Parsifal – Bayreuther Festspiele 2019

Oper in drei Akten von Richard Wagner (1813-1883), Libretto vom Komponisten, UA: 26. Juli 1882, Bayreuth, Festspielhaus

Regie: Uwe Eric Laufenberg, Bühne: Gisberg Jäkel, Kostüme: Jessica Karge, Licht: Reinhard Traub, Video: Gérard Nazini

Dirigent: Semyon Bychkov, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Leitung: Eberhard Friedrich

Solisten:Ryan McKinny (Amfortas), Wilhelm Schwinghammer (Titurel), Günther Groissböck (Gurnemanz), Andreas Schager (Parsifal), Derek Welton (Klingsor), Elena Pankratova (Kundry), Martin Homrich (1. Gralsritter), Timo Riihonen (2. Gralsritter), Alexandra Steiner (1. Knappe), Mareike Morr (2. Knappe), Paul Kaufmann (3. Knappe), Stefan Heibach (4. Knappe), Katharina Konradi, Ji Yoon, Mareike Morr, Alexandra Steiner, Bele Kumberger, Marie Henriette Reinhold (Klingsors Zaubermädchen), Simone Schröder (Altsolo)

Besuchte Aufführung: 26. August 2019

Vorbemerkung

Wagners Parsifal wurde 1882 im Bayreuther Festspielhaus uraufgeführt. Als einziges Werk ist Parsifal eigens für das Festspielhaus komponiert worden, was vor allem die Instrumentierung in Rücksicht auf die Akustik des Festspielhauses betrifft Dies ist einer der Gründe, weshalb Wagner den Parsifal seinerzeit nicht außerhalb von Bayreuth aufgeführt wissen wollte. Nach der eher durchwachsenen Aufführung des Ring des Nibelungen 1876 war die Uraufführung des Parsifal in musikalischer Hinsicht und in seiner Inszenierung ein voller Erfolg. Die aktuelle Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg stammt aus dem Jahr 2016 und war ursprünglich für den Regisseur Jonathan Meese vorgesehen. Seit 2018 hat Semyon Bychkov die musikalische Leitung.

Kurzeinhalt

König Amfortas leidet an einer Wunde, die ihm der abtrünnige Ritter Klingsor mit dem heiligen Speer als Strafe dafür zugefügt hat, daß er sich von Kundry hat verführen lassen. Kundry irrt seit Generationen durch die Welt auf der Suche nach Erlösung, da sie vor langer Zeit Christus am Kreuz verlacht hat. Als Amfortas ein Bad nimmt, taucht der Waldläufer Parsifal auf und erschießt einen der heiligen Schwäne. Der Ritter Gurnemanz unterzieht ihn einer kurzen Prüfung und läßt ihn am Abendmahl teilnehmen. Im zweiten Akt erscheint Parsifal auf Klingsors Zauberschloß und wird von Blumenmädchen wie auch von Kundry umgarnt. Er widersteht jedoch der Versuchung. Als Klingsor ihn mit der heiligen Waffe verwunden will, bringt er diese in seinen Besitz. Im dritten Akt bringt Parsifal den Speer zurück zu den Gralsrittern und übernimmt selbst das Amt des Amfortas.

Aufführung

Die Bühne präsentiert im ersten Akt eine bombardierte Kreuzkuppelkirche im Zweistromland. Es herrscht Krieg während die Ritterschaft versucht, ihren Glaubensalltag so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Sein Bad nimmt Amfortas in einem großen Taufbecken, das im weiteren als Altar dient. Bei Parsifals Auftritt erscheint ein kleiner Junge, der tot zu Boden fällt als der Held den Schwan erschießt („Wer schoß den Schwan? “) Die Abendmahlszene am Ende des ersten Aktes verdeutlicht mit viel Blut das Leiden des Amfortas auf schockierende Weise. Eindrucksvoll gelungen ist der Kniefall der Knappen auf die Worte „Durch Mitleid wissend“. Der zweite Akt führt in ein schön gekacheltes orientalisches Bad, wo leicht bekleidete Mädchen den jungen Parsifal umgarnen „Komm holder Knabe“). Die Kostüme sind in schrillen bunten Farben gehalten – ein lebendiger Kontrast zu den Abendmahlszenen der anderen Akte. Kundrys Verführung Parsifals ist ebenfalls sehr körperlich umgesetzt. Als Parsifal den Speer des Klingsor fängt, zerbricht er diesen und fügt die Teile zu einem Kreuz zusammen. Die Zwischenspiele, die als Eintritt in die Gralsburg fungieren, werden bei geschlossenem Vorhang von Videoprojektionen begleitet. Im ersten Akt sieht man eine Art Vogelflug aus der Kirche über den Irak, dann erscheint die Erde, am Schluss öffnet sich der Blick auf das Weltall. Im dritten Akt erscheinen die Gesichter von Richard, Cosima und Winifred – zu Beginn blinzelnd, dann als Totenmaske im Wasserstrudel versinkend. Am Ende der Oper ist die Bühne in hell beleuchteten weißen Dampf gehüllt („Erlösung dem Erlöser“), im Saal geht das Licht an, noch bevor der letzte Ton verklungen ist. Der Sarg Titurels wurde umfunktioniert zur Entsorgungsstelle verschiedenster religiöser Symbole.

Sänger und Orchester

Beim Dirigat von Semyon Bychkov erlebt man bereits während der ersten Takte einen äußerst gründlich erarbeiteten Parsifal. Die dynamischen Bögen werden zu einem großen Ein- und Ausatmen, die Klangfarben sind transparent gestaltet und die Sänger haben große artikulatorische Freiheit. Andreas Schager als Parsifal macht dies schon bei seinem ersten Auftritt deutlich: er, der mehr stammelt als spricht, hat sich eindrucksvoll in seine Rolle hineinversetzt. Er ringt nach Worten, während er zugleich sein volles tenorales Timbre entfaltet. Günther Groissböck als Gurnemanz ist ein sonorer raumfüllender Baß, der auch durch seine deutlich verständliche Artikulation überzeugt. Elena Pankratova füllt das breite Spektrum der Kundry-Partie aus, indem sowohl ihre stöhnenden Laute und ihr Lachen als auch die epischen Passagen, in denen sie Parsifals früheres Leben erzählt, ausdrucksstark gestaltet sind. Auch Ryan McKinny überrascht mit einer durchsichtigen Artikulation der deutschen Sprache, die Schärfen seines Timbres vermitteln die schmerzhafte Situation sehr deutlich. Auch Titurel, eine weitere dunkle Männerstimme, ist hingebungsvoll mit dem Ausdruck des dem Tode nahestehenden von Wilhelm Schwinghammer interpretiert. Ebenso ist Derek Welton für die Partie des Klingsor eine sehr gute Wahl. Man einen sonoren Bass, der mit dem Hauch des Dämonischen seiner Unterhaltung mit Kundry die passende Färbung gibt. Beeindruckend sind darüber hinaus die Durchsichtigkeit in der Vielstimmigkeit der Chorszenen – z.B. die Ritter in den Abendmahlszenen oder auch die Frauenstimmen der Blumenmädchen. Hier tritt Wagners Kontrapunktik hörbar in den Vordergrund. Atmosphärisch entwickeln sich dann die finalen Takte zum Klang gewordenes Gralserlebnis.

Fazit

Während die musikalische Seite viele Farben, Nuancen und Spannungsbögen aufweist, hat die Inszenierung zwar ein klares Konzept zur heutigen Zeit. Allerdings wirkt dadurch alles ein wenig intellektuell und kann nicht immer die Tiefe der Wagnerschen Dramatik ausschöpfen. Wer z.B. einen rot leuchtenden Gral als Apotheose am Ende erwartet, hofft vergebens. So pendelt die Szene immer zwischen ausdrucksstarken Einfällen, die Wagners Kunstreligion nahe stehen, und der Verarbeitung tagespolitischer Symbolik. Das Werk wurde mit einem tosenden Schlußapplaus würdig verabschiedet – bis in naher Zukunft ein neuer Parsifal auf den Hügel zurückkehrt, wird man noch ein wenig Geduld haben müssen.

Dr. Daniel Rilling

Bild: Enrico Nawrath

Das Bild zeigt: Elena Pankratova (Kundry), Andreas Schager (Parsifal)

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