Die Meistersinger von Nürnberg – Meiningen, Staatstheater

von Richard Wagner (1813-1883) in drei Aufzügen, Text vom Komponisten, UA: 1868 München

Regie: Ansgar Haag, Bühne/Kostüme: Bernd-Dieter Müller, Annette Zepperitz

Dirigent: Philippe Bach, Meininger Hofkapelle, Chor des Meininger Theaters, Einstudierung: Martin Wettges.

Solisten: Dae-Hee Shin (Hans Sachs), Ernst Garstenauer (Veit Pogner), Stephanos Tsirakoglou (Sixtus Beckmesser), Ondrej Saling (Walther von Stolzing), Marian Krejcik (Fritz Kothner), Siyabonga Maqungo (David), Camila Ribero-Souza (Eva), Carolina Krogius (Magdalene), Lars Kretzer (Nachtwächter), u.a.

Besuchte Aufführung: 7. April 2017

Kurzinhalt

Der Ritter Walther von Stolzing liebt Pogners Tochter Eva. Sie soll demjenigen zur Frau gegeben werden, der den Meistersingerwettstreit gewinnt. Die Meistersingervereinigung lehnt die Aufnahme des Ritters zunächst wegen seines unkonventionellen, nicht regelkonformen Probeliedes ab. Allein der Schuster Hans Sachs tritt für ihn ein und erkennt sein Talent. Auch der Stadtschreiber Beckmesser interessiert sich für Pogners Tochter, doch am Ende ist es Walther von Stolzing, der den Wettstreit und damit Eva gewinnt.

Aufführung

Eine Zeitreise durch Deutschland führt durch die einzelnen Akte. 1918 treffen sich Kriegsverlierer unter einem Kreuz mit dem Schild „Nie wieder Krieg“ in dunkler Nacht im Schneefall, wohl in einer Ruine der Katharinenkirche. Dann beginnt die Sommer-Nacht zwischen „Feuerzangenbowle“ aus dem Jahr 1944 und einer Nachkriegsschule mit Stahltüren, Holzstühlen und einer Wandkarte mit historischem Stadtplan von Nürnberg: Die Lehrbuben als Pennäler mit Schülermützen treffen auf ihre Meister im Herrenmantel als Honoratioren-Bildungsbürger. Hans Sachs hat später seine Schusterstube unter ein Plexiglas-Vordach gezogen, der Platz vor dem Haus von Veit Pogner ist eine seelenlose Betonwüste, in der Mitte rankt sich ein Fliederstrauch um ein Gestell mit Bismarckkopf. Die Festwiese soll ein heutiger Schützenfestplatz mit vielen bunten Luftballons sein. Mit dem Wach Auf Chor werden Plakate gezeigt, wie: „Meine Heimat bleibt…“, „Unser Land unsere Werte“, „Wir sind das Volk“, „Ihr seid nicht das Volk.“ Die Meister fliehen oder werden vom Volk vertrieben: Die Polizei und das Volk feiert weiter.

Sänger und Orchester

Eine Meistersinger Premiere steht und fällt mit der Rolle des Hans Sachs. In Meiningen kann man diese schwierige Rolle aus dem Ensemble besetzen, mit Dae-Hee Shin. Von der Lage her eher ein Bariton, hat er mit der Tragfähigkeit in der Tiefe zunehmende Probleme, reduziert die Lautstärke, nähert sich dem Sprechgesang immer mehr an. Er teilt sich so seine Kräfte ein und mit dieser intelligenten Gestaltung erreicht er das Ziel – quasi auf dem Zahnfleisch. Ernst Garstenauer ist ein Baßbariton mit sicherer Tiefe: leider klingt seine Veit Pogner, zu brüchig und verhalten – es fehlt das Klangvolumen. Stephanos Tsirakoglou, ein solider, samtig-weicher Baßbariton, die Gestaltung des Beckmessers technisch sicher, facettenreich – und es gelingt ihm etwas Pathos in die Arroganz des Stadtschreibers zu bringen. Leider hat er in den höheren Lagen einige Durststrecken zu überwinden – besonders in Nürnberg schusterlich blüh und wachs! Noch wachsen muß Ondrej Saling und zwar in die Rolle des Stolzing. Eine schöne Tenorstimme allein reicht nicht, die technische Sicherheit in den heldentenoralen Sprüngen der Stimmlinie wird kommen – genauso wie die Textsicherheit. Dieses Problem wirkte übrigens ansteckend: auch Stephanos Tsirakoglou und Dae-Hee Shin wiesen an manchen Stellen eigene Textauslegungen auf.
Eine sehr positive Überraschung dagegen ist Siyabonga Maqungo als David mit seiner eloquenten, aber starken und festen lyrischen Tenorstimme. Zusätzlich überzeugt er mit Textsicherheit und deutlicher Aussprache, beides bei den Herren sonst wenig verbreitet. Gerne hätte man ihn als Stolzing gehört! Ebenso begeisternd Carolina Krogius als Magdalene, die hohe Klangkaskade in Wollt Ihr Evchens Hand erstreiten gelingt ihr technisch sauber und hell klingend. Sie wirkt leuchtender als die Eva von Camila Ribero-Souza. Letztere ist kein jugendlich naiver Sopran, klingt zu scharf und im Forte zu laut. Lars Kretzer singt als Chormitglied den Nachtwächter vollmundig und mit großer Baßstimme. Er steht für den Chor, der sich bestens ins Gesamtklangbild einfügt.

Unter dem Dirigat von Philippe Bach gelingen der Chor der Gesellen, Prügelfuge und Einzug auf der Festwiese mit genauen Einsätzen. Der schwere, samtene Wagnerklang ergibt sich auch im kleinen Orchestergraben und kleiner Bühne, auf dem sich bis zu hundert Choristen drängen. Das Meininger Ensemble stellt unter Beweis, daß ihr Bezug zu Wagner zu Recht besteht!

Fazit

Tosender Applaus des Premierenpublikums ist ein verdienter Lohn für eine engagierte Leistung eines vermeintlich kleinen Theaters, das dennoch einen festen Platz in der Wagnerwelt hat. Nicht nur, daß die Beziehung zu Bayreuth schon seit Anbeginn ausgeprägt war, man spielt die Werke Wagners: mit hohen Aufmerksamkeit den Ring, Parsifal oder kurz nach der Wiedervereinigung schon einmal die Meistersinger von Nürnberg in einer Inszenierung von Loriot, dessen romantische Deutung begeistert gefeiert wurde. Dagegen kann die Deutung des Meininger Intendanten Ansgar Haag nicht recht überzeugen, da die Zeitreise und das Schlußbild doch viele Fragen offen läßt und die aktuelle politische Lage etwas einseitig abbildet – und mit der Frage nach der wahren Kunst, die Wagner stellt, nichts zu tun hat. Ein dickes Lob für die musikalische Leistung, die vielen Rollen aus dem Ensemble und mit bekannten Gästen besetzen zu können und diese zu einer solchen Einheit mit dem bestens präparierten Chor und Orchester formen zu können.

Oliver Hohlbach

Bild: foto ed

Das Bild zeigt: Dae-Hee Shin (Hans Sachs), Camila Ribero-Souza (Eva), Ondrej Saling (Walther von Stolzing)

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