KONZERT – Philharmonie Paris

Joseph Haydn (1732-1809): Sinfonie Nr. 59 A-dur

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791): Klavierkonzert Nr. 17 G-dur, KV 453

Franz Schubert (1797-1828): Sinfonie Nr. 5 B-dur, D. 485

Dirigent: Vladimir Jurowski, Chamber Orchestra of Europe

Pianist: Piotr Anderszewski

Konzertbesuch: 30. November 2016

 

Die neue Philharmonie de Paris gehört zur Cité de la Musique. Diese befindet sich im Parc de la Villette, wo auch das Conservatoire supérieur de musique et de danse (Hochschule für Musik) und ein besuchenswertes Musikinstrumentenmuseum angesiedelt sind.

Schon seit alter Zeit gibt es in Paris zahlreiche Konzertsäle mit ausgedehntem Programmangebot. Ergänzt werden sie durch die Opernhäuser Palais Garnier und Bastille, die größere Programmreihen anbieten. Einige dieser Musikhäuser seien hier aufgeführt: das Théâtre des Champs-Élysées, das auch szenische und konzertante Opernaufführungen anbietet, das Théâtre de la Ville, der Sendesaal von Radio France, die Salle Gaveau und die Salle Peyel. Vor der Eröffnung der Philharmonie war letzterer der größte Konzertsaal.

paris-phil-jurowskiAm 18. Januar 2015 wurde nach langer Bauzeit und einigen Schwierigkeiten die Philharmonie de Paris am nördlichen Stadtrand eröffnet. Sie erfreut sich lebhaften Zuspruchs. Die Pläne zur Errichtung eines solchen Konzertsaals reichen weit zurück. Es war der besondere Wunsch des kürzlich verstorbenen Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez (26. März 1925 bis 5. Januar 2016), in der französischen Hauptstadt ein repräsentatives, wirklich großes Konzerthaus zu errichten. Die Philharmonie de Paris besitzt zwei Konzertsäle; der größere Saal wurde mit Boulez‘ Namen beehrt. Das Programm räumt der Darstellung von Jazzmusik breiten Raum.

Wie schon erwähnt wollen wir im OPERAPOINT vermehrt Konzerte besprechen. Bislang wurde aus der Philharmonie de Paris noch kein Konzert vorgestellt. Nun bot sich die Gelegenheit, den russischen Dirigenten Vladimir Jurowski kennenzulernen, der im April kommenden Jahres die Nachfolge des Dirigenten Marek Janowski beim Radio Sinfonieorchester Berlin antritt. Der Besuch hat sich gelohnt, zumal Jurowski eins der weltweit besten Sinfonieorchestern, das Chamber Orchestra of Europe, dirigierte.

Das COE wurde 1981 gegründet; die Instrumentalisten stammen aus allen europäischen Ländern und sind auch oft ehemalige Mitgliedern des European Youth Orchestra. Es wird gefördert durch Mitteln des Programms Kultur der Europäischen Union und der Gatsby Charitable Foundation.

Schon der Beginn des Abends mit Haydns Sinfonie Nr. 59 A-dur  (1768) läßt aufhorchen: der Orchesterklang ist von großer Wärme und das Zusammenspiel der Instrumente ungemein homogen. Häufig empfindet man bei Haydns Sinfonien eine gewisse Langeweile, gepaart mit dem Wohllaut der Motive. Doch dieser Interpretation herrscht Spannung, der Rhythmus kommt außerordentlich straff, die Gegensätze von Streichern und Bläsern sind deutlich und konturiert. Die Liedform des zweiten Satzes mit dem volkstümlich ländlich anmutenden Motiv wird graziös vorgelegt, der letzte Satz zeigt zündenden Schwung. Jurowski setzt mit der Gestik seines ganzen Körpers die Instrumentengruppe in Bewegung. Der Hörer hat regelrecht einen gestalterischen Eindruck der im Orchester ablaufenden Linien. Man erlebte die Musik!

Beim Klavierkonzert von Mozart hält sich das Orchester gekonnt zurück: man läßt dem Solist den Vortritt. Doch dieser verwischt sein mit tadelloser Technik vorgetragenes Fingerspiel durch den allzu üppigen  Gebrauch des Klavierpedals. Oder liegt es am Steinway-Flügel, der ohnehin keinen edlen Ton hat?

Erst im letzten Satz, einem Variationssatz, gelingt ein gutes Zusammenspiel. Hier kann der Pianist ohnehin wegen der überaus schnellen Läufe, die er zusammen mit dem Orchester hinlegen muß – besonders im Finale – kaum das Pedal benutzen. So gelingt alles zur allgemeinen Bewunderung. Langer Applaus erfordert eine Zugabe: Piotr Anderszewski erfreut mit der Sarabande aus der Partita Nr. 6 e-moll, BWV 830 von Johann Seb. Bach. Sie gelingt ihm mit großem Wohllaut, viel Pedal und noch mehr Rubati.

paris-chamber-orchestraNach der Pause dann die B-Dur Sinfonie von Franz Schubert, die in ihrer Leichtigkeit und Heiterkeit ihresgleichen sucht. Vladimir Jurowski und die phänomenalen Instrumentalisten des Chamber Orchestra of Europe geben ihr Schwung und tänzerisches Gepräge, die im Mittelsatz des Menuetts, das in seiner Motivik an Arien von Rossinis Oper La donna del lago erinnert, ihren Höhepunkt haben. Rossinis Faible für Schubert ist ja bekannt.

Nach Klatschmarsch geben die fabelhaften Orchestermusiker und ihr Dirigent Jurowski Benjamin Brittens Sarabande aus dessen 1934 mit 21 Jahren für ein Schulorchester in Norwich geschriebener Simple Symphonie. Die beiden volkstümlichen Themen (besonders das zweite) sind von berückender Schönheit. Dynamik, seelenvolle Interpretation, besonders der Violoncelli, selbst die gezupften Violinen können kaum runder, wohltönender und wärmer dargeboten werden. Das letzte, das morendo (ersterbender Klang) treibt einem Tränen in die Augen. Unvergeßlich sowohl Orchester als auch Dirigent.

Dr. Olaf Zenner

Bilder: Dirigent, Vladimir Jurowski und Chamber Orchestra of Europe, Wikipedia

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