Das Rheingold – Coburg, Landestheater

von Richard Wagner (1813-1883), Vorabend zum Bühnenfestspiel in vier Szenen, Libretto: Richard Wagner, UA: 22. September 1869, München Nationaltheater

Regie und Bühne: Alexander Müller-Elmau, Kostüme: Julia Kaschinski

Dirigent: Roland Kluttig, Philharmonisches Orchester des Landestheater Coburg

Solisten: Michael Lion (Wotan), Kora Pavelic (Fricka), Olga Shurshina (Freia), Marvin Zobel (Donner), Peter Aisher (Froh), Simeon Esper (Loge), Martin Trepl (Alberich), Dirk Mestmacher (Mime), Felix Rathgeber (Fasolt), Bartosz Araszkiewicz (Fafner), Evelyn Krahe (Erda), Dimitra Kotdou (Woglinde), Laura Incko (Wellgunde), Emily Lorini (Floßhilde)

Besuchte Aufführung: 1. November 2019

Kurzinhalt

Alberich wirbt um die drei Rheintöchter, die ihn aber nur verspotten. Daraufhin entsagt er der Liebe und stielt ihnen das Rheingold. Aus diesem Gold läßt er einen machtvollen Ring schmieden, mit dessen Kraft er sich die Nibelungen untertänig macht. Die Riesen Fafner und Fasolt haben für den Gott Wotan die Burg Walhall erbaut, und fordern nun von ihm als Lohn die Göttin Freia. Doch Wotan will Freia nicht herausgeben, und der intrigante Gott Loge überzeugt ihn davon, als Ersatz Alberich den Ring und das Rheingold wieder zu entreißen. Alberich verflucht den Ring, den Wotan den Riesen zum Rheingold reicht, um Freia auszulösen. Fafner erschlägt seinen Bruder, die Götter aber ziehen in die Burg Walhall ein.

Aufführung

Die Oper heißt zwar Rheingold, aber vom Rhein ist im dunklen Raum eines Museums nichts zu sehen. Über der Bühne hängt eine übergroße Mondscheibe, hinter der sich auch eine Erdscheibe verbirgt, dahinter ein großer Lichtstrahler, der für die Sonne oder Walhall steht. Besucher bestaunen den Stumpf der eingegangenen Weltesche und die drei Rheintöchter als Ausstellungsobjekte in drei Glasvitrinen (mit transparentem Cape wirken sie eher ägyptisch). Sie erwachen zum Leben, als sich Alberich unter den Schmutzfangmatten hervorwühlt. Die Besucher sitzen bis zum Schluß der Vorstellung auf Museumsklappstühlen und beobachten zunächst wie Alberich das Rheingold in Form eines großen goldenen Gehirns raubt. Wotan erwacht von einer Art Todesschlaf auf einer Plattform, den Blumenschmuck räumen die männlichen Götter in eine mitgebrachte Schüssel. Die Riesen kommen im großen Fellmantel daher, darunter tragen sie eine Art Schutzausstattung – wohl für American Football. Auch die Götter tragen gerne Pelzmäntel – als Machtsymbol. Die Plattform versinkt im Boden. Durch die Öffnung am Boden schwingen sich Wotan und Loge in die Schwefelkluft. Aus der Öffnung taucht auch Mime mit dem Kettengewirk des Tarnhelms in der Hand auf. Alberich als Schlange bleibt unsichtbar, wird nur mit verschrecktem Blick auf das Publikum angedeutet. Nachdem Alberich als kaum sichtbarer kleiner Frosch festgenommen wurde, senkt er unter Zwang den Goldschatz – ein vergrößertes goldenes Hirn – von oben auf Freia herab, bevor ihm Wotan den kleinen Ring vom Finger zieht. Eine Besucherin verwandelt sich kopfschüttelnd in Erda und mahnt Wotan den Ring abzugeben. Aus der liegengelassenen Handtasche Erdas entwendet Wotan eine Sonnenbrille. Die benötigt er für den Einzug nach Walhall, denn das Licht blendet doch stark. Die Götter stehen auf der Plattform, eine große Lichtquelle im Hintergrund steht für Walhall, die Brücke wölbt sich imaginär aus dem Publikumsraum hinauf. Die Rheintöchter ohne Cape dürfen noch kurz das Rheingold beweinen, was die Götter sektschlürfend ignorieren – eine schöne Pose für das monumentale Schlußbild.

Sänger und Orchester

Es reift langsam die Erkenntnis, daß man mittlerweile überall einen Ring auf hohem Niveau besetzen kann, auch an vermeintlich kleinen Häusern! In Coburg kommt noch hinzu, daß fast alle Rollen vom Haus aus besetzt werden können, nur Simeon Esper als Loge und Evelyn Krahe als Erda sind Gäste. Der ganz große Glücksgriff ist Michael Lion als Wotan. Der altgediente Baß am Haus hat keinerlei Probleme mit den Tiefen und zeichnet den zweifelhaften Charakter eines verzweifelten Gottes mit eloquenter weicher Stimme und langen tragenden Phrasierungen. Ebenso eloquent gestaltet Simeon Esper wie ein Liedsänger die Rolle des Loge. Auch wenn er manchmal etwas zu hart phrasiert und ungewohnte Klangbilder erzeugt.

Da ist als gleichwertiger Antipode zu Wotan Martin Trepl als Alberich viel überzeugender. Bislang eher mit kleineren Rollen betraut, wächst er über sich hinaus und baut die Rolle als wortverständliche Charakterzeichnung aus. Dirk Mestmacher ist als Spieltenor mit der Rolle des Mime gut im Rennen. Er kann sich mit tenoralem Glanz stimmlich gegen Alberich durchsetzen. Marvin Zobel ist der spielerisch sichere Donner, die imposanten Heda-Hedo Rufe sind markante Punkte. Peter Aisher gibt den Gott Froh mit lyrischem, gefühlvollen Tenor, kann mit dem Ausruf Zurück! wie ein Heldentenor explodieren. Felix Rathgeber kann den Fasolt nicht nur charakterlich, sondern auch stimmlich vielschichtig gestalten. Sein sicherer Baß-Bariton verfügt über eine große Palette an Stimmfarben und Ausdruckskraft. Bartosz Araszkiewicz mit großer Tiefe und viel gurgelnden Pathos kann nicht mithalten, er tremoliert und klingt als Fafner zu rauh. Kora Pavelic überrascht als Fricka mit einer sehr lyrisch ausgeprägten Stimme, die eine liebevolle Ehefrau gibt, während Evelyn Krahe mit ihrem kräftigen dunklen „echten“ Alt eine weise Erda ist. Besonders lobenswert die durchschlagskräftigen Rheintöchter, die stimmlich bestens miteinander harmonieren.

Roland Kluttig schweißt die Sängerriege zusammen, und ihm gelingt es auch, dem Philharmonischen Orchester das richtige Gefühl für den Ring zu vermitteln. Selten hat man das Anschwellen des Rheins, den berühmten Es-Dur-Akkord am Anfang, so feinsinnig gewoben und transparent gehört. Beim Einzug der Götter wird es trotz kleinem Orchester monumental und wuchtig, aber man hört auch feine Nuancen und ausgefeilte Klänge in den leiseren Passagen. Ein wirklicher Unterschied zu den Interpretationen großer Orchester mit kompletter orchestraler Besetzung ist eigentlich nicht auszumachen – und das ist bei reduzierter Besetzung, z.B. nur einer Harfe statt bis zu acht Harfen schon eine Leistung.

Fazit

Die Beziehungen des Coburger Theaters zu Richard Wagner waren ausgezeichnet, denn schon früh bemühte man sich um die Aufführungsrechte für das kleine Coburger Hoftheater. Gegen dringend benötigtes Geld gab es die Autorisierung des Meisters für eine Coburger Fassung des Rienzi. Sie wurde von den Coburger Kapellmeistern auf weitere Werke Wagners ausgedehnt. Im Falle dieses Rheingolds spielt man eine erweiterte Coburger Fassung, die sogenannte Lessing-Fassung mit Baßtrompete und Wagnertube, dennoch resultiert eine Reduzierung von 123 auf 42 Stimmen, die maximale Kapazität des Orchestergrabens und der Portallogen. Das erste Gastspiel einer Coburger Fassung nach Bayreuth (Tannhäuser) führte übrigens 1860 ins Markgräfliche Opernhaus, als man dort den Meister nur dem Namen nach kannte. Egal – ein erfreuliches Ergebnis eines Rheingold-Erlebnisses wird vom Publikum durchweg freundlich gefeiert. Für ein sogenanntes kleines Haus mit relativ kleiner Bühne und Orchestergraben eine beachtliche Leistung – einen ganzen Ring stemmen zu wollen.

Oliver Hohlbach

Bild: Sebastian Buff

Das Bild zeigt: drei Rheintöchtern und Alberich, im Hintergrund Museumsbesucher, Eschenstumpf und Mondscheibe

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