LA BOHÈME, Budapest – Ungarische Staatsoper

von Giacomo Puccini (1858-1924), Oper in vier Bildern, Libretto: Luigi Illica und Guiseppe Giacosa nach dem Roman Les scènes de la vie de Bohème von Henri Murger, UA: 1. Februar 1896 Turin, Theatro Regio

Regie: Nádasdy  Kálmán, Bühne: Gusztáv Oláh, Kostüme: Tivadar Márk

Dirigent: Gergely Kesselyák, Orchester der Budapester Philharmonischen Gesellschaft, Chor und Kinderchor der Budapester Staatsoper, Einstudierung: Máté Szabó

Solisten: Vincens Alex (Rudolfo), Ákos Ambrus (Schaunard), Levente Molnár (Marcello), István Rácz (Colline), Andrea Rost (Mimì), Zita Váradi (Musette), Gárbor Gárday (Alcindoro), u.a.

Besuchte Aufführung: 12. August 2010 (im Rahmen des 19. Budapester Sommer-Musikfestspiels, Hilton Dominican Court/Staatsoper Budapest)

Vorbemerkung

Das Budapester Sommer-Musikfestspiel BUDAfest fand in diesem Sommer zum neunzehnten Mal statt. Im Programm waren neben Opern von Verdi und Puccini auch Konzerte von nicht immer klassischem Repertoire: Es wurden auch Klezmer- und Jazzkonzerte gegeben. Die Opern wurden in der Staatsoper aufgeführt, die an sich schon eine beeindruckende Kulisse bildet: In der Glanzzeit der k. u. k. Monarchie (1875-1884) entstanden, strahlt sie auch heute noch den Glanz des vergangenen Reichs aus.

Kurzinhalt

Paris, um 1830: Die schöngeistigen Studenten Rudolfo, Schaunard, Marcello und Colline leiden unter der Kälte und unter ständigen Geldproblemen. In der kleinen Dachkammer von Dichter Rudolfo ist nichts zum Heizen. Trotzdem sind die Freunde immer zu Scherzen bereit. Ausgelassen beschließen die Studenten, eine Pariser Kneipe aufzusuchen. Rudolfo bleibt zurück, um eine Arbeit fertig zu stellen. So trifft er durch einen Zufall auf seine junge Nachbarin Mimì, die schwer krank ist. Beim Suchen nach Mimìs verlorenem Schlüssel kommen sie sich nahe – sie verlieben sich in einander. Ihre Liebe ist geprägt von Mimis schwerer Krankheit und Rudolfos scheinbar unbegründeter Eifersucht, die zum Streit führt. Dennoch beschließen sie zusammen zu bleiben, bis es Frühling wird. Es wünschen sich dennoch beide, der Winter möge nie vorbeigehen.

Aufführung

Dem Zuschauer entfaltete sich das winterliche Paris des neunzehnten Jahrhunderts. Im ersten und letzten Akt wurde eine studentische Dachmansarde vor dem Hintergrund eines düsteren Winterabends gezeigt; Wandgemälde von Maler Marcello und ein ärmliches Interieur schufen ein studentisches Flair, welches die Lebensumstände der Freunde darstellte. Der zweite Akt war vor einer  Pariser Boulevardszene angelegt: Das Café Momus, der detailfreudig kostümierte Opern- und Kinderchor und die Zapfenstreichparade dominierten die Szenerie. Im dritten Akt fiel Schnee auf eine düstere Straße, die sich im frühmorgendlichen Dunkel verlor.

Sänger und Orchester

Das Orchester unter der Leitung von Gergely Kesselyák zeichnete sich durch einen sehr differenzierten, durch alle Stimmen transparenten Klang aus. Die lyrischen sowie die humorig-vitalen Stellen wurden kontrastreich sowohl in Klangfarbe, als auch Dynamik ausgestaltet. Die Soli in den Bläsern klangen mühelos sauber, die Streicher zeigten sich mal in dramatischer Breite, mal in beschwingter Leichtigkeit.

Unter den Solisten sind vor allem die Leistungen des Hauptdarsteller-Paares Andrea Rost (Mimì) und Vincens Alex (Rudolfo) hervorzuheben. Ihre Stimmen harmonierten wunderbar miteinander. Rosts weiche Sopranstimme konnte vor allem in den dramatischen Pianostellen, z.B. in Mi chiamano Mimì – Sie nennen mich Mimì (1. Akt) mit warmem Timbre und Geschmeidigkeit begeistern. Neben der von Rost  glaubhaft gespielten liebend-leidenden Frauengestalt Mimìs glänzte Tenor Alex mit stimmlicher Vitalität und Kraft und einem beeindruckenden Volumen. Er stellte den temperamentvollen Liebhaber-Typus der Puccini-Opern dar, konnte aber auch lyrische Stellen mit melancholischer Farbigkeit zeichnen. So erreichte dieser Abend seinen ersten Höhepunkt mit Rudolfos Arie O soave fanciulla – Du entzückendes Mädchen, die mit begeistertem Zwischenapplaus und Bravorufen bedacht wurde. Rudolfos Freunde, die Baritone Levente Molnár und Ákos Ambrus (Schaunard und Marcello) sowie der Baß István Rácz (Colline) verdienen Anerkennung für die gekonnte Darstellung der humorig-satirischen Stellen und für ihre klare Textaussprache. Die etwas schärfere, vibratoreiche Stimme der Musette-Darstellerin Zita Váradi kontrastierte mit der weichen Stimme von Andrea Rost und ließ so Mimìs Leiden noch tragischer erscheinen. Mit sichtbarer Lust an der Darstellung konnte auch sie die kokette, humorvoll angelegte Rolle ausfüllen.

Fazit

Die traditionelle Inszenierung von  Nádasdy Kálmán zeichnete sich durch aufwendige Bühnenbilder und Kostüme aus. Sie zeigte einen ausgesprochenen Blick fürs Detail und Gespür für stimmungsvolle Szenerien. Der rundum gelungene Opernabend mit vielen Höhepunkten, erstklassiger Besetzung und hervorragenden stimmlichen Leistungen war ein Genuß bis ins letzte Detail. Die Ensembleleistung wurde völlig zu Recht mit viel Schlußapplaus und Bravorufen gewürdigt.

Annika Klanke

Foto: Tibor Troll

Das Bild zeigt: Andrea Rost (Mimi) und Vincens Alex (Rudolfo) in der Dachmansarde

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