PARSIFAL – Coburg, Landestheater

von Richard Wagner (1813-1883), Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen, Libretto: Richard Wagner, nach dem mittelalterlichen Epos von Wolfram von Eschenbach. UA: 26. Juli 1882 Bayreuth, Festspielhaus

Regie: Jakob Peters-Messer, Bühnenbild&Lichtgestaltung: Guido Petzold, Kostüme: Sven Bindseil

Dirigent: Roland Kluttig, Philharmonisches Orchester, Opern- und Extrachor des Landestheaters Coburg (Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio)

Solisten: Michael Bachtadze (Amfortas), Felix Rathgeber (Titurel), Michael Lion (Gurnemanz), Michael Bachtadze (Klingsor),  Roman Payer (Parsifal), Tünde Szaboki (Kundry), Kora Pavelic (Stimme aus der Höhe), u.a.

Besuchte Aufführung: 9. April 2017 (Premiere)

Kurzinhalt

Amfortas leidet an einer Verletzung, die er bei dem Raub des heiligen Speers durch Klingsor erlitten hat. Nur durch die Berührung mit dem heiligen Speer ist Heilung möglich – durch „einen reinen Toren“. Gurnemanz hält Parsifal für den „reinen Tor“ und nimmt ihn mit in die Gralsburg. Als er sich getäuscht sieht, setzt er Parsifal vor die Tür. Parsifal findet den Zaubergarten Klingsors mit seinen verführerischen Mädchen. Als auch Kundry ihn nicht halten kann, versucht Klingsor ihn mit dem Speer zu bannen. Parsifal ergreift den Speer, der Zaubergarten versinkt. Parsifal kehrt zurück zu den Gralsrittern, die von Amfortas fordern, den Gral zu enthüllen, doch Amfortas will lieber sterben. Parsifal heilt die Wunde mit dem Speer und enthüllt den Gral.

Aufführung

Das Einheitsbühnenbild macht von Anfang an klar, daß mit einem Weihefestspiel in einem sakralen Raum nicht zu rechnen ist – es beginnt eine Auseinandersetzung mit Schopenhauer und Brecht. Man sieht eine große leere Bühne mit Seitenwänden, auf die Farben, Formen und Assoziationen zur aktuellen Handlung projiziert werden. Über diese Versammlungshalle wölbt sich eine im Hintergrund einstürzende Neonröhrendeckenkonstruktion. Manchmal müssen die Gralsritter für zusätzliche Beleuchtung sorgen, halten Neonröhren hoch – oder soll es Erleuchtung sein? Diese Gralsritter tragen eher eine militärische Parteiuniform, nur Gurnemanz läßt einen Priester oder Guru noch erahnen. Kundry wirkt zuerst wie eine Landstreicherin, der Auftritt als Nachtklubsängerin hat wenig erotische Anziehungskraft, überzeugt mehr für Parsifal in einer Mutterrolle. So ist es nur konsequent, daß auch die Blumenmädchen im weißen Landdiskokleid Parsifal nicht verführen können. Parsifal nimmt Klingsor (als andere Seite des Amfortas) den Speer ab, der wirkungslose Zaubergarten, der aus eher häschenrosa Projektionen besteht, muß nicht untergehen. Parsifal kehrt orange gewandet als Buddhist zurück, daher gibt es auch keinen optischen Karfreitagszauber, kein Frühlings-Erwachen. Parsifal taucht den Speer in den von Kundry hoch gehaltenen Gralskelch ein. Das ist die Erlösung. Kundry und Parsifal gehen ab, die Chöre singen nur aus dem Zuschauerraum: Leere Bühne am Schluß.

Sänger und Orchester

Den hohen Aufwand im musikalischen Bereich erkennt man kaum: der Extrachor wurde eigens zusammen gerufen, Solisten zusätzlich verpflichtet. Dank des charakterstarken, explosiven und dennoch harmonisch ausbalancierenden Dirigats von GMD Roland Kluttig fällt eigentlich nur im Streicherklang eine hörbar reduzierte Orchesterbesetzung auf – was man eben auf bescheidenen sechsundsiebzig  Quadratmetern im Graben. Das ist beim Chor manchmal schwierig, da er häufiger weit im gesamten Haus verteilt steht und dennoch sehr gut einheitlich intoniert.

 

Bis auf die Blumenmädchen, da hakte es doch im Einsatz und der Schönheit. Allerdings sollte es laut Regie nicht schön sein, was auch für die Rolle der Kundry von Tünde Szaboki gilt. Sie forciert viel zu heftig und ist in der Höhe etwas zu schrill. Ihr  gehen alle sinnlichen Schönheiten ab, die man von einem Mezzo eigentlich erwartet – ihr fehlt über weite Strecken die Gelenkigkeit in der Stimmführung. Daß sie Parsifals Mutter sein könnte, ist somit glaubhaft.

 

Wie man Durchschlagskraft sinnvoll einsetzen kann, zeigt Michael Lion. Er kann in der Stimmführung chargieren, jedes Wort verständlich betonen, zeichnet mit feinen Nuancen den Gurnemanz als zentrale Persönlichkeit. Michale Bachtadze ist ein klangvoller lyrischer Bariton mit großer dramatischer Verve. Er kann in der Doppelrolle als Amfortas und als Klingsor Gemeinsamkeiten und kleine Unterschiede herausarbeiten. Etwas zu groß ist noch für Roman Payer die Titelpartie. Er singt am Haus eher die italienischen Tenorpartien, verfügt über eine leuchtende baritonale Mittelage, aus der heraus er sich in die tenoralen Höhen aufschwingt. Für den Parsifal muß man aber auch expressiv tätig werden, muß Ausdruck und „Helden-Technik“ zeigen. Wozu er in der Lage ist, zeigt er am Schluß in Nur eine Waffe taugt! Er nimmt die Stimme zurück, erzählt im Schöngesang, um mit Enthüllet den Gral zu explodieren.

Fazit

Heftiger Jubel, teils einheimisch, teils von weithin angereisten Wagnerianern verursacht. Man feiert ein kleines, aber historisch feines Haus, das zum Ende der Intendanz von Bodo Busse dieses großen anspruchsvollen Opus magnum zur allgemeinen Zufriedenheit stemmt. Vor allem wenn man bedenkt, wie reduziert die vorhandenen Möglichkeiten und Ressourcen sind: kleiner Orchestergraben, relativ kleiner Chor, zusätzliche Gäste als Solisten und so weiter. Da muß man schon den Hut sehr tief ziehen: für das Landestheater Coburg ein großer Abend und für die Gäste, mit dem Resultat zufrieden, mag der Heimweg auch diesmal ein wenig länger sein.

Oliver Hohlbach

Bild: Andrea Kremper

Das Bild zeigt: Michael Bachtadze (Amfortas), Michael Lion (Gurnemanz)

Veröffentlicht unter Coburg, Landestheater, Opern