PIQUE DAME (PIKOWAJA DAMA) – Theater Basel

von Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893), Oper in drei Akten und sieben Bilder, Libretto: Modest Tschaikowski, nach der gleichnamigen Erzählung Alexander Puschkins.

Regie: David Hermann, Bühnenbild und Kostüme: Christof Hetzer, Licht: Hermann Münzer, Video: Martin Eidenberger, Dramaturgie: Christopher Baumann, Brigitte Heusinger, Chor: Henryk Polus, Dirigent: Gabriel Feltz, Sinfonieorchester Basel, Chor des Theater Basel, Statisterie des Theater Basel

Solisten: Maxim Aksenov und Vladimir Kuzmenko (Hermann), Eung Kwang Lee (Graf Tomskij), Nikolay Borchev (Fürst Jeletzkij), Michael Feyfar (Cekalinskij), Alexey Birkus (Ssurin), Jacek Krosnicki (Caplitzkij), Christoper Bolduc (Narumof), Piotr Jan Hoeder (Zeremonienmeister), Hanna Schwarz (Gräfin), Svetlana Ignatovich (Lisa), Valentina Kutzarova (Pauline)

Besuchte Aufführung: 10. Dezember 2010 (Premiere)

Kurzinhalt

Der junge Offizier Hermann hat sich unsterblich in eine unbekannte Schönheit verliebt. Zu seinem Entsetzen handelt es sich um Lisa, die Verlobte des Fürsten Jeletzkij. Wild entschlossen, um sie zu werben, hofft er auf schnellen Geldgewinn. Dazu will er Lisas Großmutter, besser bekannt als Pique Dame, das Geheimnis ihres Kartenspiels entlocken. Lisa, die sich ihrerseits in Hermann verliebt hat, bittet ihn um ein Rendezvous und gibt ihm den Schlüssel zu ihrem Zimmer. Der Weg dahin führt aber durch die Gemächer der Großmutter. Hermann verlangt von der Alten die Preisgabe ihres Kartentricks. Als sie sich weigert bedroht er sie, und die Greisin stirbt. Dem Wahnsinn verfallen erscheint sie ihm und verrät ihm ihre drei Karten: 3, 7, As. Von Hermann verschmäht tötet sich Lisa. Hermann spielt das Spiel seines Lebens, gewinnt mit der 3 und der 7. Als er jedoch die letzte Karte spielt ist es kein As, sondern die Pique Dame. Hermann erdolcht sich.

Aufführung

Ein sinnvolles psychologisches Konzept ist zwingend, um den schmalen Grat zwischen Obsession und Leidenschaft darzustellen, auf dem sich die Handlung abspielt. Für die ersten vier Bilder (Akt I und II) wählt die Inszenierung eine schwarze Wand mit Schiebetüren, die den Blick des Zuschauers auf drei voneinander abgegrenzte Räume freigeben: rechts oben ein Zimmer im Bohème Stil, an dessen Stelle nach dem ersten Akt das fürstliche, ein wenig schäbige Schlafzimmer der Gräfin tritt. Von diesem Zimmer aus führt eine Treppe auf einen Balkon; unter diesem wird ein – kontrastiv mit Neonlicht beleuchtet – steriler, weißer Raum sichtbar, der Platz für die Projektion von Emotionen bietet. Diese strikte Trennung verschiedener Schauplätze läßt keinen Zweifel daran, daß die Figuren nicht zusammenfinden können und skizziert sensibel deren psychische Isolation und Labilität. Der dritte und vierte Akt exponiert das Zimmer der Greisin, von einem Park umgeben, in dem drei Spielautomaten aufgestellt sind. Vor ihnen wird das abschließende Spiel wie ein okkultes Fest zelebriert.

Sänger und Orchester

Ein homogenes, starkes Ensembles zeigte sich an diesem Abend auf der Bühne – und dennoch stand diese Premiere für einen Sänger unter keinem guten Stern. Maxim Aksenov (Hermann) mußte erkrankt und hörbar stimmlich angeschlagen nach dem ersten Bild abbrechen. Sein sängerisches Potential läßt sich daher nur erahnen; seine Rolle mimte er mit unglaublicher Bühnenpräsenz. Vladimir Kuzmenko eilte als Ersatz, allerdings mit einiger Verspätung, herbei, so daß die Oper unterbrochen werden mußte. Leider (so hatte man den Eindruck) geriet durch diese Umbesetzung der männlichen Hauptpartie alles ein wenig aus dem Takt, bis sich nach der regulären Pause die Sänger neu aufeinander eingestellt hatten. Kuzmenkos dramatischer Heldentenor rettete zwar die Aufführung, wollte sich jedoch nicht richtig in das Ensemble einfügen. Eung Kwang Lee überzeugte mit seinem volltönigen Bariton in der Rolle des diabolischen Grafen Tomskij. Nikolay Borchevs (Fürst Jeletzkij) schlanker, aber sonorer Bariton besitzt ein enormes dramatisches Potential, das er richtig zu nutzen weiß. Hanna Schwarz gab mit ihrem dunkeln Mezzosopran eine wunderbare alterslose Gräfin, harmonisch auch im Duett mit dem ausdrucksstarken Sopran einer bezaubernden Svetlana Ignatovich (Lisa). Gabriel Feltz leitete äußerst umsichtig das Sinfonieorchester Basel, das die vielschichtige Komposition souverän meisterte. Feinfühlig interpretierte es die lyrischen Melodien und traf auch den elegischen Tonfall der Musik. Der dramatische Gehalt kam dank dynamischer Spannungsbögen nie zu kurz. Hervorragend einstudiert von Henryk Polus und fabelhaft agierend präsentierte sich der Chor.

Fazit

Zu erleben war eine durchdachte Inszenierung, die an manchen Stellen zwar einer eigenen Logik folgt (Lisa teilt sich das Zimmer mit ihrer Großmutter, episodenhafte Szenen wie der Kinderchor sind gestrichen etc.), der Oper Tschaikowskis aber ebenso gerecht wird, wie die packende musikalische Umsetzung. Diese Produktion ist unbedingt zu empfehlen.

Isabell Seider

Bild: Hans-Jörg Michel

Das Bild zeigt v.l.n.r.: Maxim Askenov, Michael Feyfar, Svetlana Igantovich, Alexey Birkus

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