ULENSPIEGEL – Gera, Bühnen der Stadt

Musik und Libretto von Walter Braunfels (1882–1954), Oper in drei Aufzügen, UA: 4. November 1913 Stuttgart

Regie: Matthias Oldag, Bühne: Stephan Braunfels, Kostüme: Henrike Bromber

Dirigent: Jens Troester, Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Choreinstudierung: Ueli Häsler, Theater&Philharmonie und Opernchor Thüringen

Solisten: Keith Boldt (Ulenspiegel), Shavleg Armasi (Klas), Marie-Luise Dreßen (Nele), Olaf Plassa (Profoß), Christoph Rosenbaum (Schneider), Günter Markwarth (Seifensieder), Michael Siemon (Schreiber), Kai Wefer (Schuster/Jost), Teruhiko Komori (Schreiner/Anführer der Geusen), Peter Paul Haller (Ablaßpriester), Elke Böhm (Ketzerin) u.a.

Besuchte Aufführung: 28. Januar 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Der spanische Herzog Alba und die katholische Inquisition besetzen die holländische protestantische Stadt Gent. Die einheimischen Handwerker befürchten den Verlust ihrer Freiheiten und Privilegien, doch unterwerfen sich heuchlerisch, nachdem ihnen mit Tod und Folter gedroht wurde, und sie kaufen sogar Ablaßbriefe. Ulenspiegel macht sich über die Bürger und die katholische Kirche lustig und muß fliehen. Sein Vater Klas wird verhaftet. Er soll Ulenspiegel verraten. Nele, Ziehtochter von Klas und Ulenspiegels Geliebte, findet ihn bei den Geusen, einer aufständischen Gruppierung, und berichtet von Klas Tod. Ulenspiegel schwört Rache. Zusammen mit den Geusen und protestantischen Flamen fallen sie in Gent ein, bekämpfen die Spanier und können eine Gruppe unschuldiger Mädchen vor dem Scheiterhaufen retten. Ulenspiegel wird jedoch gefangen genommen. Trotz Niederlage, Folter und dem Verlust Neles, welche im Gefängnis stirbt, will er nicht aufgeben und weiter für sein Ziel kämpfen.

Aufführung

Das Bühnenbild des Architekten Stephan Braunfels, Enkel des Komponisten, ist abstrakt mit klaren Linien und heller Grundfarbe, welche je nach Lichteinstellung eine bestimmte, die ganze Szenerie umfassende Stimmung erzeugt. Der erste Akt zeigt rechts eine das gesamte Bühnentor einnehmende Gebäudewand mit Fenstereinlassungen und links eine halbhohe, schräg nach hinten oben zulaufende Mauer, um das Innere einer Stadt anzudeuten. Der zweite Akt spielt auf einer halbrunden nach hinten oben schräg zulaufenden Fläche und suggeriert so eine weite Ebene im ländlichen Gebiet. Die Ketzerinnenverbrennung, ein Dutzend Frauen in gelben Büßerinnengewändern aus Latex, die beschmiert mit Schimpfwörtern an Holzpfählen stehen, ersetzt später die kahle Ebene. Das Gefängnis der letzten Szene besteht aus zwei nach hinten geöffneten Wänden. Die Kostüme sind zunächst an die Epoche der Handlung angelehnt. Die Handwerker zum Beispiel tragen Hüte, Halskragen und Beinkleider der Zeit der niederländischen Unabhängigkeitskriege, die alle ausschließlich weiß sind. Die Spanier demgegenüber treten in schwarzen schweren Ledermänteln mit roten Kreuzen auf und erinnern mehr an Teufel als an Kirche. Die drei Hauptfiguren sowie die Geusen tragen Kleidung unserer Epoche, zum Teil mit militärischem Einschlag.

Sänger und Orchester

Das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera unter der Leitung von Jens Troester wird der größtenteils wuchtigen, teilweise ins Pathetische abdriftenden Musik des Spätromantikers Walter Braunfels mit voluminöser Klangpräsenz und ausdifferenziertem instrumentalem Einsatz gerecht. Die wenigen lyrischen Momente fallen demgegenüber etwas ab. Dem kanadischen Tenor Keith Boldt (Ulenspiegel) nimmt man die innere Wandlung vom Spaßvogel hin zum Anführer der Geusen gerne ab. Seine Darstellung und sein tiefgründiger Ausdruck machen auch die anfänglichen, durch eine Erkrankung ausgelösten stimmlichen Schwierigkeiten wett. Im zweiten und dritten Akt ist davon kaum noch etwas zu merken. Marie-Luise Dreßen (Nele) steht mit ihrem ausdrucksstarken, kraftvollem Mezzosopran und ihrer gefühlvollen Darstellung ihrem Kollegen in nichts nach. Ihre dramatischen Auftritte gelingen ihr mit starker Bühnenpräsenz. Wenn auch nur kurz, so doch intensiv gestaltet Shavleg Armasi (Klas) seinen Auftritt. Seine die Mißstände seiner Zeit anprangernde Arie geht unter die Haut. Sein weicher, gleichzeitig aber starker Bariton und seine gelungene schauspielerische Interpretation werden der Rolle vollauf gerecht. Auch das restliche Ensemble, darunter vor allem Christoph Rosenbaum, Günter Markwarth, Michael Siemon, Kai Wefer als kriecherische Handwerker sowie Olaf Plassa (Profoß) und Teruhiko Komori (Anführer der Geusen), geben das unbekannte Werk sowohl sängerisch als auch darstellerisch gut wieder. Besonders die gute Textverständlichkeit zu Anfang überrascht, läßt aber im Verlauf merklich nach. Besonders zum Schluß hin ist kaum noch etwas gut zu verstehen. Übertitel wären hilfreich gewesen.

Fazit

Grundsätzlich ist die Idee, auch vergessene Werk, vor allem des 20. Jahrhunderts auszugraben und dem Publikum zugänglich zu machen, unbedingt lobenswert. Ob diese Wahl jedoch gut war, steht dahin. Unabhängig von der sehr guten Leistung der Sänger und Musiker löste das Werk an diesem Abend eher Ablehnung aus. Es wirkte musikalisch überladen, und auch dramaturgische Schwächen störten.

Josephin Wietschel

Bild: Stephan Walzl

Das Bild zeigt: Keith Boldt (Ulenspiegel) verspottet die heuchlerischen Handwerker

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