Die Götterdämmerung – Minden, Stadttheater, Richard-Wagner-Verband Minden

von Richard Wagner (1813-1883), drei Aufzügen und ein Prolog, Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto: R. Wagner, UA 17. August 1876 Bayreuth, Festspielhaus

Regie: Gerd Heinz, Bühne und Kostüme: Frank Philipp Schlößmann, Videos: Matthias Lippert

Dirigent: Frank Beermann, Nordwestdeutsche Philharmonie, Wagner Chor Minden 2018, Chor:  Thomas Wirtz

Solisten: Thomas Mohr (Siegfried), Renatus Meszar (Gunther), Andreas Hörl (Hagen), Dara Hobbs (Brünnhilde), Frank Blees (Alberich), Magdalena Anna Hofmann (Gutrune), Kathrin Göring (Waltraute) u.a.

Besuchte Aufführung: 9. September 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Für Siegfried besitzt der von Alberich verfluchte Ring des Nibelungen ewige Macht. Auch Hagen, Halbbruder des Fürsten Gunther, möchte den Ring besitzen. Als es Siegfried an den Rhein zu Gunther verschlägt, verliert er unter dem Einfluß eines Zaubertranks jede Erinnerung an Brünnhilde, heiratet Gutrune und verspricht Gunther Brünnhilde zur Frau. Haßerfüllt wendet sich Brünnhilde gegen Siegfried und berichtet, daß sie quasi vermählt seien. Für seinen Betrug an Gunther tötet Hagen auf der Jagd Siegfried, doch Hagen erringt nicht den Ring, denn Brünnhilde stürzt sich mit dem Ring in den für Siegfried errichteten brennenden Scheiterhaufen. Die Flammen erfassen Walhall, die Götterdämmerung bricht an: Der Ring versinkt im Rhein und die Welt ist erlöst vom Fluch.

Aufführung

Das Bühnenbild hat sich während der gesamten Ring-Produktion kaum geändert, denn die Räume in dem kleinen historischen Stadttheater in Minden sind begrenzt. Das große Orchester sitzt hinter einem Gaze-Vorhang auf der Bühne, in den eigentlichen Orchestergraben führen Stufen und bildet mit der Rampe die Spielfläche. Viel Dekoration ist nicht vorhanden. Links befindet sich eine Wendeltreppe, um den ersten Rang als zusätzliche Spiel- und Auftrittsfläche zu nutzen. Ein überdimensionaler Ring umschließt das Bühnenportal. Beleuchtungseffekte kommentieren die Handlung wie auch durch die Projektion komplexer Figuren auf den Gaze-Vorhang, deren Sinn sich nicht leicht erschließen will. Daher gibt es im Finale keinen echten Weltenbrand, sondern nur unspektakuläre Beleuchtungseffekte. Die einfachen Kostüme erinnern an den abstrakten historischen Realismus der Wieland Wagner-Inszenierungen und passen zu den Charakterzügen der Rollen, die durch die detaillierte und ausgefeilte Personenführung deutlich hervortreten. Sie orientieren sich zumeist an den Anweisungen Wagners im Textbuch.

Sänger und Orchester

Nicht zum ersten Mal steht Frank Beermann am Dirigentenpult in Minden. In gewohnt souveräner Manier leitet er die Nordwestdeutsche Philharmonie Ostwestfalen-Lippe. Beermann versteht das innerste Wesen der Personen und macht damit den Handlungsablauf transparent. So wird Siegfrieds Trauermarsch eher zu einer epischen Erzählung und seine Rheinfahrt weniger zu einer blechlastigen Filmmusik. Da die Sänger direkt vor dem Publikum postiert sind, ist die Wortverständlichkeit verbessert und die Hörbarkeit auch leisester Töne möglich. Thomas Mohr ist ein Wagner-Tenor mit hoher baritonal gefärbter Durchschlagskraft und strahlender Höhe. Für den Siegfried muß er aber noch an der Wortverständlichkeit und an der Phrasierung innerhalb der Gesangslinie arbeiten. Renatus Meszar ist ein strahlender Baßbariton mit großer Spielfreude und sicherer Technik. Ihm geht ein wenig das Volumen und die Leuchtkraft der Stimme ab. Dennoch schafft er dem Gunther mit zurückhaltender tiefbewegender Gestaltung den zustehenden Platz.

Entdeckungen sind Andreas Hörl und Dara Hobbs. Ihr dramatischer Sopran mit eleganter beweglicher Stimmführung macht Brünnhildes wechselnde Haltung zu Siegfried hörbar und glaubhaft. Die überragende Figur des Abends aber ist unzweifelhaft Andreas Hörl als Hagen – eine wunderschöne Baßstimme mit fast schwarzer Tiefe. Er nähert sich Wagners Ideal der unendlichen Melodie und singt trotzdem jeden Ton und betont jedes Wort überdeutlich. Ein wahrlich erregender Vortrag! Verschwenderisch besetzt ist die Rolle der Gutrune mit Magdalena Anna Hofmann: Sie überzeugt mit den leiseren Tönen und mit viel Einfühlungsvermögen und macht aus Gutrune eine Hauptrolle. Etwas mehr Durchschlagskraft möchte man auch Kathrin Göring wünschen. Ihre Waltraute ist aber eine schön anzuhörende Charakterstudie. Ein schönes Ensemble im Zusammenwirken bilden die Nornen, die so nicht nur die Schicksalsfäden zusammen halten.

Fazit

Man tut sich schwer diese Produktion als halbszenisch zu bezeichnen, denn die Personenführung kompensiert den Mangel an Bühnentechnik eindeutig. Gerd Heinz, darf sich mit diesem Ring als Bannerträger werkgetreuer Inszenierungen feiern lassen: Er beweist, daß sich die Handlung des Rings auch ohne kontraproduktive Regieeinfälle und absurde Bilderwelten spannend umsetzen läßt! Nach dem Finale atemlose Spannung im Publikum, bis sich der Enthusiasmus Bahn bricht. Musikalisch und szenisch durchaus eine Sternstunde!

Der völlig zu Recht fast schon hysterische Applaus für eine sehens- und hörenswerte Produktion gilt auch der Vorsitzenden des Richard Wagner Verbandes in Minden, Dr. Jutta Hering-Winckler, deren bürgerliches Engagement wieder einmal eine Oper am Mindener Stadttheater möglich gemacht hat, einem kleinen Haus ohne Musiktheater-Ensemble und ohne den riesigen Mitarbeiterstab oder den Etat eines üblichen Opernhauses. Da kann man durchaus von dem Wunder von Minden sprechen, das sich mit zwei Ring Zyklen ab dem 12. September 2019 sicherlich erneut beweisen wird.

Oliver Hohlbach

Bild: Friedrich Luchterhandt

Das Bild zeigt: Brünnhildes (Dara Hobbs) brennender Stapel geschichteter Scheite

Veröffentlicht unter Minden, Stadttheater, Opern