GIULIO CESARE – JULIUS CÄSAR – Paris, Palais Ganier

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Nicola Francesco Haym nach Giacomo Francesco Bussani, UA: 20. Februar 1724, London, King´s Theatre Haymarket

Regie: Laurent Pelly, Bühne: Chantal Thomas, Licht: Joël Adam, Dramturgie: Agathe Mélinand

Dirigent: Emmanuelle Haïm, Orchestre du Concert d’Astrée, Chor der Opéra national de Paris, Einstudierung: Alessandro Di Stefano

Solisten: Jane Archibald (Cleopatra), Lawrence Zazzo (Giulio Cesare), Varduhi Abrahamyan (Cornelia), Isabel Leonard (Sesto), Christophe Dumaux (Tolomeo), Nathan Berg (Achilla), Dominique Visse (Nireno), Aimery Lefèvre (Curio)

Besuchte Aufführung: 27. Januar 2011 (Premiere 17. Januar)

Kurzinhalt

In der Verfolgung seines Widersachers Pompeo landet Cäsar in Ägypten. In der Absicht, ihm zu gefallen, wird ihm zum Empfang das abgeschlagene Haupt des Pompeo präsentiert. Cäsar ist darüber äußerst verärgert und beabsichtigt, diese Untat durch Eroberung Ägyptens zu rächen. Cleopatra will Pharao Tolomeo, ihren Bruder, vom Thron drängen. Zunächst bezirzt sie Cäsar, verliebt sich dann aber in ihn. Cäsar ist von ihr fasziniert. Als es dann zum Kampf zwischen Römern und Ägyptern kommt, wird Tolomeo getötet und Cleopatra vom siegreichen Cäsar zur Königin Ägyptens ausgerufen.

Aufführung

Wir befinden uns im Depot eines großen Museums. Auf Regalen Büsten römischer Heroen, die den ankommenden Cäsar begrüßen. Daneben frei stehende Löwentorsi oder auch Skulpturen von Cäsar als Augustus. In den nachfolgenden Szenen wechseln die Figuren, auch die Staffelagen, aber das Museumdepot bleibt.

Dazwischen erscheinen die Sänger in historischen Kostümen: Cäsar mit Panzer, Stiefeln und freien Knien, Cleopatra in weißer Toga, die manchmal die linke Brust frei läßt, Pharao mit Sphinxhaube und perlmuttgeschmücktem blauen Rockgewand. Zu den Wachen des Pharao werden die ständig über die Bühne laufenden Museumsarbeiter mit Lanzen bewaffnet, ansonsten sind sie unbekümmert um Gesang und Schauspieleraktionen. Im zweiten Akt werden Bilder in goldenen Rahmen durch den Raum getragen. Auf einem derselben sieht man einen Liebestempel unter Bäumen. Musikerinnen in Barock-Kostümen spielen auf der Szene die Pastoralsinfonie. Zum Opernende kommt ein Segelschiff ins Museum zur Aufnahme der Schätze Cäsars einschließlich der Barockdamen.

Sänger und Orchester

Schon die Ouvertüre läßt aufhorchen. Die punktierten Achtelnoten und die schnellen 32tel Läufe der langsamen Einleitung sowie die rhythmische Genauigkeit des folgenden schnellen Satzes mit energischer Baßlinie und den dynamischen Schattierungen zeigen ein fabelhaft vorbereitetes Orchester. Emmanuelle Haïm hält diese formidable Spielmanier bis zum Opernende durch. Sie unterstützt die Sänger in der natürlichsten Weise, wobei die Verzierungen und die Kadenzen der langsamen, aber auch der schnellen Stücken haargenau aufeinander abgestimmt sind.

Lawrence Zazzo (Giulio Cesare) hat eine schöne, lyrische Stimme, die man leider oft zu leise vernimmt, obwohl Emmanuelle Haïm sich mit der Lautstärke penibel anpaßt. Zum Opernende gewinnt seine Stimme an Intensität, so vor allem in aure, deh, pietà – laue Lüfte, mir zum Trost. Zazzos Koloraturtechnik ist brillant und das berühmte Va tacito e nascosto – Still schleicht er und verborgen mit dem tadellos begleitenden Horn-Solo (auf Naturhorn!) wird zu Recht stark applaudiert.

Für die erkrankte Nathalie Dessay ist Jane Archibald als Cleopatra eingesprungen. Sie hat zu Anfang erhebliche Schwierigkeiten mit der Intonation. Erst zum Schluß gelingen ihr die vorher oft undeutlichen Koloraturen. Ihr lyrisches Timbre zeigt sie aber in den langsamen Stücken, z.B. in Venere bella – Venus, du Schöne (Beginn 2. Akt) oder in pangerò la mia sorte – so beklage ich mein Schicksal (3. Akt). Isabel Leonard (Sesto) ist eine Entdeckung. Sie erweckt mit ihrem hellen Sopran sogar das Largo von Cara speme – süße Hoffnung mit Solovioloncello zu blühendem Leben. Der Counter-Alt Christophe Dumaux bewährte sich als Tolomeo sowohl in seinen schauspielerischen Aktionen als auch als großartiger Belcantist in allen Lagen, vorbildlich besonders die Sauberkeit seiner Triolen in sì, pietata, il tuo rigore – ja, deine hartnäckige Spröde (2. Akt). Varduhi Abrahamyan (Cornelia), Nathan Berg (Achilla) und Dominique Visse (Nireno) erfüllen ihre Aufgabe gut, wobei bei Nathan Berg ein wenig zu gaumig singt und Visse durch seine Aktionen den Applaus geradezu herausfordert.

Fazit

Die Opernhandlung im Depot eines Museums vorzuführen ist nicht neu und ermüdet sehr bei einer viereinhalbstündigen Aufführung. Die im allgemeinen unbeteiligten Bühnenarbeiter werden durch Lanzen in die Hand kurzerhand zur Speerspitze des Pharao umfunktioniert! Vielleicht soll das alles den Zuschauer zu einem anderen Museumserlebnis verhelfen. Aber Händels Oper lebt auch ohne solche „Regieeinfälle“.

Emmanuelle Haïms intensive Probenarbeit mit dem Concert d’Astrée erbrachte eine Sternstunde.

Dr. Olaf Zenner

Bild : Agathe Poupeney / Opéra national de Paris

Das Bild zeigt: Aimery Lefèvre (Curio), Lawrence Zazzo (Giulio Cesare), Christophe Dumaux (Tolomeo) und Nathan Berg (Achilla) v.l.n.r.

Veröffentlicht unter Opern, Paris, Palais Garnier