NABUCCO – Bad Hersfeld – Oper in der Stiftsruine

von Giuseppe Verdi (1813-1901) Opera seria in 4 Akten, Libretto: Temistocle Solera, UA: 9. März 1842 Teatro alla Scala, Mailand

Regie: Rainer Wenke, Kostüme: Ute Krajewski

Dirigent: Siegfried Heinrich, Orchester: Virtuosi Brunensis, Chor: Hersfelder Festspielchor (Mitglieder des Frankfurter- und Marburger Konzertchores, des Posener Bachchores und Kinderchors des J.S.Bach-Hauses Bad Hersfeld)

Solisten: Krysztof Chalimoniuk (Nabucco), Dariusz Niemirowicz (Zacharias), Sylvia Bleimund (Abigail), Marlene Lichtenberg (Fenena), Amber Opheim (Anna), Byoung Nam Hwang (Ismael) u.a.

Besuchte Aufführung: 15. August 2010 (In deutscher Sprache, Übersetzung: Gertrud Scheumann)

Kurzinhalt

Die Babylonier unter König Nabucco erobern Jerusalem und befreien seine Tochter Fenena. Diese ist in Gefangenschaft der Hebräer. Ismael, der Neffe des Königs von Jerusalem, liebt sie und rettet sie vor dem Tod, der ihr droht, als die Babylonier den Tempel besetzen. Bevor die Hebräer in Gefangenschaft nach Babylon kommen, brandschatzt Nabucco den Tempel und erklärt sich zum Gott. Da er durch weitere Schlachten von Babylon ferngehalten wird, erklärt er Fenena zu Statthalterin seines Throns. Doch als er zurückkehrt, hat sich Abigail des Throns bemächtigt. Fenena soll sterben, da sie selbst auch Ismael liebt und ihrer Schwester die Herrschaft mißgönnt. Außerdem hatte sie erfahren, daß sie von einer Sklavin abstammt, also keineswegs Nabuccos Erstgeborene ist. Doch Nabucco, den sie kurzerhand für verrückt erklärte, bittet in Gefangenschaft Israels Gott um Hilfe, die dieser ihm gewährt: Er und Fenena werden errettet, die Hebräer entläßt er in ihre Heimat, Abigail endet durch Selbstmord.

Aufführung

Die rotbraunen, hohen Wände des Chors der Bad Hersfelder Stiftsruine, die Anfang des 18. Jahrhunderts einem Brand zum Opfer gefallen war, sind ein großartiger Hintergrund für die zum Oratorium hin tendierende Oper Verdis. Bestimmend in dieser Oper ist der Chor, der handelnd und kommentierend gegenüber den Solisten eingesetzt wird. Mit ihren weißen Gewändern stehen die Hebräer den in langen blauen, bestickten Gewändern auftretenden Priestern und den schwarzen Uniformen der Babyloniersoldaten kontrastreich gegenüber. Die Zahl der Handelnden ist groß und bevölkert auf recht anrührende Art die Weite des Stiftsruinenchors. Durch ihre reich verzierte Kleidung sind die Protagonisten äußerlich deutlich von den Chormassen abgesetzt. Der immer wieder einsetzende Regen, der ungehindert in den Chor der Stiftsruine einfallen kann, während die Zuschauer und das Orchester unter einem zeltähnlichen Dach geschützt sitzen, stört die Akteure überhaupt nicht. Sie gibt darüber hinaus dem Ganzen eine große Wirklichkeitsnähe. Die einzigen Kulissen sind die Drahtzäune, die just zum Singen des berühmten Chors: Fliegt, Gedanken, auf goldenen Flügeln! von Damen in enganliegenden, schwarzen, langen Kleidern aufgestellt werden.

Sänger und Orchester

Da diese Oper mit sehr vielen Chorgesängen ausgestattet ist, eignet sie sich hervorragend für eine Aufführung in der Offenheit der Stiftsruine, die eine auffallend gute Akustik besitzt. Vom Dirigenten wird der Chor in der weiten Halle gut geführt. Koordinationsstörungen sind nicht festzustellen. Die Ouvertüre mit ihrem starken Gegensatz von Forte und Piano sowie der vielen Bläserpartien erklingt mit annehmbarer rhythmischer Präzision eindrucksvoll, und die Oboe und Klarinette, die den „Gefangenenchor“ anklingen lassen, spielen absolut präzise und mit warmem Ton. Im weiteren Verlauf werden die Sänger kaum vom zu lauten Spiel des Orchesters übertönt, etwas, was oftmals gerade bei Verdis frühen Opernwerken bei anderen Aufführungen die Sänger zu vermehrtem, forciertem Singen zwingt. Krysztof Chalimoniuk (Nabucco) setzt sich mit starkem Bariton durch, hat allerdings öfters in der Höhe geringe Intonationsschwierigkeiten und neigt ab und zu unrhythmischem Fluß, z.B. im Abschluß von Gott von Juda bei den Sextolen, die Verdi noch mit Fermaten zur Verbreiterung versehen hat. Bei  Sylvia Bleimund (Abigail) fällt auf, daß sie dem jungen Verdi, der durchaus noch Belcantokoloraturen schreibt, wenig Referenz erteilt: ihre Koloraturen sind leider zum großen Teil nicht perlend gesungen, ihre Intonation und Höhenlage ist dagegen in Ordnung. Eine auffallend gut geführte Stimme hat Amber Opheim (Anna), die kaum solistische Gelegenheit für ihr Könnens hat. Die tiefe Stimmlage Marlene Lichtenbergs (Fenena) klingt kehlig und gepreßt. Dagegen sind die Höhen klar und angenehm deutlich. Dariusz Niemirowicz (Zacharias) erfüllt weitgehend mit seinem wohltönenden Baß den Anforderungen der Partitur, ebenso Byoung Nam Hwang (Ismael), dessen Aussprache nichts zu wünschen übrig ließ.

Fazit

Das Auf- und Abtreten der Akteure unterliegt einer gut durchdachten Regievorstellung und trägt damit erheblich zum Gelingen der Aufführung bei. Insgesamt ist die Opernaufführung gelungen. Die Zuschauer bedankten sich neben zahlreichem Zwischenapplaus mit langanhaltendem Schlußbeifall.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Elisabeth Mühleder

Das Bild zeigt: Krysztof Chalimoniuk (Nabucco) in der Mitte, Sylvia Bleimund (Abigail) mit schwarzem Kleid und Chor

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