HERZOG BLAUBARTS BURG, SENZA SANGUE – Hamburg Staatsoper

von Béla Bartók (1881-1945), Oper in einem Akt, Librettto: Béla Balázs, UA: 24. Mai 1918, Budapest, Königliches Opernhaus

Senza sangue

von Péter Eötvös (geb. 1944), Oper in einem Akt, Librettto: Mari Mezei, UA: 1.Mai  2015 Köln, Philharmonie

Regie: Dmitri Tcherniakov, Bühne: Dmitri Tcherniakov, Kostüme: Elena Zaytseva, Licht: Gleb Filshtinsky, Dramaturgie: Johannes Blum

Dirigent: Péter Eötvös, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Solisten: Angela Denoke (La donna), Sergei Leiferkus (L’uomo), Bálint Szabó (Herzog Blaubart), Claudia Mahnke (Judith),

Besuchte Aufführung: 6. November 2016 (Premiere, in italienischer und ungarischer Sprache)

Kurzinhalt

hamburg-senza_sangue_102Senza sangue

Drei Soldaten erschießen aus Rache einen Militärarzt und seinen Sohn. Ein Soldat sieht seine kleine Tochter im Keller, aber verschont sie und sagt den anderen nichts. Als der Soldat ein alter Mann geworden ist, trifft er auf eine Frau, in der er das Mädchen erkennt. Sie unterhalten sich über ihre Leben. Die Frau verzichtet am Ende auf Rache und geht mit dem Mann in ein Hotel.

Blaubart

Judith läßt alles hinter sich, um mit Blaubart auf seine Burg zu gehen. Sie überredet ihn, alle Türen der Burg zu öffnen, hinter der sich Blaubarts Geheimnisse verbergen. Am Ende entdeckt sie seine vier früheren Frauen, die den Tageszeiten entsprechen. Als Frau der Nacht schließt sich Judith ihnen letztendlich an.

Aufführung

Beide Einakter gehen bruchlos ineinander über, es gibt also keine Pause. Auch sind die jeweiligen Figurenpaare ähnlich gekleidet und frisiert. Am Ende des Abends werden durch das visuelle Motiv des Erkennens beide Opern verklammert. In beiden Opern bleibt das Bühnenbild jeweils gleich: ist es in Senza Sangue ein in traumhaftes Licht getauchter Platz mit einigen Komparsen, einer Ampel und einem Cafe, ist es in hamburg-blaubart_189Herzog Blaubarts Burg ein das Bühnenbild verkleinernendes zeitloses Hotelzimmer. Die sieben Räume von Blaubarts Burg werden komplett psychologisch gedeutet und auf der Bühne daher nicht dargestellt. Die gesamte Handlung konzentriert sich nur auf Judith und Blaubart. Erst gegen Ende wird auf die Wände des Hotelzimmers eine Art Seelenlandschaft projiziert. Hat die Figurenführung im Blaubart etwas von einem Kammerspiel, bewegen sich die Personen in Senza Sangue wie in Zeitlupe, wodurch das gesamte Geschehen etwas Unwirkliches bekommt.

Sänger und Orchester

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg präsentiert sich unter dem dirigierenden Komponisten Péter Eötvös an diesem Abend in erstklassiger Verfassung. Die Handschrift des Ungarn ist in beiden Werken klar zu erkennen. Musikalische Motive wie der Tränensee aus Harfe, Pauke und Bläsern in Blaubart erzeugen in ihrer Plastizität Gänsehaut. Auch wird Bartóks moderner Stil sprechend getroffen. Auch beim eigenen, gemäßigt modernen und gut zugänglichen Stil von Eötvös erlaubt man sich keine Ausrutscher. Dynamisch flexibel und vor allem in den Blechbläsern treffsicher erklingt aus dem Orchestergraben Beeindruckendes.

Trotz mittlerweile hohen Alters – sein L’uomo ist mit 72 Jahren nur zwei Jahre älter als er selbst – ist Sergei Leiferkus stimmlich noch höchst präsent. In der Diktion ist er eine Spur sprechender als Angela Denoke, doch beide verkörpern ihre Rollen mit der traumwandlerischen Distanz eines Traumas, das sie in einem früheren Leben prägte. Gestalterisch subtil zeigt Denoke, wie es unter der Oberfläche ihrer Figur brodelt.

Bálint Szaboá und Claudia Mahnke dürfen im Blaubart dann extrovertierter gestalten, weil sich hier alles offen um Emotionen und den psychischen Konflikt dreht. Mahnke und Szaboá wirken darstellerisch wie stimmlich noch präsenter und farbenreich, was aber der Stimmung des Stückes geschuldet sein mag. Besonders bei Mahnke beeindruckt zudem die Souveränität, mit der sie als Nichtmuttersprachlerin den ungarischen Text bewältigt.

Fazit

Es ist ein Abend mit schwerer Kost, der sich aber in jeder Hinsicht definitiv lohnt. Keine Buhs aus dem Publikum, auch nicht für das Regieteam, das eine saubere Arbeit ablieferte. Besonders viel Applaus gab es zurecht für das Orchester unter Eötvös, das geradezu Mustergültiges zustande brachte.

Dr. Aron Sayed

Bilder: Monika Rittershaus

Die Bilder zeigen: Senza sangue: Angela Denoke (La donna), Sergei Leiferkus (L’uomo), Kompaserie

Blaubart: Claudia Mahnke (Judith), Bálint Szabó (Herzog Blaubart)

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