Bremerhaven, Stadttheater – DIE GROSSHERZOGIN VON GEROLSTEIN

von Jacques Offenbach (1819-1881), Opéra bouffe in drei Akten, Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, neuer Text von Rainer Dachselt und Michael Quast; UA: 12.April 1867, Paris
Regie: Wolfgang Hofmann, Bühne: Lars Peter, Kostüme: Claudia Krull
Dirigent: Hartmut Brüsch, städtisches Orchester, Chor, Extrachor, Kinderchor, Einstudierung: Ilia Bilenko, Ballett, Chroreographie: Sergei Vanaev
Solisten: Ann Juliette Schindewolf (Hortense), Daniel Kim (Prinz Kingjongpaul), Felipe Peiró (Minister Pück), Kai Moritz von Blanckenburg (General Bumm), Ben Jung (Baron Grog), Ralph Ertel (Schütze Fritz), Karolina Pasierbska (Wanda)
Besuchte Aufführung: 6. Juni 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
bremerhaven-die-groherzogin.jpgMinister Pück will die politisch unerfahrene Großherzogin Hortense davon abhalten, sich in seine Regierungsgeschäfte einzumischen, indem er sie mit Prinz Kingjongpaul verkuppeln will. Der Heerführer General Bumm überredet Hortense zu einem Krieg gegen das Nachbarland. Bei einer Truppeninspektion findet Hortense Interesse am Schützen Fritz, der mit Wanda, einem Bauernmädchen, glücklich ist. Hortense versucht, Fritz gefügig zu machen, indem sie ihn schnell zum General macht. Dieser kehrt trotz seiner fehlenden Kriegstauglichkeit mit einem Sieg nach Gerolstein zurück. Baron Grog, Ratgeber des Prinzen, gründet eine Verschwörergruppe gegen Fritz, der auch Hortense beitritt, nachdem Fritz sich wieder weigert, sich auf sie einzulassen. Nach der Trauung mit seiner Wanda wird Fritz im rosafarbenen Zimmer verhauen und von Hortense anschließend degradiert sowie aus der Armee entlassen. Hortense fügt sich eine Hochzeit mit dem Prinzen.
Aufführung
Das Bühnenbild ist ein dreiteiliges Landschaftsbild, das zeitweilig von seiner mit glänzendem Stoff bespannten Rückseite sichtbar ist. Der Prinz unterscheidet sich in seinem dunkelblauen Arbeitsanzug kaum von den grau uniformierten Soldaten. Die Herzogin trägt nach ihrer Landung mit einem Fallschirm einen braunen Feldanzug, später ein schwarzes, fließendes Neckholder-Kleid und hochhackige schwarze Sandalen, zuletzt eine cremefarbene weit ausgestellte Abendrobe. Die Festlichkeit der Kostümierung steigert sich, bis zum Schluß alle Mitwirkenden in Hochzeitskleidung auftreten. Ein Kinderchor demonstriert mit zusammengehaltenen Papptafeln die Porträts der Herzogin und des Prinzen im Stil von Andy Warhol. Um das Militärische zu parodieren, wird die Übergabe des Degens in einer Art Kulthandlung a la Lohengrin zelebriert. Ein Minipanzer als Nachbildung der dicken Bertha fährt auf die Bühne und richtet sein Rohr in das rosafabene Zimmer, ein von der Decke herabfallendes pinkfarbenes Stoffrohr, und auch ins Publikum. Schüsse ersetzen die Schlägerei. Wichtigstes Requisit ist der Helmbusch des Generals, der ständig die Häupter wechselt.
Die Sprache der Mitwirkenden ist teilweise ordinär, beispielsweise wird Fritz als „Mäuseficker“ bezeichnet, die Herzogin fordert zum „Abbechern bis die Pupillen querstehen“ auf.
Sänger und Orchester
Die Bremerhavener Inszenierung bezieht sich auf eine Textfassung zweier Kabarettisten, und so wird Jaques Offenbachs Oper zur Operette oder zum Schauspiel mit Musik. Marschrhythmen und eingängige Melodien, die der Chor von den Solisten übernimmt, werden vom Orchester in die deutsch gesprochenen Passagen eingeworfen. Dem Chor gelingt es, Offenbachs beschwingte und temporeiche Musik zum Hörgenuß zu machen. Die Solisten singen zwar schwer verständlich, aber stimmlich ganz annehmbar.
Ann Juliette Schindewolf (Hortense) spielt und singt ihre Rolle zwischen Salonschönheit und Flintenweib mit einiger Überzeugungskraft. Ralph Ertel mimt einen emotional unbewegten Fritz. Karolina Pasierbska (Wanda) füllt ihre Soubrettenrolle eher stimmlich als schauspielerisch aus. Daniel Kim gibt dem Prinzen eine dümmliche Note, indem er – wie der Clown im Zirkus – immer in seiner Wortwahl danebengreift und alsbald korrigiert wird. Kai Moritz von Blanckenburg darf sich als General die Kreide, die er zur primitiven Darstellung seiner Kriegspläne benutzt, auch ins Gesicht schmieren und mit seiner Schreckschußpistole zur rhythmischen Unterstützung knallen.
Fazit
Mit der Qualität der leichten Muse, mit einer feinsinnigen Satire auf die Entmachtung falscher Autoritäten und mit dem doppelbödigen Charakter einer Militärparodie gelang es Jacques Offenbach im Jahr der Weltausstellung 1867, dem Theater volle Häuser und große Erfolge zu bringen. Das schafften die Produzenten der Bremerhavener Aufführung nicht. Das Theater war zu einem Viertel unbesetzt, und die Aufführung blieb in teils grotesken Bemühungen um Witz und Komik stecken. Da konnten auch Offenbachs beschwingte Musik und seine spritzigen Rhythmen nicht viel ausrichten.
Es wird eine unbeantwortete Frage bleiben, wem der kräftige Beifall des Publikums am Ende galt, dem ach, so netten Happy End oder gar den tiefsinnigen Schlußworten der Herzogin:
Und die Moral von der Geschicht: man liebt etwas und kriegt es nicht. Am Ende liebt man irgendwann, was andres, das man kriegen kann.

Carola Jakubowski

Bild: Heiko Sandelmann
Das Bild zeigt: Ben Jung (Baron Grog), Daniel Kim (Prinz Kingjongpaul), Ann Juliette Schindewolf (Hortense), Kai Moritz von Blanckenburg (General Bumm) und Felipe Peiró (Minister Pück).

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