TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG – Gera, Landestheater

von Richard Wagner (1813-1883), Große romantische Oper in drei Aufzügen, Dichtung vom Komponisten, UA: 1845 Dresden
Regie: Philipp Kochheim, Bühne: Thomas Gruber.
Dirigent: Eric Solen, Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Chor und Chorgäste von Theater und Philharmonie Thüringen
Solisten: James Moellenhoff (Landgraf Herrmann), Ivar Gilhuus (Tannhäuser), Stephan Genz (Wolfram), Michael Siemon (Walther), Teruhiko Komori (Biterolf), Peter Paul  Haller (Heinrich), Kai Wefer (Reinmar), Carola Höhn (Elisabeth), Susanne Gasch (Venus), Katrin Strocka (Hirt), u.a.
Besuchte Aufführung: 19. März 2010 (Premiere)

Kurzinhalt
Der Minnesänger Tannhäuser hat lange Zeit im Venusberg verbracht, dem legendären Zufluchtsort der Liebesgöttin. Tannhäuser verläßt sie, als er der erotischen Ekstase überdrüssig wird. Seine Rückkehr in die irdische Welt wird von ihrem Fluch begleitet, daß er sein Heil auf Erden nie finden möge. Von seinen Freunden und künstlerischen Konkurrenten wird er überredet, auf die Wartburg zu einem Sängerwettstreit zurückzukehren. Thema des Wettstreits ist das Wesen der Liebe, der Preis ist Elisabeth, die Tannhäuser in Zuneigung ergeben ist. Während seines Beitrags gesteht Tannhäuser jedoch seinen Aufenthalt im Venusberg, und nur dank des Eintretens Elisabeths darf er sein Leben behalten, unter der Bedingung, nach Rom zu pilgern und für seine Verfehlung beim Papst um Absolution zu bitten. Der aber überantwortet Tannhäuser der ewigen Verdammnis, vor der ihn das selbstlose Opfer Elisabeths rettet.
Aufführung
Im bebilderten  Vorspiel wird gezeigt wie ein Dichterfürst (er sieht fast aus wie Thomas Mann) Ende der zwanziger Jahre in eine neoklassizistische Säulenhalle einzieht, in der zwei Ritterrüstungen hängen. Hier beginnt das Verhältnis zwischen seinem Sohn Heinrich und seiner Tochter Venus. Nach Jahren auf der Suche nach seiner künstlerischen Identität ist Tannhäuser des Bohèmelebens überdrüssig und kehrt in die Villa seines Vaters zurück. Dessen gesellschaftlicher Freundeskreis ist bereit, Tannhäuser zu vergeben, sofern er bereit ist, seine Jugendliebe Elisabeth zu heiraten. Auf dem Sängerfest, das eher ein literarisches Streitgespräch wird, provoziert Tannhäuser die verlogene und verklemmte Gesellschaft. Als er sich zu seiner zügellosen Sexualität bekennt, wird er von ihr verstoßen. Tannhäuser kehrt zerbrochen vom Kampf um die eigene Künstleridentität zurück. Benebelt von Drogen erleben Elisabeth und Tannhäuser, wie die zwanziger Jahre enden und die neue, radikale und braune Welt der dreißiger Jahre aufzieht.
Sänger und Orchester
Der umjubelte Star des Abends ist Ivar Gilhuus in der Titelrolle. Mit klangvollem durchschlagsstarkem Heldentenor kann er scheinbar mühelos diese schwierige Partie gestalten. Ebenso umjubelt James Moellenhoff, der seinen Baß durch strahlende Höhen und sichere Tiefen führt. Der Landgraf ist eindeutig seine Paraderolle! Stephan Genz beginnt seine Partie als Wolfram sehr ausdrucksstark und intonationssicher, jedoch fehlt ihm später der lyrische Ausdruck und im dritten Akt dann auch die Kraft. Michael Siemon kann seine Nebenrolle als Walther mit seinem Beitrag im Sängerkrieg sehr schön gestalten. Corola Höhn (Elisabeth) und Susanne Gasch (Venus) wirken alles andere als erotisch als dramatische Soprane, vor allem weil sie in den Höhen äußerst angestrengt klingen. Dagegen erfreut Katrin Strocka als Hirt mit sehr sicheren und jugendlich klangschönen Höhen.
Besonderes Lob muß man Eric Solen und dem Philharmonischem Orchester zollen. Was da aus dem kleinen Orchestergraben (nur Platz für eine Harfe) an romantisch-dramatischen Wagner-Klangbildern heraufkam, war wahrlich mitreißend und der Erfolgsgarant des Abends. Eric Solen zeigt, daß Romantik nicht nur Schönklang ist, sondern daß hier spannende Tempo- und Lautstärkevariationen möglich sind, die sich zu dramatischen Explosionen steigern können. Außerdem war der Mischklang mit dem Blech und den Holzbläsern vortrefflich, die Abstimmung mit Chor und Solisten (vor allem in den Ensembleszenen am Ende des ersten und zweiten Aktes) absolut exakt.
Fazit
Tosender Applaus für die musikalischen Protagonisten, zum Teil heftige Buh-Rufe für die Regie. Dabei war das Publikum zwei Akte mehr oder weniger mit der Inszenierung mitgegangen, aber den goldenen Schuß für Tannhäuser als Zeichen für den Untergang der Gesellschaft und damit das Versagen eines Erlösungsmomentes war für die vielen angereisten Wagnerianer dann doch zu viel. Schade eigentlich, denn bis zu diesem Moment hatten die vielen, teils überraschenden Einfälle zu fesseln gewußt, z.B. daß Venus im Sängerkrieg zurückkehrt und ihr Loblied persönlich entgegennimmt oder der köstlich ausgewalzte Streit im Sängerkrieg. Musikalisch hingegen konnte unter Beweis gestellt werden, daß kleinere städtische Bühnen auch im Wagnerfach mittlerweile mit den Staatsopern mithalten können!

Oliver Hohlbach

Bild:  Stephan Walzl
Das Bild zeigt: Der Sängerwettstreit eskaliert zu einer handgreiflichen Rauferei – wegen der Provokationen des Tannhäuser.

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