerten waren hier während der Festspielzeit vom 22. Mai bis 3. Juni 2009 unter dem Motto Händel – Faszination & Inspiration die in Göttingen erstmals aufgeführte Oper Admeto und das Dettinger Tedeum in der Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdy zu sehen und zu hören. Mendelssohn nämlich hat sich mit Händel, ähnlich wie Mozart und Haydn, intensiv kompositorisch auseinandergesetzt. Davon zeugen seine eigene Oratorien Paulus und Elias.
Die Straßen der niedersächsischen Stadt waren mit zahlreichen roten Transparenten, die das Festspiel-Logo zeigten, geschmückt. Um die beiden wichtigsten Festspielstätten rahmten ebensolche Fahnenmasten die Spielstätten ein. Das sonnige Wetter sorgte für zahlreiche Besucher der Altstadtrestaurants und Kneipen.
Das äußere Ambiente stimmte also, weniger einladend war dagegen die Stadthalle, in der das Festspielorchester unter der Leitung des langjährigen Festspieldirigenten Nicholas McGegan das berühmte Dettinger Tedeum in Mendelsohns Bearbeitung aufführte. Am gleichen Abend bot man noch Haydns erstes in englischer Sprache verfaßtes Madrigal The Storm, seine Sinfonie 103 Mit dem Paukenwirbel und Luigi Cherubinis Chant sur la mort de Joseph Haydn. Im Dettinger Te Deum bewährte sich der mitwirkende Chor des NDR auf das Beste.
Kurzinhalt
gottingen-admeto.jpgAdmeto ist todkrank und kann nur gerettet werden, wenn jemand in seinem Herrschaftsbereich für ihn geopfert würde. So gibt sich seine Gattin Alceste aus großer Liebe selbst den Tod. Nachdem Admeto wieder gesund geworden ist, entdeckt er den Tod seiner geliebten Alceste. Er beauftragt Herkules, sie aus der Unterwelt zu retten. Inzwischen haben sich jedoch seine frühere Verlobte Antigona mit ihrem Lehrer Meraspe, beide als Hirten verkleidet, zu Admetos Schloß begeben. Antigona möchte unbedingt den Platz von Alceste einnehmen. Admeto will zunächst seiner Frau die Treue bewahren, ist aber nach und nach von Anitgonas Schönheit eingenommen. Doch schließlich führt ihm Herkules Alceste zu. Er hat sie dem Hades entrissen. Admetos Vorhaben, für welche der beiden Frauen er sich entscheiden soll, erleichtert ihm Antigona, indem sie Alceste großzügig den Vortritt läßt.
Die Handlung läuft nicht so geradlinig ab, wie hier geschildert. Das wäre kein rechter Handlungsablauf einer Barockoper! Mannigfaltige Wege beschreitet das Libretto, dessen Grundlage die Tragödie Alkestis von Euripides (3. Jh. v. Chr.) ist. Diese Tragödie hat der Italiener Aurelio Aureli 1664 durch die Person Antigona erweitert.
Aufführung
Der kranke Admeto liegt hingestreckt auf einem japanischem Bett, die Haare nach königlich japanischer Form hochgesteckt und fantasiert in seinem von Streichern begleiteten Rezitativ von Geistern, die mit blutigen Dolchen in den Händen ihn umtanzen (so im Libretto). Hier ist es ein Weiß bepuderter Butoh-Tänzer in enganliegendem Trikot. Die Bühne wird dabei in grünliches Licht getaucht. Die zweite Szene führt uns dann in eine Pastorallandschaft, in der Antigona mit ihrem Lehrer in Hirtenkostümen von Butoh-Tänzer in Schäfchenkostümen begleitet werden. Die Bühne wird durch pastellfarbene Vorhänge in unterschiedlichen Farben mehrfach in Vorder- und Hinterbühne geteilt. Schließlich erscheint Alceste in weißem, mit vielen Rüschen dekoriertem Königingewand, die pechschwarzen Perückenhaare in japanischer antiker Mode hochgesteckt, verziert mit fünf sternförmig angeordneten Haarnadeln.
Zum Ende der Oper werden Transparente mit den Barockgärten von Hannover Herrenhausen heruntergelassen. Wir sind wieder in Europa.
Sänger und Orchester
Nahm man noch Tim Meads (Admeto) leidende Stimme der ihn charakterisierenden Rolle ab – die Instrumente waren stets im Vordergrund – so wurde der Eindruck der kaum führenden Gesangsstimmen in den folgenden Szenen nicht besser. Das Orchester dominierte fortwährend. Auch William Bergers (Ercole) Auftrittsarie: La gloria solo – einzig der Ruhm machte da keine Ausnahme. Marie Arnets (Alceste) Sopran konnte weniger, wenn auch etwas besser als Kirsten Blaise (Antigona) sich gegenüber der Orchesterbegleitung behaupten. Einzige glänzende Sänger waren der Altus Andrew Radley (Orindo), und der Bassist Wolf M. Friedrich (Meraspe). Ebenso undurchsichtig waren die dynamischen Schattierungen der Sänger. Ein Gewahrwerden des Kontrastes Forte/Piano oder etwa einer Voce di mascara war kaum möglich, genausowenig wie die den Belcanto so faszinierend machende perlende Stimmverläufe. Schuld an dem Übertönen der Stimmen waren aber nicht das Orchester, sondern die wenig hervortretenden Stimmen. Das Orchester unter Nicholas McGegans Leitung mühte sich redlich, nahm auch die Tempi rasch, doch auch ihm fehlte ein wenig der Alte-Musik-Glanz.
Fazit
Die Verlegung der Handlung ins antike japanische Königsmilieu überraschte sicherlich die Zuschauer, die beim Schlußapplaus nicht wenig klatschten. Da aber die Festspielzuschauer wohl wenig über die Zeremonien und Sitten der Barockzeit (denn dort spielte ursprünglich Händels Oper) und wohl noch weniger über die Gebräuche in Japan wußten, führte die Verlagerung weit weg von der griechischen Mythologie, die hier der Handlung zugrunde liegt. Diese beruht nämlich auf dem Urmotiv des Liebestodes, des für einen geliebten Menschen ohne Zwang in den Tod gehenden Partners und die Möglichkeit der Errettung Alcestes aus dem  Hades durch Herkules.
Die Butoh-Tänzer machten ihre Sache vortrefflich, besonders sinnfällig in den Szenen, in denen sie als Schäfchen sich bewegten. Doch insgesamt empfand man sie als Fremdkörper der angedeuteten pastoralen europäischen Umgebung.
Ercole als Sumo-Kämpfer (Ringerkampfsport, seit 1950 in Japan bekannt) war nun eine gänzliche Fehleinschätzung von Frau Dorrie. Denn Ercole (Herkules) war Händel durch das berühmte Standbild in der Sammlung Farnese von Rom bekannt. Während der europäische Herkules muskulös dargestellt wird, triumphiert beim japanischen Sumo-Ringer mehr das Fett. Die Ästhetik blieb folglich auf der Strecke.
Wie harmoniert zu allem Geschilderten Händels barocke Musik? Dies ist doch eine der Hauptfragen, denn ohne diese Musik würde man wohl das Libretto als Schauspiel kaum aufführen. Die Antwort: gar nicht. Denn diese Musik ist hinsichtlich des japanischen Königsmilieus durchaus unangemessen in ihrer strahlenden Dur/Moll Harmonie und ihrem künstlerisch hochartifiziellen Ziergesang. Es würde hier zu weit führen, diese Anmerkung näher zu beschreiben.
Dr. Olaf Zenner

Bild: Theodoro da Silva
Das Bild zeigt: Der sterbende König Admeto (Tim Mead ) und der Butoh-Tänzer.

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