Artaserse – Bayreuth, Markgräfliches Opernhaus, Theaterakademie August Everding München

von Johann Adolf Hasse (1699-1783); Libretto: Pietro Metastasio, nach Texten der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, UA: 11. Februar 1730, Venedig, Teatro San Giovanni Cristostomi

Regie: Balazs Kovalik, Bühne: Csaba Antal, Kostüme: Sebastian Ellrich

Dirigent: Michael Hofstetter, Hofkapelle München

Solisten: Pauline Rinvet (Schwester), Kathrin Zukowski (Bruder), Natalya Boeva (Mutter), Eric Ander (Vater), Tianji Lin (Intrigant), Anja Silja (Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth)

Besuchte Aufführung: 12. April 2018 (Premiere)

Kurzinhalt

Artabano ermordet den Perserkönig Serse, um seine Dynastie an die Macht zu bringen. Doch man findet bei Artabanos Sohn Arbace den blutigen Dolch – alle halten ihn nun für den Mörder. Artabano will seine Tochter Semira zwingen, Megabise zu heiraten, doch sie liebt Artaserse, den neuen König. Semira fleht um Gnade für ihren Bruder Arbace, der aber nicht aussagen will, um seinen Vater zu schützen. Artaserse, der seinen Freund Arbace für unschuldig hält, läßt ihn frei. Dieser stoppt die Rebellion Artabanos gegen Artaserse und tötet General Megabise. Bei der Krönung Artaserses versucht Artabano den König mit einem Giftbecher zu ermorden. Arbace will den Becher austrinken, aber sein Vater hindert ihn daran, gesteht den Mord an Serse und wird dafür verbannt. Artaserse und Semira wie auch Arbace und Mandane finden zueinander.

Aufführung

Auf einer sonst komplett leeren Bühne, die sich im dunklen Hintergrund verliert, steht zentral ein drehbarer Holzturm mit dem Roten-Adler-Wappen der Hohenzollern-Markgrafen an der Spitze, der barocke Bühnentechnik nachahmt, unterstützt mit Deckenkulissen (Soffitten) und vielen beweglichen Teilen. Daneben stehen Nachbauten einer barocken Donner- und Windmaschine. Rechts wird von eifrig herumeilenden Bühnenarbeitern ein Holzgerüst aufgebaut, links einige Stühle.

Die Darsteller werden im Programmheft nur noch als Schwester, Bruder, Mutter und Vater bezeichnet, denn sie wechseln des öfteren die barocken Kostüme und kommen u.a. als Friedrich der Große, dessen Eltern, Ehepartner oder Leutnant Katte daher. In einem Traum aus Rot erscheint Anja Silja in einer Sprechrolle als Markgräfin Wilhelmine, die aus Ihren Werken rezitiert. Die generelle Kenntnis dieser Werke ist ratsam, um die Verkleidung der Gesellschaft mit Hundemasken zu verstehen, denn Hund und ein Mops-Orden sind wichtige Konversationsthemen zwischen Friedrich II. und Wilhelmine.

Sänger und Orchester

Auch musikalisch hat dieser Opernabend mit dem Artaserse von Hasse nicht viel gemein, denn es wurde viel gestrichen und gekürzt, um das Leben der Markgräfin Wilhelmine und Friedrich des Großen darstellen zu können. Zusätzlich sind noch drei Arien aus dem Ezio eingefügt (Oper von Hasse) und eine Arie aus der Argenore, der einzigen Opernkomposition Wilhelmines.

Die gesprochenen Dialoge sind in deutscher Sprache, die Arien sind durchgängig in italienisch, so daß die Umdeutung der Handlung zumeist nicht auffällt. Mit diesen Arien hatten die Nachwuchssänger der Theaterakademie ihre Probleme, denn die technischen Fertigkeiten für Koloraturen, hohe exponierte Töne und komplexe Notenlinien sind noch wenig ausgebildet. Einzig Pauline Rinvet kann in diesen Bereichen entsprechende Erfahrungen und Können vorweisen. Der Baß Eric Ander wird kaum gefordert und gibt den bösartig strengen Vater mit sicherer Tiefe. Natalya Boeva gibt die Mutter mit rauhem Mezzo. Anja Silja als Wilhelmine hat mit einem Rezitativ das „letzte Wort“, womit dieses Barockopern-Pasticcio ein ungewöhnliches Ende nimmt, denn meist endet eine Barockoper mit einem pompösen Finale. Die Hofkapelle München ist nur Eingeweihten des Themas „historisch informierte Barockmusik“ bekannt, denn es fehlt ihnen die Möglichkeit, die Schönheiten des Barock mit den technische Herausforderung Hasses zum Leben zu erwecken. Ein Orchester sollte eben mehr sein als eine lose Zusammenkunft von Instrumentalsolisten.

Fazit

Ein leider nur wenig beeindruckender Opernabend geht zu Ende – ohne Werbewirkung für die „Zukunft des Barocks“, irgendwo ist das Leuchten barocker Musik verlorengegangen, die Handlung hat zumeist nur Verwirrung gestiftet und das einzige wirkliche barocke Zitat, die barocke Bühnentechnik, die mit einem gewaltigen hölzernen Turm simuliert wurde, kam optisch sehr bestaunenswert, aber leider nur einmal zum Zuge. Was bleibt? Zum einen die Erkenntnis, daß mehr öffentliche Wirkung möglich gewesen wäre. Zwar war die Fachpresse von weither angereist, aber für einen Festakt ohne Musik, nur mit den Reden des bayrischen Finanzministers, des Ministerpräsidenten und der Selbstbeweihräucherung des Theaterakademiepräsidenten interessiert sich das Fernsehen wohl weniger!

Und so war dieser Termin eher für die politische Nomenklatur Nordbayerns gedacht, mit der Folge, daß nach dem Festakt viele Plätze frei wurden. Man war wohl froh, etwas für die Provinz getan zu haben und wieder nach München eilen zu können. Denn auch das wurde deutlich: die staatliche Schlösserverwaltung sieht diese Einweihungsfeier als einmaliges Projekt und wird keinen zweiten Auftrag vergeben. Eine Bespielung wird auch weiterhin möglich sein und zwar dreißig Termine im Sommer –wer aber soll das durchführen, planen und gar bezahlen? Man muß nämlich das Haus für teueres Geld vom Freistaat mieten. Dazu gibt es kaum Produktionsräume und die mit wenig Maschinerie ausgestattete Bühnentechnik bleibt trotz modernisierter Züge sehr spartanisch.

Eigentlich wäre die Stadt Bayreuth am Zug, aber die sucht gerade wieder einmal einen Kulturreferenten und hat sich bislang nicht vorgedrängt oder Interesse oder Zahlungsbereitschaft gezeigt. Dieser Referent müßte gar nicht über Fachwissen, sondern vielmehr über intelligenteres Durchsetzungsvermögen verfügen. Mit der Universität Bayreuth bzw. dem Musikwissenschaftlichen Forschungsinstitut könnte eine „Barocke Akademie“ entstehen, die entsprechende Künstler ausbildet – in Gesang, barocker Gestik, barockem Ballett, dazu die entsprechende Bühnentechnik herstellt, historische Kompositionen erforscht und Partituren erstellt. Aber das ist zur Zeit wenig absehbar. Und vor allem mit international bekannten Gästen Produktionen auf die Beine stellt und die barocke Aufführungspraxis ähnlich wie in Frankreich das Centre de Musique Baroque.

Oliver Hohlbach

Bild: Jean-Marc-Turmes

Das Bild zeigt: Tianji Lin (Intrigant)

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