Nürnberg, Staatstheater – DIE TOTE STADT

von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), Oper in drei Bildern, Libretto vom Komponisten und Paul Schott, UA: 1920, Hamburg und Köln.
Regie: Gabriele Rech, Bühnenbild: Stefanie Pasterkamp
Dirigent: Philipp Pointner, Nürnberger Philharmoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg
Solisten: Norbert Schmittberg (Paul), Mardi Byers (Marietta/Marie), Jochen Kupfer (Frank/Fritz), Teresa Erbe (Brigitta), Leah Gordon (Juliette), Sybille Witkowski (Lucienne), Kalle Kanttila (Victorin), Richard Kindley (Graf Albert)
Besuchte Aufführung: 30. Mai 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
nurnberg-totestadt.jpgIn der „Toten Stadt“ Brügge lebt Paul zurückgezogen nach dem Tod seiner Frau Marie. Unversehens begegnet er der Tänzerin Marietta, die eine auffallende Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Frau hat. Auf Maries Laute begleitet sich Marietta beim berühmten Lied Glück, das mir verblieb und durch ihren verführerischen Tanz verschwimmen für Paul Wirklichkeit und Traum zu einer Vision. Am Abend verläßt Marietta, von Liebhabern umschwärmt, das Theater und alle spielen die diabolische Nonnenerweckung aus Giacomo Meyerbeers Oper Robert le Diable. Paul beobachtet die Szene, springt plötzlich herbei und beschuldigt Marietta der Gottlosigkeit. Marietta folgt Paul in sein Haus zum Kampf gegen den geisterhaften Schatten der toten Marie. Sie wähnt sich als Siegerin über die tote Rivalin, aber Paul versinkt wieder in Erinnerung an Marie. Die wütende Marietta tanzt mit einer „Reliquie“, einer Haarflechte der verstorbenen Marie, bis Paul sie in höchster Erregung erdrosselt. Paul erwacht aus seiner Vision und beschließt, Brügge zu verlassen.
Aufführung
Der Mythos einer toten Stadt wird nicht glaubhaft: Man findet nur einen einfachen, weißen Raum mit einem mehrstöckigen offenen Apothekerschrank, begrenzt durch zwei Wände. Durch häufige und umfangreiche Umbauten, durch Drehung aller Bauteile, entstehen Szenen ohne Atmosphäre. Ein Sofa, ein paar Stühle und ein Tisch sind die einzigen festen Bestandteile eines Bühnebildes, in dem die Charaktere eher beziehungslos und einsam wirken. So hat die Regie von Gabriele Rech einige Szenen gestrichen (z.B. die Rolle Brigittas wurde gekürzt), aber sowohl Personenführung als auch Handlung werden nicht verständlich. Zum Ende des zweiten Bildes hatte Marietta Paul die blanke Brust gereicht. Um ihn zu umgarnen? Immerhin kann sie sich im Pyjama bei ihm einnisten und Paul zwingt Marietta sich kreuzförmig auf den Boden zu legen und bezwingt sie von hinten. Nun rächt sie sich, indem sie Bilder seiner verstorbenen Frau zerstört und dann mit deren Haarlocke einen obszönen Tanz beginnt. Paul will aus seinem Alptraum aussteigen, um ein neues Leben zu beginnen. Ein Bild der Toten nimmt er trotzdem mit…
Sänger und Orchester
Eigentlich steht die Produktion unter keinem guten Stern, denn die vorgesehene Besetzung der Hauptrolle des Pauls sagte kurzfristig ab. Zum Glück konnte Norbert Schmittberg gewonnen werden, der auch Erfahrungen mit dieser schweren Tenorpartie hat. So war er seinerzeit Zweitbesetzung an der Deutschen Oper Berlin. Leider hatte er bei der Premiere einen hörbar schwachen Abend, die höhere Stimmlage erreichte er nur heiser, deren Phrasen konnte er nur mit maximaler Kraft stemmen, worunter die Schönheit der Aufführung deutlich litt und einige Zuhörer ihre Meinung am Ende mit Pfiffen kundtaten. Schöner in den bisweilen genauso extremen Lagen der Doppelrolle von Marietta/Marie schlägt sich Mardi Byers; allerdings hat sie Probleme mit der Aussprache und die Frage, weshalb sie Teile der Partie über Lautsprecher singt, bleibt unbeantwortet. Mittels der bereits erwähnten Striche ist es möglich, die Rollen Frank und Fritz auf einen Sänger zusammen zu ziehen: Jochen Kupfer wird damit ungemein aufgewertet. Mit Mein Sehnen, mein Wähnen – schmissig vorgetragen – erntet er mehr Sympathie als die Hauptrolle. Aber auch die Nebenrollen sind gut besetzt. Die Nürnberger Philharmoniker sind bei Philipp Pointner in guten Händen. Sie meistern das schwierige Stück mit Bravour, die spätromantischen und impressionistischen Klangfarben werden sehr deutlich aufgetragen.
Fazit
Die Pfiffe für den Hauptdarsteller gehen beinahe unter in dem Jubel des Publikums für Sänger und Orchester. Daraus kann man die Empfehlung ableiten, einen indisponierten Sänger lieber anzusagen. Deutlich zurückhaltender ist der Beifall für das Regieteam, das in den entscheidenden Momenten zuwenig Überzeugendes auf die Bühne gestellt hat und dafür lieber provozieren wollte.
Oliver Hohlbach

Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Szenen einer Beziehung,
Man streitet sich ums Brautkleid, um die Photos und den Zopf Mariettas.

Veröffentlicht unter Nürnberg, Staatstheater, Opern