Die Zauberflöte – Köln, Oper, im Staatenhaus

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1792); eine deutsche Oper in zwei Aufzügen, Text: Emanuel Schikaneder KV 620, UA 30. September 1791, Theater auf der Wieden, Wien

Regie: Michael Hampe, Bühne & Kostüme: German Droghetti, Adaption: Darko Petrovic, Licht: Andreas Grüter, Video: Thomas Reimer, Dramaturgie: Tanja Fasching, Choreinstudierung: Rustam Samedov

Dirigent: Christoph Gedschold (Leitung), Gürzenich-Orchester Köln, Chor der Oper Köln

Solisten: Kathrin Zukowski (Pamina), Julien Behr (Tamino), Antonina Vesenina (Königin der Nacht), Claudia Rohrbach (1. Dame), Regina Richter (2. Dame), Anja Schlosser (3. Dame), Matthias Hoffmann (Papageno), Alina Wunderlin (Papagena), Ante Jerkunica (Sarastro), Oliver Zwarg (Sprecher & 1. Priester), Martin Koch (Monostatos), John Heuzenroeder (2. Priester), Young Woo Kim (1. Geharnischter), Sung Jun Cho (2. Geharnischter)

Besuchte Aufführung: 3. Oktober 2020 (Premiere)

Kurzinhalt

Pamina wurde von Sarastro auf seine Burg entführt. Ihre Mutter, die Königin der Nacht, beauftragt Prinz Tamino, sie zu retten. Er erhält ein Bild Paminas und ist sofort in sie verliebt. Als Unterstützung für die Rettung bekommt Tamino eine Zauberflöte. Papageno, der als Vogelfänger für die Königin der Nacht tätig ist und Tamino begleitet, erhält ein magisches Glockenspiel.

Beiden gelingt unter mannigfaltigen Schwierigkeiten die Befreiung Paminas aus der Gewalt Sarastros. Dieser unterzieht vorher Pamina und Tamino dreier Prüfungen. Nachdem Pamina und Tamino eine letzte Prüfung gemeinsam bestanden haben, entläßt Sarastro beide, da er bemerkt, daß Tamino und Pamina füreinander bestimmt sind. Doch auch Papageno wird belohnt und erhält sein langersehntes Weibchen. Sarastro vernichtet die Königin samt der drei Damen; es siegt das Licht über das Dunkel, Gut über Böse.

Aufführung

Die Hygienebedingung der Corona-Zeit schreibt vor, daß die Sängerinnen und Sänger sich nur eineinhalb Meter einander annähern dürfen. Auf der Vorderbühne befindet sich auf dem Boden ein die gesamte Vorderbühne einnehmender ornamentierte Kreis, worauf sich die Akteure postierten. Meist bleiben sie in diesem Abstand einander gegenüber stehen, einige Male nähern sie sich auch bis auf den vorgeschriebenen Abstand. Das gibt der Aufführung zuweilen ein statuarisch-oratorienhaften Anstrich. Regisseur Michael Hampe löste dies geschickt mit einem häufigen Bilderwechsel des Hintergrunds, die beidseitig sich öffnende Pforten freigaben.

Als erstes erscheint ein sich bedrohlich aufrichtender Drache, vor dem sich Tamino schrecklich fürchtet, so daß er sogleich in Ohnmacht fällt. Drei Damen in prächtigen, weit ausladenden Gewändern retten ihn. Alle drei Damen verlieben sich in ihn, den schönen Jüngling. Der Vogelfänger Papageno tritt auf mit seinem riesigen Vogelkäfig. Bald danach erblickt man die auf einem Halbmond stehende Königin der Nacht. Sie bittet Tamino, ihre von Sarastro geraubte Tochter zu retten.

Danach erleben wir vor dem Hintergrund einer weiten pastoralen Landschaft mit hohen Bäumen Tamina und Papageno auf einer Bank sitzend. Es gelingt Michael Hampe, dem Publikum schöne Illusion für die Oper darzustellen.

Sänger und Orchester

Die ziemlich trockene Akustik von Saal 1 im Staatenhaus war nicht sehr hilfreich für die drei wuchtigen Bläserakkorde zu Beginn der Ouvertüre, die einen längeren Nachhall brauchten. Diese drei Akkorde, Sarastros Reich kennzeichnend, erscheinen im Laufe der Oper immer wieder. Die Musiker des Gürzenich-Orchesters sind unter der Stabführung von Christoph Gedschold gut aufgelegt.

Gleich überrascht die erste Szene: Eine riesig sich aufrichtenden Schlange windet sich im Hintergrund. Es ist klar, daß sich Tamino vor ihr fürchtet. Aber muß er gleich in Ohnmacht fallen? Das beweist mitnichten eine starke männliche Kraft. Will Mozart damit andeuten, daß die Macht des Adels zugrunde geht? Immerhin tobte zur gleichen Zeit in Frankreich die Französische Revolution.

Kurze Zeit später erscheint Papageno in seinem federbesetzten Gewand und singt sein volksliedhaftes Der Vogelsänger bin ich ja. Schon hiermit erobert sich Matthias Hoffmann (Papageno) die Herzen der Zuhörer mit seiner sanften Baritonstimme.

Gleich folgt Taminos erst Arie Dies Bildnis ist bezaubernd schön, wie noch kein Auge je gesehen! Der französische Sänger Julien Behr besitzt eine schlanke, hohe Tenorstimme. Schon das erste Intervall, das Sehnsuchtsintervall der Sext, zeigt die ganze Wärme seiner Stimme, in der die Sehnsucht nach der Unbekannten herauszuhören ist. Seine Intonationssichere und geschmeidige Stimme paßt sehr gut zu Tamino.

Dann erscheint die Königin der Nacht (Antonina Vesenina). Hier wendet Mozart all seine Koloraturkünste, denen er fähig ist, an. In der Arie: Zum Leiden bin ich auserkoren führt er die Sängerin auf ein ungewohntes Niveau, aufs hohe F´´´. Dies hält viele ausgezeichnete Sopranistinnen davon ab, diese Rolle zu übernehmen. Antonina Vesenina beginnt die Arie wunderbar flüssig und mit großer Energie. Aber zum Schluß, auf dem letzten hohen Ton F´´´, hatte sie nicht die Kraft den Ton zu gestalten, er war nur halb zu vernehmen.

Doch Frau Vesenina schaffte einen Ausgleich. Im zweiten Akt hören wir fast die gleiche Arie mit den Worten: Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen. Hier muß sie nach vielen Triolen, die sie unter einem Atem nimmt, noch dreimal F´´´ erreichen. Sie singt den hohen Ton makellos. Verdienter langer Beifall!

Vor einer weiten Pastorallandschaft mit hohen Bäumen und Wiesen sitzen Papageno (Matthias Hoffman) und Tamina (Kathrin Zukowski) einträchtig auf einer Bank und besingen die Eigenschaften von Männern und Frauen. Tamina beginnt mit heller, edler Sopranstimme Bei Männern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht. Und Papageno antwortet mit wohltönendem Bariton: Die süßen Triebe mitzufühlen, ist dann der Weiber erste Pflicht. Dann beide: Wir wollen uns der Liebe freun, wir leben durch die Lieb‘ allein.Ihr hoher Zweck zeigt deutlich an, nicht Edleres sei als Weib und Mann reichen an die Gottheit an. Schikaneder und Mozart zeichnen hier das Ideal einer Ehe! Beider Gesang beweist die meisterhafte Führung ihrer Stimmen. Zu hören ist eine feiner Sopran und ein klarer Bariton. Der harmonische Wohlklang der Stimmen entspricht der anmutigen pastoralen Landschaft im Hintergrund.

Danach erscheinen drei Knaben in silbrig glänzenden Anzügen mit struppigen blonden Haaren. Ihr Gesang ist streng aufeinander abgestimmt. Im Outfit entsprechen sie der heutigen koreanischen Sängergruppe BTS, Solisten des Knabenchors der Chorakademie Dortmund.

Im zweiten Akt tritt die edle Gestalt Sarastro in den Mittelpunkt. Es ist Ante Jerkunica, der die Rolle des Sarastro würdig spielt. Er tritt mit dem Choral: O Isis und Osiris, schenkt der Weisheit Geist dem neuen Paar in die Mitte des Kreises. Hier wäre eine leisere Orchesterbegleitung erforderlich. Wie das mit 2 Bassetthörner, 2 Fagotte, 3 Posaunen, 4 Hörner sowie zwei Bratschen und ein Violoncello bewerkstellen? Die Bläser sitzen ganz außen rechts vor der breitauslandenden Bühne. Für den Dirigenten ist es nahezu unmöglich, den massiven Klang abzumildern, damit die ohnehin leisen tiefen Baßtöne Sarastros noch vernehmbar sind. Doch Jerkunicas wohlabgerundete tiefe Baßtöne wie A und F der kleinen Oktav hört man recht genau. Besser, weil in höherer Lage, kann Ante Jerkunica in der nachfolgenden Arie: In diesen heil’gen Hallen kennt man die Rache nicht … kann kein Verräter lauern, weil man dem Feind vergibt.

Hier kommt sein wohltönender Baß voll zur Wirkung. Der Text zeigt Mozarts und Schikaneders Einstellung zur christlichen Lehre.

Noch einmal hören wir am Opernende Kathrin Zukowski als Tamina mit dem bezaubernd und berührenden Trauergesang Ach es ist verschwunden, ewig hin der Liebe Glück! Ihre Koloraturen kommen klar und sauber heraus, sie sind durchsichtig bis in die höchsten Höhen.

Der Chor der Priester ist nicht beurteilbar, weil er vom Band abgespielt wurde.

Fazit

Es ist lange her, daß ich in Köln eine so gestaltete Oper sah. Es war mal eine Aufführung, die man im Gedächtnis behalten kann, und zwar von der Sängerriege und dem Orchesterspiel angefangen bis zur Bühengestaltung German Droghettis. Das lag nicht nur daran, daß der von Komponist und Librettist vorgegebene Inhalt getreu wiedergegeben wurde, sondern alles Geschehen entsprach den künstlerischen Vorgaben Schikaneders und Mozarts.

Wir verdanken dies dem früheren langjährigen Intendanten der Oper Köln Michael Hampe.

Es gibt im Programmheft ein ausgedehntes Interview von Michael Hampe, das Chefdramaturgen Georg Kehren am 14. September 2020 mit ihm führte. Die Besucher sollen es unbedingt lesen, denn sein Inhalt läßt aufhorchen.

Er antwortet auf Kehrens Frage bezüglich der Wirtschaftlichkeit der Theater: … Als Regisseur wird es darum immer mein Ziel sein, daß das Publikum nach einer Aufführung das Bedürfnis verspürt, über das Werk zu sprechen … Ich habe … als Regisseur die Aufgabe, Werk und Darsteller zum Blühen zu bringen und selbst hinter der Aufführung zurückzutreten.

Und die letzte Frage: Was würden Sie sich wünschen, soll das Publikum aus dem Besuch der Zauberflöte für sich mitnehmen? Hampe: Daß es gelingt, die erste Regel allen Theaters zu erfüllen, die lautet: ‚Triff das Publikum mitten ins Herz‘.

Dem möchte ich nichts hinzufügen.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Paul Leclaire

Das Bild zeigt: Pamina (Kathrin Zukowski, links), Sarastro (Ante Jerkunica) und Monostatos (Martin Koch,  im Kreis) und Tamino (Julien Behr, rechts)

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