Salzburger Festspiele 2017

Lady Macbeth von Mzensk

von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975), Oper in vier Akten (9 Bilder), Libretto: Arkadi Preiss und Dmitri Schostakowitsch nach der gleichnamigen Erzählung von Nikolai Leskow, UA: 22. Januar 1934 Leningrad, Maly Theater.

Regie: Andreas Kriegenburg, Bühne: Harald B. Thor, Kostüme: Tanja Hofmann

Dirigent: Mariss Jansons, Wiener Philharmoniker, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor

Solisten: Dmitry Ulyanov (Boris Timofejewitsch Ismailow), Maxim Paster (Sinowij Borissowitsch Ismailow), Evgenia Muraveva (Katerina Ismailowa), Brandon Jovanovich (Sergej), Svetlana Chuklinova (Aksinja/Zwangsarbeiterin), Andrei Popov (Der Schäbige), Stanislav Trofimov (Pope), Alexey Shishlyaev (Polizeichef), Ksenia Dudnikova (Sonetka).

Besuchte Aufführung: 10. August 2017 (Großes Festspielhaus)

Jedermann – Das Spiel vom Sterben des Reichen Mannes

von Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), Tragödie, UA: 1911, Berlin

Inszenierung: Michael Sturminger, Bühne/Kostüme: Renate Martin und Andreas Donhauser

Solisten: Peter Lohmeyer (Stimme des Herrn/Tod/Der Spielansager), Tobias Moretti (Jedermann), Edith Clever (Jedermanns Mutter), Hanno Koffler (Jedermanns guter Gesell), Sigrid Maria Schnückel (Koch), Roland Renner (Armer Nachbar), Fritz Egger (Schuldknecht), Stefanie Reinsperger (Buhlschaft), Christoph Franken (Mammon), Mavie Hörbiger (Werke) u.a.

Besuchte Aufführung: 12. August 2017 auf dem Domplatz

I Due Foscari

von G. Verdi (1813-1901) Tragedia lirica in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave nach The Two Foscari (1822) von Lord Byron, UA: 3. November 1844 Teatro Argentina, Rom.

Dirigent: Michele Mariotti, Mozarteumorchester Salzburg, Philharmonia Chor Wien, Einstudierung: Walter Zeh

Solisten: Placido Domingo (Francesco Foscari), Joseph Calleja (Jacopo Foscari), Guanqun Yu (Lucrezia Contarini), Roberto Tagliavini (Jacopo Loredano), Bror Magnus Todenes (Barbarigio), Marvic Monreal (Pisana), Jamez McCorkle (Ratsdiener), Alessandro Abis (Diener des Dogen).

Besuchte Aufführung: 14. August 2017 (großes Festspielhaus

Ariodante

von Georg Friedrich Händel, Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Antonio Salvi, UA: 8. Januar 1735 London

Regie: Christof Loy, Bühne: Johannes Leiacker, Kostüme: Ursula Renzenbrink, Choreographie: Andreas Heise

Dirigent: Gianluca Capuano, Les Musiciens du Prince – Monaco, Salzburger Bachchor

Solisten: Cecilia Bartoli (Ariodante), Kathryn Lewek (Ginevra), Nathan Berg (König), Rolando Villazon (Lurcanio), Christophe Dumaux (Polinesso), Sandrine Piau (Dalinda), Kristofer Lundin (Odoardo).

Besuchte Aufführung: 22. August 2017 (Haus für Mozart)

Lucrezia Borgia

von Gaetano Donizetti (1797-1848), Melodramma in einem Prolog und zwei Akten, Libretto: Felice Romani nach dem Drama Lucrèce Borgia von Victor Hugo, UA: 26. Dezember 1833 Mailand, Teatro alla Scala

Dirigent: Marco Armiliato, Mozarteumorchester Salzburg, Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor

Solisten: Ildar Abdrazakov (Don Alfonso), Krassimira Stoyanova (Lucrezia Borgia), Juan Diego Florez (Gennaro), Teresa Iervolino (Maffio Orsini), Mingjie Lei (Jeppo Liverotto), Ilker Arcayürek (Oloferno Vitellozzo) u.a.

Besuchte Aufführung: 30. August 2017 (konzertant, Großen Festspielhaus

Don Quixote von Richard Strauss (1864-1949), UA: 8.März 1898, Köln und die Symphonie Nr. 5 e-Moll

von Peter Iljitsch Tschaikowski (1809-1847), UA: 5. November 1888, St. Petersburg

Dirigent: Daniel Barenboim, West-Eastern Divan Orchestra

Solisten: Miriam Manasherov (Viola), Kian Soltani (Violincello)

Besuchte Aufführung: 18. August 2017 im Großen Festspielhaus

Vorbemerkung

Salzburg steht für Kunst und Kultur mit und ohne Mozart, aber auch für Prominentenrummel und Blitzlichtgewitter. Die Festspielproduktionen bieten ein jährliches stattliches Angebot an Oper, Schauspiel und Konzert. Von den Festspielhäusern ist es nur ein Schritt zur barocken Altstadt, zu den Wohnungen Mozarts, zur Residenz und Dom. Auf dem Domplatz wird Jedermann aufgeführt, gleich daneben steht auch die Videoleinwand des Sponsors Siemens, die tagtäglich Touristen und Festspielgäste mit Übertragungen und Aufzeichnungen erfreuen. Ebenso wenige Schritte entfernt die stets gut gefüllten, zahlreichen Kaffeehäuser und Restaurants. Ausflüge in die nähere Umgebung bieten viele Möglichkeiten.

Aufführung, Sänger und Orchester

Die akustischen Verhältnisse im großen Festspielhaus sind schwierig, schon wegen der überbreiten Bühne. In der Produktion der Lady Macbeth von Mzensk wird sie immerhin in voller Breite genutzt und auch akustisch optimiert.

Man blickt in einen heruntergekommenen, an Kommunismus erinnernden Hinterhof, links und rechts stehen zwei bröckelnde Gebäuderiegel mit absturzgefährdeten, vorgeblendeten Balkonen, nach hinten zu erhebt sich ein marodes, labyrinthartiges, auswegloses Treppenhaus. In die Wohnungen kann man hineinsehen, indem man die Wohnräume herauszieht, Regisseur Andreas Kriegenburg zeigt die Charaktere mit Mitteln der Satire auf. Links wohnt Katerina Ismailowa mit ihrem Gatten. Rechts befindet sich das Kontor der beiden Kapitalisten Ismailow. Das Polizeirevier ist gleich daneben mit der korrupten Polizei ist nicht wirklich an ihrer Aufgabe interessiert, man strickt und kocht lieber. Erst eine persönliche Herausforderung fordert sie in ihrer ganzen Härte heraus. Im Hinterhof treffen sich die jeweiligen Gruppen zur Hochzeitsfeier, zu gewaltsamen Exzessen bis hin zum Finale, wenn ein großer Käfig das Gefangenenlager in Richtung Sibirien verdeutlicht.

Diese Neuproduktion ist bis in die zahllosen Nebenrollen hinein mit russischen Solisten werkgetreu besetzt. Nina Stemme sang nur die Premiere, Evgenia Muraveva übernahm die Rolle der Katerina Ismailowa und zeigt auf, wie man die tragischen, frivolen und abgrundtief bösen Momente mit Verve und Ausdruck gestaltet. Dazu passend ihr Liebhaber Sergej, alias Brandon Jovanovich, der tenorale Glanzlichter mit viel russischer Durchschlagskraft auch in den hohen Tonlagen verbreitet. Er verfällt jedoch der lasziven Sonetka (Ksenia Dudnikova), die mit spielerisch leichtem Sopran dies erreicht. Dimitry Ulyanov als Katharina bedrängender Schwiegervater Boris bleibt leider zu blaß und wirkt leider etwas zu leise, während sich der devote Gatte (Maxim Paster) stimmlich als Pantoffelheld hinter dem Schreibtisch verschanzt.

Indessen ist der angeheiterte Pope des Stanislav Trofimov stimmlich passend besetzt, genauso wie der Polizeichef Alexey Shishlyaev mit tiefen Tönen einfach nur bitterböse ist. Das Dirigent von Mariss Jansons paßt zu dieser tragisch-satirischen Oper perfekt. Er versteht die Feinheiten der Instrumentierung, kann die Untiefen und die Höhepunkte klar herausstellen: Hier gibt es viele lyrische Momente voll Feingefühl und weniger polterndes Pathos mit viel Blech. Kongeniale Partner sind die Wiener Philharmoniker, die dies mit ihrem legendären Tuttiklang, weichen Holzbläsern und einfühlsamen, einheitlich intonierenden Blech umsetzen. Ein hysterisch umjubelter Dirigent, gefeierte Solisten und viel Bravi für Orchester und Chor!

Die Neuinszenierung des Jedermann durch Michael Sturminger ist nach dem Ausstieg der bisherigen Regisseure Julian Crouch und Brian Mertes schwierig: Es gilt in wenigen Wochen eine Neuinszenierung zu stemmen. Das Stück ist verändert, gekürzt und von einem unbestimmbaren Zeitpunkt in die harte Gegenwart verlegt. Die Figuren tragen Kleidung von heute, Hauptdarsteller Tobias Moretti trägt am Anfang einen Morgenmantel und spielt Trompete. Die Spielansage Jetzt habet allesamt Achtung Leut hat der Tod alias Peter Lohmeyer. Neu gestaltet wurde auch die Beziehung zwischen Jedermann und seiner Buhlschaft (Stefanie Reinsperger). Ihr rosa Kleidchen ist derart unvorteilhaft, daß es schon an Körperverletzung grenzt. Sie ist kein gekauftes Objekt, sondern eine Geliebte: Ein großer theatralischer Moment, wenn die geliebte Buhlschaft angesichts des Todes bedauernd, aber ohne Gewissensbisse die Flucht ergreift. Man hat auch ins Textbuch eingegriffen, viele der holprigen Verse geglättet, gestrichen und auch inhaltlich andere Bezüge hergestellt. Der Glaube wird diesmal von einem Mann, Johannes Silberschneider, gespielt – er könnte auch Gott sein. Die Guten Werke der Mavie Hörbiger sind schwindsüchtig oder eine sterbende Drogenabhängige. Diese schauspielerische Leistung rettet die Produktion und für viele Zuschauer den Abend: Szenenapplaus! Für die Zukunft bieten sich drei Möglichkeiten: Ein ganz neues Stück schreiben lassen, z.B. von Michael Sturmiger, der ein fragwürdiges, humorloses und zerrissenes Stück präsentiert hat. Oder man rekonstruiert es so, wie es noch im letzten Jahr gespielt wurde, oder so wie das Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt 1911 auf den Weg gebracht haben. Oder man gibt Michael Sturmiger Gelegenheit das Stück im nächsten Jahr weiter zu entwickeln. Nach der mit eineinhalb Stunden sehr kurzen Aufführung, werden Tobias Moretti, Mavie Hörbiger und Stefanie Reinsperger gefeiert. Altgediente Festspielgäste verlassen grummelnd die Tribüne.

I due Foscari

An Verdis aufwühlender Musik kann es nicht liegen, daß diese Oper kaum gespielt wird. Es gibt kaum äußere Handlungsmomente, kein glückliches Ende, aber dafür ist der Streit musikalisch sehr prägnant umgesetzt. Vielleicht liegt die Zukunft des Werkes in konzertanten Aufführungen, denn auf diese Weise hat die Oper es in die Salzburger Festspiele geschafft. Das Salzburger Mozarteum Orchester setzt sie leuchtend und strahlend unter dem zupackenden Dirigat von Michele Mariotti um. Er befeuert die italienische Liebesglut für Verdi und führt auch Chor und Solisten zu einer feurigen Darstellung von Emotionen. Für diese emotionalen Darstellungen sind primär die vier Hauptdarsteller zuständig. Zuerst zu nennen Guanqun Yu, die die verzweifelte Lucrezia als Ehefrau und Mutter mit durchschlagskräftigem leuchtenden Sopran und Selbstbewußtsein auszeichnet. In der Rolle des ebenso leidenschaftlichen Jacopo Foscari überzeugt Joseph Calleja mit herrlich farbenreicher Mittellage und leuchtenden, selten unsicheren tenoralen Höhen. Roberto Tagliavini ist mit profunder Tiefe der Bösewicht Jacopo Loredano. Vor 42 Jahren debütierte Domingo in Salzburg in Don Carlos unter Karajan. Damals ein Tenor, firmiert er seit einiger Zeit als Bariton. Zwar ist ein Tenor quasi ein Bariton mit großer Höhe, aber ein Bariton kein Tenor ohne Höhe. Mit großer Kraft gelingen Placido Domingo als Francesco Foscari durchaus noch tenorale Lagen, aber die Phrasierungen und die Technik schwindet, besonders bei komplexeren Stücken. Domingo ist und bleibt ein Liebling des Publikums, sein Auftritt ist ein Ereignis, besonders in Salzburg.

Ariodante

Cecilia Bartoli leitet seit 2012 die Salzburger Pfingstfestspiele und hat dieses Jahr diese Händeloper herausgebracht. Diese Produktion wurde von den Salzburger Festspielen übernommen. Der helle karge barockisierende Wohnraum, dessen Seitenwände sich nach hinten zu verjüngen und dessen Rückwand teilbar ist, kommt mit nur einem Sofa als Requisit aus. Christoph Loy nutzt diese Spielfläche, um die Personen dieser Ritterdichtung und ihre Schicksale, den Liebestaumel und Schmerz, den Wahn und die Rache und all die anderen Gefühlslagen zu zeigen. Die Kostüme verweisen auf die Barockzeit, Cecilia Bartoli tritt in der Hosenrolle des Ritters Ariodante zunächst in Rüstung mit Schwert auf, um dann über die Zwischenstufe eines schwarzen Kleides den Bart zu verlieren und rollenfreie weibliche Ausstrahlung zu zeigen. Sie ist eine eigene Klasse, sie arbeitet mit einer Art forciertem Tremolo, was die Stimme zwar in Schwingungen versetzt, aber es gelingen ihr, die Koloraturen und Lautstärkeabstufungen einwandfrei und auch gestalterisch in Nuancen und charakterliche Farbschattierungen wiederzugeben.

Kathryn Lewek ist der Bartoli ebenbürtige Koloratursopran als Ginevra, denn ihr Crescendo und Decrescendo bis in höchste Höhen ist einfach großartig. Sandrine Piau ist eine naive Dalinda mit dunklem, aber klarem Sopran. Der Countertenor Christophe Dumaux als Polinesso hält sich etwas zurück, kann aber auch in der Sopranlage mit unbeschwerten Koloraturen punkten. Rolando Villazòn ist als Lurcanio eine Neubesetzung. Seit der Traviata 2005 mit Anna Netrebko liebt ihn die Salzburger Opernwelt. Sein Humor, sein schauspielerisches Talent, seine Darstellung eines gescheiterten Verliebten überdeckt alles, daß das Forte nur noch mit Kraft zu erreichen ist und die Stimme in der Höhe immer kehliger klingt. Nur noch mit großer Anstrengung kann er Koloraturen singen. Besonders erfreulich ist, daß die Ballettstücke nicht gestrichen sind, sondern durch eine Tanzgruppe als pseudo-barockes Ballett aufgeführt werden. Die furiose Handlung wird von dem Barock-Ensemble Les Musiciens du Prince unter der fachkundigen Leitung von Gianluca Capuano untermalt.

Lucrezia Borgia

Auch diese Oper wird zumeist konzertant aufgeführt. So auch im Salzburger Festspielsommer mit einer herausragenden Besetzung. Juan Diego Flórez ist im Belcanto die derzeitige Referenz – der verzweifelte Gennaro hat genau diese Rolle. Flórez‘ große Leucht- und Strahlkraft ist noch breiter geworden, die Sicherheit, mit der auch höchste tenorale Höhen erreicht werden, ist unübertrefflich. Die große Gennaro-Arie wird daher zu einem zentralen Punkt der Aufführung.

Krassimira Stoyanova nutzt die Lucrezia zu einer gesangstechnischen Lehrstunde für das Publikum. Eine mitreißende Gratwanderung zwischen Giftmischerin und zärtlich-mitfühlender Mutter. Das Resultat ist Erbarmen und Verunsicherung. Ildar Abdrazakov gebietet über einen volumenstarken Baß. Die Koloraturen gelingen, aber etwas mehr dämonische Ausdruckskraft für Alfonso wäre schön. In der Hosenrolle des Orsini ist der Mezzo der Teresa Iervolino gut aufgehoben. Es klingt nach einem gealterten Cherubino, aber verbittert und griesgrämig. Ihr Schwerpunkt liegt im versierten Belcanto, sie kann aber auch dramatische Sopranausbrüche beisteuern. Der Dirigent Marco Armiliato kommt trotz Salzburger Mozarteumorchester über ein solides Begleiten im Hintergrund nicht hinaus.

Konzertveranstaltungen

Für die Salzburger Festspiele sind die Konzerte namhafter Orchester immer von besonderer Bedeutung. Ein besonderer Höhepunkt ist der Auftritt von Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra. In der Fünften Symphonie von Peter Tschaikowsky zeigt das Orchester großartig den jähen Wechseln zwischen den zarten, lyrischen Stellen, der fragilen Wehmut und den extremen Temperamentsausbrüchen Im Gegensatz dazu steht der Don-Quixote von Richard Strauss. Barenboim musiziert die verschiedenen Variationen anschaulich, die jungen Musiker spielen sie mit Verve. Im zweiten Konzert saß Martha Argerich als Gastsolistin am Klavier, die Solotrompete war mit Bassam Mussad besetzt. Daß die jahrelange Zusammenarbeit mit Barenboim ein kongeniales Zusammenspiel hervorgebracht hat, wird mit dem Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester mehr als deutlich. Den anspruchsvollen Klavierpart hatte Schostakowitsch bei der Uraufführung für sich selbst vorgesehen. Martha Argerich hatte keine Schwierigkeit. Die ganze Fülle des musikalischen Repertoires wird besonders ausgeprägt im langsamen zweiten Satz. Mit lento ist der Walzer übergeschrieben, mit dem an Ravel erinnert wird, vielleicht aber auch auf Beethoven. Großer Jubel für diese denkwürdigen Konzerte.

Fazit

Salzburg bietet seinen Besuchern viele Möglichkeiten für Oper, Schauspiel oder Konzerte – live an vielen Spielorten, per Übertragung oder aus der Konserve. Mittlerweile werden ausgewählte Stücke im Folgejahr wieder aufgenommen. Falls die großen Namen wie Netrebko oder Domingo dabei sind, kann man das Pech haben, keine Karten zu bekommen. Zwar ist Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk kein Publikumsliebling. Sie gilt 2017als beste Produktion! Die Aida mit Netrebko ist vollständig ausgebucht: Dank Netrebko große Nachfrage, aber szenisch enttäuschend. Doch wer keine Karte bekam, konnte es auf der Großleinwand oder dem Fernsehen verfolgen. Die Qualität der Übertragung hängt dabei stets von Lautsprecher oder Soundsystem ab. Aber auch große Namen sind keine Garantie mehr für ein Ausverkauft! Gerade im konzertanten Bereich kann man noch (allerdings teure) Karten an der Abendkasse erhalten. Gespannt erwartet man nun den Spielplan im nächsten Jahr.

Oliver Hohlbach

Bild: Salzburger Festspiele / Thomas Aurin

Das Bild zeigt: Lady Macbeth von Mzensk 2017: Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa)

 

Young Singers Project YSP Abschlußkonzert Mozarteum Orchester

Besuchte Aufführung: 26. August 2017 (Mozarteum – Großer Saal)

Alljährlich findet im Rahmen der Salzburger Festspiele das Young Singers Project (YSP) statt. Sein Ziel ist es, jungen Talenten neben einer musikalischen Weiterbildung und szenischem Unterricht auch die Möglichkeit zu geben, Proben zu besuchen und mit den Künstlern und Künstlerinnen der Salzburger Festspiele zu arbeiten. Oder in Opernproduktionen in Nebenrollen eingesetzt zu werden oder an Meisterklassen (z.B. von Christa Ludwig) teilzunehmen. Der musikalische Leiter des YSP ist Adrian Kelly, der auch das Abschlußkonzert mit dem Mozarteumorchester Salzburg an diesem Abend dirigierte. Der Vortrag der Sänger beginnt sodann mit Terzetten von Ferrando, Guglielmo und Don Alfonso aus  Così fan tutte , und zwar mit La mia Dorabella capace non è – È la fede delle femmine – Una bella serenata. Der italienische Baß Alessandro Abis ist in der Rolle des Don Alfonso zu erleben. Abis singt den Alfonso bei starker Mimik und Ausdruckskraft mit einem gut intonierenden und flexiblen Baß. Er wird damit zum Zentrum der Terzette. Später singt er noch die Kavatine des Don Magnifico aus La Cenerentola Miei rampolli femmini mit ebenso großer Ausdruckskraft und hoher Empathie sowie treffender Mimik. Der Sänger verfügt über große Musikalität. Der polnische Tenor Maciej Kwasnikowski verkörpert den Ferrando. Er läßt als Ferrando einen durchschlagskräftigen Tenor mit stabiler Höhe erklingen. Später kann er noch mehr glänzen mit der Arie des Don Ottavio Il mio tesoro intanto. Hier kann man auch eine leichte dramatische Ausrichtung seines kraftvoll intonierenden Tenors erkennen. Guglielmo schließlich wird vom russischen Bariton Ilya Kutyukin gesungen. Er läßt als Guglielmo einen nicht allzu großen Bariton hören. Bei der später gesungenen Arie des Robert aus Jolanthe wird auch das begrenzte stimmliche Volumen offenbar, sowie eine etwas fahle Höhe. Sodann singt die polnisch-deutsche Sopranistin Alina Adamski Rezitativ und Arie der Giunia aus Lucio Silla In un istante oh come s´accrebbe il mio timor! – Parto, m´affretto. Adamski verfügt über einen leicht abgedunkelten, deshalb in der Mittellage sehr charaktervoll klingenden Sopran, den sie ausgezeichnet führt. Sie läßt in dieser Arie aber auch gute Koloraturen sowie eine kraftvolle Attacke erkennen und setzt viele dramatische Akzente, was ihr starker Applaus einbringt. Später wird sie einen starken Orlofsky im Finale des zweiten Akts verkörpern. Sie hat das Talent zu einer echten Sängerdarstellerin. Es folgt der ausgezeichnete russische Baß Gleb Peryazev mit der Arie des Basilio La calunnia è un venticello. Peryazev singt die Arie mit einem kraftvollen und profunden Baß, den er auch sehr beweglich führt. Es besticht ferner durch gute und lang gehaltene Höhen sowie allgemein große sängerische und darstellerische Souveränität. Die österreichische Sopranistin Anita Rosati singt darauf die Arie der Zerlina Vedrai, carino aus Don Giovanni. Rosati hat einen wohlklingenden, warmen lyrischen Sopran und drückt sowohl darstellerisch wie stimmlich viel Einfühlungsvermögen für die Nöte Masettos aus. Als Adele im späteren Quartett aus dem Finale des 2. Akts aus Die Fledermaus läßt sie auch kräftigere Töne hören. Richard Walshe singt sodann die Arie des Leporello Madamina, il catalogo è questo aus Don Giovanni. Walshe singt die Registerarie sowohl mit beeindruckender Attacke als auch mit gutem Legato bei exzellenter Diktion und Mimik – sowie sehr guter Technik. Sein Baßbariton hat eine gute Resonanz. Der britische Bariton Huw Montague Rendall singt sodann Rezitativ und Arie des Conte Almaviva Hai già vinta la causa! – Vedrò mentre io sospiro aus Le nozze di Figaro. Er singt die Arie mit einem klangvollen Bariton mit großer Ausdruckskraft und guter Höhe. Nach der Pause folgt die russische Mezzosopranistin Vasilisa Berzhanskaya mit der Arie des Ariodante Tu, preparati a morire aus Ariodante. Ihr kraftvoller Mezzo besticht durch eine klangvolle Mittellage und sie singt die Arie des Ariodante sowohl mit kräftiger Höhe als auch beeindruckender Tiefe und läßt dabei schöne Piani hören. Die britische Sopranistin Carrie-Ann Williams singt nun das Arioso Otchego eto prezhde ne znala aus Jolanthe. Williams interpretiert das Arioso mit einem klangvollen, dunkel gefärbten Sopran. Sie hat eine kräftige Stimme mit guter Höhe. Die maltesische Mezzosopranistin Marvic Monreal singt sodann die Szene der Olga Ah, Tanja, Tanja! Aus Eugen Onegin. Sie verfügt über einen vollen Mezzo, den sie mit der Szene der Olga kraft- und ausdrucksvoll vorträgt. Der aus New Orleans stammende Jamez McCorkle singt danach die Blumenarie des Don José La fleur que tu m´avais jetée aus  Carmen. Bei einer intensiven Mimik und viel Emotion gestaltet er die Arie des Don José mit seinem kräftigen Tenor, auch wenn es etwas an Resonanz und Klangfülle fehlt. Die deutsche Sopranistin Anne-Fleur Werner schließt das Arien-Programm mit dem Rezitativ und Rondo der Vitellia Ecco il punto, oh Vitellia – Non più di fiori vaghe catene aus La clemenza di Tito ab. Sie singt das Rondo der Vitellia mit viel Gefühl und guter Diktion. Ihr kraftvoller Sopran wird sehr gut geführt, sie verfügt sowohl über eine beeindruckende Tiefe, wie auch über eine gute Attacke. Daneben gestaltet sie ihren Vortrag sehr facettenreich. Danach beeindrucken Carrie-Ann Williams und Vasilisa Berzhanskaya mit dem Duett Fiordiligi und Dorabella aus Così fan tutte. Sie singen es mit klangvollen und kräftigen Stimmen. Zum Abschluß gibt es dann noch zwei Quartette und ein Sextett, mit denen die jungen Sängerinnen und Sänger ihre beeindruckenden Qualitäten nochmals unter Beweis stellen. Insgesamt agieren die Sängerinnen und Sänger neben einem sehr guten stimmlichen Vortrag auch mit einer intensiven und kommunikativen Darstellung. Sie sind somit als Opernsänger ganz offenbar auf einem viel versprechenden Weg.

Klaus Billand

Bild: Salzburger Festspiele / Thomas Aurin

Das Bild zeigt: Young Singers Project YSP Abschlußkonzert

Veröffentlicht unter Opern, Salzburger Festspiele