Tiroler Festspiele 2012, Erl

Regie/Dirigent: Gustav Kuhn, Orchester und Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl, Choreinstudierung: Marco Medved

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg (Pariser Fassung)

von Richard Wagner (1813 – 1883), Große romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto R. Wagner, UA: 1845 Dresden

Solisten: Thomas Gazheli (Landgraf Hermann), Gianluca Zampieri (Tannhäuser), Michael Kupfer (Wolfram), Ferdinand von Bothmer (Walther), Julian Orlishausen (Biterolf), Wolfram Wittekind (Heinrich), Michael Doumas (Reinmar), Nancy Weißbach (Elisabeth), Mona Somm (Venus), Michelle Buscemi (Hirt), u.a.

Besuchte Aufführung: 27. Juli 2012 (Premiere, Wiederaufnahme)

Lohengrin

von Richard Wagner Romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto R. Wagner; UA: 28. August 1850 Weimar.

Solisten: Andrea Silvestrelli (König Heinrich), Ales Briscein (Lohengrin), Susanne Geb (Elsa), Thomas Gazheli (Telramund), Elena Suvorova (Ortrud), Michael Kupfer (Heerrufer)

Besuchte Aufführung: 28. Juli 2012 (Neuproduktion)

Parsifal

von Richard Wagner Libretto R. Wagner, Bühnenweihfestspiel in drei Akten, UA: 1882 Bayreuth.

Solisten: Thomas Gazheli (Amfortas), Michael Doumas (Titurel), Johannes Schmidt (Gurnemanz), Michael Baba (Parsifal), Michael Kupfer (Klingsor), Mona Somm (Kundry), Michaela Bregantin (Stimme aus der Höhe), u.a.

Besuchte Aufführung: 29. Juli 2012 (Wiederaufnahme)

Vorbemerkung

Die Tiroler Festspiele Erl wurden 1998 mit Rheingold eröffnet. Gustav Kuhn ist seitdem der Intendant, Dirigent und Regisseur. Neben dem bisher genutzten Passionsspielhaus, das alle sechs Jahre für die Passionsspiele benötigt wird, wurde noch ein Winterfestspielhaus errichtet, das neben einem der größten Orchestergräben auch Garderoben und Probenräume bereit hält. Das Passionsspielhaus selbst verfügt über keinen Orchestergraben, deshalb sitzt das Orchester und der Chor gestaffelt auf mehreren Podien im Hintergrund der Bühne, während der schmale Streifen zwischen Orchester und Zuschauerraum für die halbszenische Darstellung verwendet wird. Die Pausengastronomie ist einfach, ein mondänes Publikum wie in Salzburg oder Bayreuth findet man hier nicht.

Aufführung, Sänger und Orchester

Eine dominante Rolle in der Neuinszenierung des Lohengrins übernimmt der Schwan: Claudia Czyz tänzelt ihn, omnipräsent, über die Bühne, was manchmal doch etwas zu viel des Guten ist. Sie zieht nicht nur Lohengrin an einer Kette aus der Versenkung, sondern auch eine Taube in Gestalt eines Jungen. Dieser wird an dieser Kette aus der Versenkung gezogen. Diese Taube bringt dann Lohengrin in die Gralswelt zurück. Die Kampfszene zwischen Lohengrin und Telramund findet etwas rätselhaft im Halbdunkel statt, die Kostüme können zeitlich nicht zugeordnet werden. Auf Speere und Schwerter wird verzichtet.

Erl kann durchaus musikalisch und mit sängerischen Leistungen punkten. Da ist die erfreuliche Überraschung mit Ales Briscein als Lohengrin. Ein technisch perfekter lyrischer Tenor, intonations- und höhensicher geführt. Susanne Geb beindruckt mit einer glockenklaren Mittellage als Elsa, stößt jedoch, besonders in den Höhen, an ihre Grenzen indem sie leiser wird und tremoliert. Thomas Gazhelli (Telramund) kämpft sich mit einem sehr harten Heldenbariton durch den Abend, am Ende ist er deutlich heiser. Im besonderen Gegensatz dazu steht die stimmliche Leistung von Elena Suvorova. Sie leiht der mitleidlos agierenden Intrigantin Ortrud die passende Stimme. Obwohl die Stimme im Grenzbereich geführt wird (die Entweihten Götter erzeugen beinahe Schmerzen), bleiben doch die Töne intonationssicher und wortverständlich. Eine Entdeckung ist Michael Kupfer als Heerrufer. Er ist ein durchschlagsstarker und doch lyrischer Bariton, der seine Rolle gestalten kann und doch immer wortverständlich ist. Andrea Silvestrelli als König Heinrich muß man als vokalen Ausfall einschätzen. Das Klangvolumen erinnert nur noch an vergangene Tage, er paßt auch nicht in die Gesangsgruppen. Bemerkenswert, daß auch die Nebenrollen wie Edle und Edelknaben klangschön besetzt sind.

Musikalisch spielte Gustav Kuhn, der auch wieder Regie führt, mit seinem Orchester und der Chorakademie der Tiroler Festspiele wieder die erste Geige. Die Klangfarben des Orchesters Accademia di Montegral sind beeindruckend vielfältig und unter Kuhn entsteht ein unvergleichlicher Wagner-Klang, der mittlerweile fest mit Erl assoziiert wird. Beeindruckend wie die Zusammenarbeit mit dem Chor gelang. Zwar wirkte der Chor etwas statisch und die breite Aufstellung quer über die Bühne führte manchmal dazu, daß einzelne Stimmen herausgehört werden können, jedoch ist die Abstimmung zwischen Chor, Orchester und Solisten stets einwandfrei, das Klangerlebnis der Choroper Lohengrin wunderbar. Übrigens war selten eine so vollständige Fassung des Lohengrins zu hören. Nur der zweite Teil der Gralserzählung wurde Lohengrin geschenkt.

 

Die auffälligste Sängerleistung des Parsifal in der kargen Bühnenausstattung erreichte Michael Kupfer, der mit viel lyrischem Schmelz die Nebenrolle des Klingsors zu einem schmierigen Kuppler umwandelte und aufwertete. Gleich dahinter rangierte die Rollengestaltung des Johannes Schmidt als Gurnemanz – ihm gelang die Gestaltung eines Erzählformates. Mit solider Technik erreichte er saubere Höhen und Tiefen dieser Rolle. Thomas Gazheli konnte mit absoluter Textverständlichkeit das Leiden des Amfortas in allen seinen Schattierungen darstellen. Die Stärken der Mona Somm (Kundry) lagen eindeutig in den lyrischen Erzählphasen, wenn sie im zweiten Akt mit tiefem Timbre Parsifal zu verführen suchte. Michael Baba in der Titelrolle teilte sich seine Kräfte ein und hatte am Ende eine sehr eng geführte glanzlose Stimme.

 

Für das umfangreiche Tannhäuser-Bacchanal der Pariser Fassung gibt es in Erl kein klassisches Ballett, sondern eher das Schaulaufen von zehn Damen, die über schwarzer Unterwäsche eine Kappe mit Glitterumhang trugen oder besser ablegten.

Die dominanteste Stimme hatte Michael Kupfer als Wolfram: lyrisch und mit viel samtener Ausstrahlung, ohne Anstrengung in den Höhen und sicherer Tiefe. Da konnte Gianluca Zampieri in der Titelpartie fast mithalten. Mit viel tenoralem Glanz teilte er sich die Partie klug ein, gestaltete die Rom-Erzählung als wahren Minnegesang und war  spürbar am Ende seiner Kräfte. Als beste Damenstimme – und umjubelt gefeiert – wurde Nancy Weißbach als Elisabeth, ein Sopran mit viel Klangvolumen. So gelang die Hallenarie zwar nicht jugendlich glockenklar, aber immerhin mitreißend. Gleich dahinter – mit schönem tiefem und erotischem Timbre – gab Mona Somm der Venus Gestalt. Wenig überzeugend war Thomas Gazheli. Die Rolle des Landgrafen ist bei einem wenig klangverliebten Heldenbariton nicht in den besten Händen. Weithin gelobt stellte die Chorakademie ihre Präzision in den Stimmgruppen als homogener Klangkörper unter Beweis. Gustav Kuhns Plädoyer für die Pariser Fassung überzeugt auch das heftig tobende Publikum.

Fazit

Erl steht für den geradlinigen Blick auf das Werk Wagners. Es kann sich wegen  der einhelligen Beifallswogen der Zuhörer das Wort Werktreue zueignen.

Oliver Hohlbach

Bild: Tom Benz

Das Bild zeigt: Ales Briscein (Lohengrin)

 

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