ORLANDO PALADINO – Stockholm, Schloßtheater Drottningholm

von Joseph Haydn (1732 – 1809), Dramma Eroicomico in drei Akten, Libretto: Nunziato Porta, UA: 1782 Eszterháza

Regie: Sigrid T’Hooft, Bühne und Kostüme: Stephan Dietrich, Licht: Arne Åkerström

Dirigent: Mark Tatlow, Drottningholmsteaterns Orkester

Solisten: Ditte H. Andersen (Eurilla, Hirtenmädchen), Pietro Spagnoli (Rodomonte, König von Barbarien), Kirsten Blaise (Angelica, Königin von Kathay), Tuva Semmingsen (Alcina, Zauberin), Magnus Staveland (Medoro, Sarazenenkrieger), Daniel Ralphsson (Pasquale, Orlandos Knappe), Rickard Söderberg (Orlando, Französischer Kreuzritter), Lars Johansson Brissman (Charon, Fährmann der Unterwelt)

Aufführung: 29. Juli 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Königin Angelica und ihr Liebhaber Medoro sind vor Orlandos Eifersucht in ein entlegenes Haus im Wald geflohen. Rodomonte, der König von Barbarien (Afrika), sucht die beiden, um sie vor Orlando zu beschützen. Angelica wendet sich in ihrer Verzweiflung an ein Zauberbuch, woraufhin Alcina erscheint. Sie verspricht dafür zu sorgen, daß niemand zu Schaden kommen sollte. Als Orlando eintrifft, kommt es beinahe zum Blutbad, aber Alcina verzaubert Orlando, so daß die anderen entkommen können. In der Verwirrung verlaufen sich alle im Wald. Wieder begegnen sie sich, und wieder muß Alcina Orlando verzaubern. Seine Wut ist weiter ungebändigt. Schließlich bringt Alcina ihn zu Charon, dem Fährmann zur Unterwelt, und bittet diesen darum, Orlandos Raserei mit Wasser aus dem Fluß des Vergessens wegzuwaschen. Danach erkennt Orlando niemanden mehr, er hat seine Liebe zu Angelica vergessen. Er schließt Frieden mit Rodomonte, Angelica und Medoro können ihre Flucht aufgeben, und Orlandos Knappe Pasquale heiratet das Hirtenmädchen Eurilla.

Aufführung

Auf der historischen Opernbühne im Schloß Drottningholm wurde ausschließlich nach der historischen Aufführungspraxis gearbeitet. Dabei beschränkte man sich nicht auf die Verwendung von Originalinstrumenten und historische Spiel- bzw. Gesangstechniken, sondern nutzte die gut erhaltene Barockbühne mit funktionierender Bühnenmaschinerie für ein möglichst authentisches Gesamtkonzept: Instrumente, Spieltechniken, Kostüme, Bühnenbild, Requisiten, Choreographie, Mimik und Gestik, Effekte, ja selbst die Kleidung der Orchestermusiker inklusive Perücken, alles war nach den neuesten Erkenntnissen der musikhistorischen und theaterwissenschaftlichen Forschung zum 17. Jahrhundert gestaltet.

Sänger und Orchester

Dieses Gesamtkonzept wurde von allen Sängern gleichermaßen gut umgesetzt. Besonders Daniel Ralphsson (Pasquale) viel positiv auf. Seine klare, kernige Tenorstimme modifizierte er um der komischen Rolle willen häufig zu einem Quäken, aber an einigen Stellen, besonders während seiner anspruchsvollen Arie im zweiten Akt, konnte er sein ganzes sängerisches Können beweisen – dabei ist er noch Gesangsstudent an der Musikhochschule. Ebenso glänzend agierte Ditte H. Andersen (Eurilla) mit hellem, beweglichem Sopran. Etwas dunkler gefärbt war der warme Sopran von Kirsten Blaise (Angelica), die allerdings erst nach der Pause zu Höchstform auflief – davor gerieten ihr gelegentlich das Vibrato und die Dynamik außer Kontrolle. Der runde, klangvolle Alt von Tuva Semmingsen (Alcina) komplettierte das Frauentrio wunderbar, wobei ein sparsamerer Gebrauch des Vibratos durchaus angemessen gewesen wäre. Mit angenehm weichem lyrischem Tenor gestaltete Magnus Staveland (Medoro) den schmachtenden Gemütszustand seiner Rolle. Pietro Spagnoli (Rodomonte) wies einen für einen Buffo-Baß ein wenig untypisch metallischen, aber durchaus volltönenden Klang auf. In der Titelrolle überzeugte Rickard Söderberg (Orlando) mit facettenreichem Tenor und schauspielerischem Geschick. Alle Sänger zeigten eine ausgezeichnete Textartikulation.

Das Orchester unterstützte die Sänger stets hervorragend. Mark Tatlow dirigierte und bediente in den Rezitativen gleichzeitig das Cembalo. Daß er ein Spezialist für die Musik des 18. Jahrhunderts ist, mußte er nicht erst an diesem Nachmittag beweisen. Unter seiner souveränen Leitung spielte das Ensemble schwungvoll und mit viel Ausdruck. Der Kontakt zwischen Sängern und Instrumentalisten war eng und intensiv, besonders dann, wenn Haydn kleine musikalische Dialoge zwischen beiden Gruppen vorgesehen hatte. Kleinste Intonationsprobleme fielen kaum auf und taten dem exzellenten Gesamteindruck keinen Abbruch.

Fazit

Als Haydn Portas Libretto vertonte, waren alle schematischen Rollenfiguren und Handlungsabläufe in der klassischen italienischen Oper bereits seit langem etabliert – und konnten deshalb leicht karikiert und ins lächerliche gezogen werden. Selten gelingt es allerdings heutzutage, die komischen Szenen und Elemente so darzustellen, daß wir in unserer modernen Welt darüber lachen können (Darin liegt wohl auch ein Grund dafür, daß diese Oper so selten auf den Spielplänen steht). Gerade das ist hier aber wunderbar gelungen – das internationale Publikum am Schloßtheater Drottningholm lachte herzhaft und ausgelassen. Alle Elemente der historisch orientierten Aufführung fügten sich im zeitgenössischen Milieu großartig zusammen, so daß man sich wirklich vorstellen konnte, wie sich die adelige Gesellschaft auf Schloß Eszterháza von Hofkapellmeister Haydn und seinem Ensemble im Jahr 1782 belustigen ließ.

Anna-Juliane Peetz-Ullman

Bild: Mats Bäcker

Das Bild zeigt: Pietro Spagnoli  (Rodomonte), Ditte H. Andersen (Eurilla), Tuva Semmingsen (Alcina), Rickard Söderberg (Orlando), Daniel Ralphsson (Pasquale), Kirsten Blaise (Angelica), Magnus Staveland (Medoro), v. l. n. r.

 

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