ADMETO, KÖNIG VON THESSALIEN – Leipzig, Oper

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Opera seria in 3 Akten, Libretto: Nicola F. Haym, nach L’Antigona delusa da Alceste, deutsche Textfassung: Bettina Bartz u. Werner Hintze, UA: 31. Januar 1727, London
Regie: Tobias Kratzer, Bühne/Kostüme: Rainer Sellmaier
Dirigent: Federico Maria Sardelli, Gewandhausorchester, Team ATEF
Solisten: Hagen Matzeit (Admeto), Soula Parassidis (Alceste), Miklós Sebestyén (Herkules), Kathrin Göring(Orindo), Axel Köhler (Trasimede), Elena Tokar (Antigona), Lars Arvidson (Meraspe)
Besuchte Aufführung: 19. März 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Der todkranke König Admeto kann nur gerettet werden, wenn sich jemand für ihn opfert, der ihm nahe steht. So beschließt seine Gattin Alceste, für ihn in den Tod zu gehen. Der genesene König findet Alcestes Abschiedsbrief und bittet Herkules, sie aus den Tiefen der Unterwelt wieder zu befreien. Unterdessen buhlt Antigona um Admeto, die von dessen Bruder Trasimede als Gärtnerin angestellt worden ist. Alceste konnte unterdessen von Herkules gerettet werden. Sie verkleidet sich als Mann, um die Treue ihres Gatten zu prüfen. Admeto glaubt seine Gattin tot und geht auf das Werben von Antigona, die sich zu erkennen gibt, ein. Trasimede versucht seinen Bruder daraufhin zu töten, da er Antigona für sich selber gewinnen will. Durch Alceste, die sich zu erkennen gibt, kann der Mordversuch vereitelt werden. Der König verzeiht seinem Bruder und Alceste vergibt ihrem Mann.
Aufführung
Die deutschsprachig gehaltene Inszenierung verlegt den griechischen Mythenstoff im ersten Teil der Aufführung in das neogotische Interieur eines englischen Adelssitzes mit geradezu typisch assoziierten Ausstattungsmerkmalen des Wohnsaales, wie großer Holztreppe, die in das obere Schlafgemach mit Vorhang führt, Ritterrüstung, Vitrine mit ausgestellten Königskronen, großem Kamin, lederner Sitzgruppe und Absperrborten für Touristen, die durch den Adelssitz geführt werden. Durch Drehung des Bühnenbildes im zweiten Teil der Inszenierung, das mit Festtafel im Vorder- und Küchenausstattung im Hintergrund aufwartet, wird der Blick auf große Mülltonnen frei, in welche Admeto seine Liebe zu seiner Gattin symbolisch entsorgt. Admeto selber sowie auch Alceste, tummeln sich als Fürstenpaar von Monaco in der Szenerie, während die Kleidung der anderen Darsteller eher dem englischen Interieur entspricht. Immer wieder betreten fünf Mitglieder des Künstlerkollektivs ATEF die Bühne, die als Geister auf ihren Melodicas (Harmonicainstrumente), auch Arien begleitend, spielen.
Sänger und Orchester
Altus Hagen Matzeit verlieh seinem Admeto sowohl mit dramatischem Stimmgestus im Schreckliche Geister, wie auch mit perlend geschmeidigen Nuancierungen im Entschlummert meine Augen oder im Traurigkeit und tiefen Schmerz eine kontrastreiche, gut disponierte Stimmpalette. Soula Parassidis versteht es, ihren Sopran im Liebe Augen, lebt nun wohl in warmen Pastelltönen sanft aufleuchten zu lassen, hat dabei die große, ausdrucksvolle dramatische Linie wie in Eifersucht, du rasende Furie, mit eindrücklichen Phrasierungen, immer im Blick. Sie wirkt nie angestrengt, sondern fällt wohltuend durch gewollte Rücknahme in der Lautstärke auf. Sopranistin Elena Tokar (Antigona) kann durch die Leuchtkraft ihrer Stimme in der Mittellage ebenso überzeugen. So beeindruckt ihre Stimme in Mein Los ist unbeständig mit nuancenreich aufblühenden Facettierungen. Baß Miklós Sebestyén stemmt seinen Herkules stimmlich mit leichter Schulter. Seine erdige, gut situierte Stimme gestaltet das Nur Ruhm und Ehre will ich erobern zu einem Heroengesang voller Stimmkraft. Mit Kathrin Göring(Orindo) und Lars Arvidson (Meraspe) hat man zwei Darsteller gefunden, die ihre Rollen sowohl gesanglich, wie auch spielerisch mehr als solide ausfüllen. Gleich zu Beginn der Aufführung wurden die Zuschauer darauf hingewiesen, dass Axel Köhler (Trasimede) trotz einer Erkältung auftreten werde. Das war zwar gut im Sinne der Durchführbarkeit der Aufführung, jedoch war seine Stimme unüberhörbar angeschlagen. Sehr belegt und fahl erklingt so auch seine Arie Ist Dir bestimmt zu leiden.

Großes Lob ist dem Gewandhausorchester unter Dirigent Federico Maria Sardelli auszusprechen. Händels Musik ertönt unter ihrem Spiel in pastos aufgetragener Frische, wobei das Filigrane der Melodieführung unter gekonnter Klangakzentuierung transparent atmen konnte.
Fazit
Die Inszenierung überzeugt in erster Linie durch die gesanglichen Qualitäten. Die Verlegung des mythenbeladenen antiken Stoffes in die Schickimicki-Welt der Royals funktioniert nur ansatzweise. Bei Andeutungen im Gesangstext auf die griechische Mythenwelt oder auch bei den Auftritten von Herkules wird der Stoff in modern aufgeklärter Staffage ad absurdum geführt. Zudem wird die geschlossene Gesamtheit des musikalischen Werkes durch den Einsatz epochenfremder, moderner Musikinstrumente, die sogar auch als Arienbegleitung und somit als Orchesterersatz fungieren, zerrissen. Hier wäre weniger, bei einigen durchaus einfallsreichen Ansätzen in der Inszenierungsumsetzung, deutlich mehr gewesen.

Dr. Andreas Gerth

Bild: Andreas Birkigt
Das Bild zeigt: Soula Parassidis (Alceste) und Team ATEF

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