DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG – Nürnberg, Staatstheater

von Richard Wagner (1813-1883) in drei Aufzügen, Text vom Komponisten, UA: 1868 München

Regie: David Mouchtar-Samorai, Bühne: Heinz Hauser

Dirigent: Marcus Bosch, Staatsphilharmonie Nürnberg, Chor, Extrachor, Bewegungsensemble des Staatstheaters Nürnberg

Solisten: Albert Pesendorfer (Hans Sachs), Guido Jentjens (Veit Pogner), Jochen Kupfer (Sixtus Beckmesser), Michael Putsch (Walther von Stolzing), Martin Berner (Fritz Kothner), Tilman Lichdi (David), Michaela Mayer (Eva), Leila Pfister (Magdalene), Randall Jakobsh (Nachtwächter), u.a.

Besuchte Aufführung: 15. Oktober 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Der Ritter Walther von Stolzing liebt Pogners Tochter Eva. Sie soll demjenigen zur Frau gegeben werden, der den Meistersingerwettstreit gewinnt. Die Meistersingervereinigung lehnt die Aufnahme des Ritters zunächst wegen seines unkonventionellen, nicht regelkonformen Probeliedes ab. Allein der Schuster Hans Sachs tritt für ihn ein und erkennt sein Talent. Auch der Stadtschreiber Beckmesser interessiert sich für Pogners Tochter, doch am Ende ist es Walther von Stolzing, der den Wettstreit und damit Eva gewinnt.

Aufführung

Die Handlung findet in der heutigen Zeit statt, irgendwo zwischen der Fußball WM 2006 im Frankenstadion und heute. Keine mittelalterlichen Kostüme, sondern in den ersten Akten Alltags- bzw. Berufskleidung, die auf der Fußball-Festwiese durch dunkle Anzüge für die Meister, weiße Hochzeitskleider mit Schleier für Eva und Magdalene, sowie durch schwarz-rot-goldene-Fan-Kleidung für die Festbesucher ersetzt wird. Während der Johannisnacht treten zusätzliche Figuren aus Shakespeares Sommernachtstraum (Pan, Puck und Esel) auf. Das Bühnenbild ist modern unkonkret: Der erste Akt wird durch – von Andy Warhol inspirierten – bunten Kirchenfenstern bestimmt, die anderen Akte werden von unbestimmbaren Kunstobjekten wie Bögen oder Querträgern dominiert, auf die Farben oder Punkt-Flächen projiziert werden. Auch Roy Lichtensteins Werk über die Johannisnacht taucht dabei auf und eingangs der Festwiese das Stuhlkunstobjekt vom Nürnberger Hauptmarkt 2006.

Sänger und Orchester

Der erste Auftritt von Marcus Bosch als neuer GMD in Nürnberg war ein Anfangserfolg: Er führt die Staatsphilharmonie sicher durch die Untiefen der Partitur und ihm gelingt es Chor, Orchester und Solisten (besonders in der Prügelfuge und auf der Festwiese!) relativ gut zusammen zu halten. Sicherlich ist schon das Vorspiel sehr schnell und sehr laut, doch nimmt er sich im Laufe des Abends immer wieder hinsichtlich Tempo und Lautstärke zurück, kein Sänger wird zugedeckt. Besonders gilt das für Albert Pesendorfer – sicherlich der überragende Protagonist des Abends. Ihm gelingt es, die Rolle des Hans Sachs klug zu gestalten, in dieser riesigen Partie die richtigen Schwerpunkte zu setzen und die Rolle intellektuell zu gestalten. Michael Putsch als Stolzing gelingt dies nicht. Er agiert zu verhalten, kann nur in der baritonalen Mittellage glänzen, die Höhe schafft er fast nur im Piano, in exponierten Stellen fährt er mit Kraft Strahlglanz auf. Mit Tilman Lichdi (David) steht ein lyrischer Mozart-Tenor auf der Bühne, der sich mit vornehmer dramatischer Verve in die vokalen Herausforderungen seiner Partie stürzt. Das gilt besonders für seine Arie Am Jordan Sankt Johannes stand hinsichtlich Ausdruck, Betonung und Wortverständlichkeit. Jochen Kupfer (Beckmesser) gelingt eine Rolleninterpretation auf Weltniveau. Technisch absolut fehlerfrei glänzt er mit wohltuender Tiefe und kann auch in den Höhenlagen überzeugen. Auch die kleinen Meister sind wie Guido Jentjens als Pogner ausgezeichnet besetzt: Mit samtener Stimme gibt er mein einzig Kind zur Eh. Ein Ohrenschmaus ist Michaela Maria Mayer als jugendliche naive Eva. Ihre helle klare Stimme ist zwar nicht ganz glockenklar, findet aber den Weg in die Herzen der Zuhörer. Leila Pfister hört sich hingegen als Magdalene wie ein abgesungener Mezzo an und versagt an der technisch anspruchsvollen Stelle wird hier der Junker heut Meister.

Fazit

Der Saisonauftakt mit einem neuem GMD und viel neuem Personal im Ensemble kann als insgesamt erfolgreich bezeichnet werden – Abstriche bei der großen Solisten-Anzahl sind wohl unvermeidbar. Das Publikum bedankte sich mit donnerndem Applaus, besonders nach den Aktschlüssen. Am Ende bekam David Mouchtar-Samorai doch ein paar Buhrufe: Manche Einfälle erhielten Szenenapplaus, manche wie die Ringparabel (der linkische Soziopath Beckmesser mit akademischen Tönnchen findet in der Schusterstube in einer Schachtel Judenstern, Kippa, islamisches Gebetstuch, Kreuz und Lessings Ring) oder der rigide Wechsel von schwarz-rot-goldnen Fahnen zu blauen EU-Fahnen nach Sachsens Mahn-Ansprache wirkten wohl manchem Besucher etwas zu plakativ.

Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah

Das Bild zeigt: Die neuen Schuhe für Michaela Mayer (Eva), die zwischen Albert Pesendorfer (Hans Sachs, li.) und Michael Putsch (Walther von Stolzing, re.) steht.

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