RUSALKA – Dresden, Semperoper

von Antonín Dvořák (1841-1904), Lyrisches Märchen in 3 Akten, Libretto: Jaroslav Kvapil, UA: 31. März 1901, Prag

Regie: Stefan Herheim, Bühne: Heike Scheele, Video: fettFilm

Dirigent: Thomas Netopil, Sächsische Staatskapelle Dresden, Chor der Staatsoper Dresden

Solisten: Tatiana Monogarova (Rusalka), Zoltan Nyari (Prinz), Georg Zeppenfeld (Wassermann), Tichina Vaughn (Hexe), Marjorie Owens (Fremde Fürstin), Gerald Hupach (Priester/Jäger), Vanessa Goikoetxea (Erste Elfe), Barbara Senator (Zweite Elfe), Sofi Lorentzen (Dritte Elfe), Torsten Schäpan (Metzger), Jeremy Bowes (Polizist)

Besuchte Aufführung: 11. Dezember 2010 (Premiere, mit deutschen Übertiteln)

Kurzinhalt

Die Nixe Rusalka erlangt mit Hilfe der Hexe die menschliche Gestalt, da sie sich in einen Prinzen verliebt hat. Der Preis dafür ist ihre Stimme, und sie kann nie wieder in das Unterwasserreich zurückkehren, wenn sie des Prinzen Liebe nicht erringt. Der Prinz verliebt sich in sie, doch, da sie in der Schloßgemeinschaft wie ein Fremdkörper erscheint und sie nur verhalten seine Liebe erwidert, verstößt der Prinz Rusalka. Er bereut kurz danach und sucht im Wald verzweifelt die Geliebte. Rusalka erlöst den Liebenden auf seine Bitte hin mit einem Todeskuß.

Aufführung

Am Anfang hält man den heruntergekommenen Straßenzug für ein Einheitsbühnenbild. Doch es ist ein Spiegelkabinett, und bei den vielen Veränderungen in der Häuserzeile kommt es zu mannigfaltigen Brechungen der Optik. Da verwandelt sich die U-Bahnstation zu einem Blumenladen, beginnt die Kirchen-Rosette zu rotieren, klappt das Straßen-Cafe auf und zu, die Laterne fährt herauf und die Litfaßsäule ist das versenkbare Zugangstor zwischen der parallel existierenden Menschen- und Märchen-Welt. Auf ihr singt Rusalka das Lied an den Mond. Es geht um sexuelle Phantasien, die es in der Märchenwelt nicht gibt, aber in der Menschenwelt, und die zwischen Rusalka, Wassermann, Fürstin und Prinz ausgelebt werden. Das Brautmodengeschäft verwandelt sich in einen Sexshop, und die Regie läßt die (Gummi-)Puppen tanzen. Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive des Wassermanns, er ist (wie alle Hauptdarsteller) in zwei Rollen auf der Bühne zu sehen: Einmal ist er mit der weltlichen Ausgabe der Fürstin verheiratet, in der Märchenwelt stellt er Rusalka nach. Rusalkas Silber-Kostüm erinnert an eine hautenge Fischhaut, paßt aber auch für eine Dame unter der Straßenlaterne. Am Ende tötet der Wassermann seine reale Frau und zerstört die Litfaßsäule: Die Bühne wird geflutet – mit einer Projektion: Rusalka ertrinkt und die Märchenwelt verschwindet.

Sänger und Orchester

Eine grandiose Leistung der Sächsischen Staatskapelle, am romantischen Schönklang orientiert, war unter Leitung des Tschechen Tomas Netopil zu erleben, der ein gutes Gespür für die optimale Kombination von Sprache und Klang entwickelte. Georg Zeppenfeld ist pausenlos als Wassermann auf der Bühne zu sehen und mit seinem immer wohlklingenden Baßbariton eine Idealbesetzung. Auch die Abgründe der Rolle vermag er eindringlich zu gestalten. Tatiana Monogarova in der Titelrolle zeigt am Anfang einige unangenehme stimmliche Schärfen, spätestens mit dem Lied an den Mond hat sie sich aber freigesungen und zeigt, daß man die Rusalka auch im dramatischen Sopranfach ansiedeln kann. Zoltán Nyári ist ein beeindruckender tenoral leuchtender Prinz, dem man gerne länger zugehört hätte. Marjorie Owens spielt eine hysterische Fürstin, Tichina Vaughn hingegen erinnert mit ihrer leicht rauchigen Stimme und ihrer Durchschlagskraft eher an eine Jazz-Röhre, fasziniert aber als schwarze Hexe.

Fazit

Die Bühnentechnik hat enorm viel zu tun, um die Märchenwelt Dvořáks in einer Art Zeitreise mit der heutigen realen Welt zusammenprallen zu lassen: Die Klage des Wassermanns, das Hineinschweben Rusalkas als silberglänzende Königin der Nacht, der Untergang der Märchenwelt, die Chorauftritte, die Verwandlungen von Menschen und Gebäuden, alles ist perfekt choreographiert und inszeniert. Die Freunde des Regietheaters können behaupten, daß der hochmusikalische Regisseur Stefan Herheim ihnen mehr über das Stück gesagt hat, als sie wohl ahnen konnten. Doch auch das übrige Publikum war zufrieden. In einer Flut beeindruckender Bilder war die Geschichte der Nixe Rusalka durchaus wiederzufinden.

Oliver Hohlbach

Bild: Matthias Creutziger

Das Bild zeigt: Noch herrscht der Wassermann unangefochten über die Phantasiegestalten der Märchenwelt und Rusalka, die Königin der Nacht.

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