Münchner Opernfestspiele, Bayerische Staatsoper

Les Indes Galantes – Die galanten Indianer

von Jean-Philippe Rameau (1683-1764), Ballett-Oper in einem Prolog und vier Akten, Libretto: Louis Fuzelier, UA: 23. August 1735 Paris, Académie royale de musique

Regie und Choreographie: Sidi Larbi Cherkaoui, Bühne: Anna Viebrock, Kostüme: Greta Goiris

Dirigent: Ivor Bolton, Münchner Festspielorchester, Balthasar-Neumann-Chor, Freiburg, Choreinstudierung: Detlef Bratschke

Solisten: Lisette Oropesa (Hebe/Zima), Goran Juric (Bellone), Ana Quintans (Amour/Zaire), Elsa Benoit (Emilie), Cyril Auvity (Valere/Tacmas), François Lis (Huascar / Alvar), Tareq Nazmi (Osman/Ali), Anna Prohaska (Phani/Fatime), Mathias Vidal (Carlos/Damon), John Moore (Adario)

Besuchte Aufführung: 30. Juli 2016 (Prinzregententheater)

muenchen-festivalKurzinhalt

Es ist wie im Paradies: Hebe, die Göttin der Jugend, erfreut sich am Spiel der Liebespaare. Doch um einen Streit mit der Kriegsgöttin Bellone zu schlichten, entsendet Amour Gefolgsleute in weit entfernte Länder, um „Formen der Liebe“ zu erkunden.

Im ersten Aufzug Der großmütige Türke widersteht Emilie den Avancen des Paschas Osman, da sie Valère liebt. Dieser befindet sich unter versklavten Schiffbrüchigen. Der Pascha verzichtet auf Emilie und schenkt seinem Rivalen die Freiheit. Im zweiten Aufzug Die Inkas in Peru begehrt Huascar, Hohepriester der Sonne, die Prinzessin Phani, doch sie sucht den spanischen Konquistador Don Carlos. Huascar wird bei einem Erdbeben während des Sonnenfestes von einem Felsbrocken erschlagen und Don Carlos gewinnt die Prinzessin. Der dritte Aufzug Blumen, persisches Fest ist eine Eifersuchtsgeschichte zwischen dem Prinzen Tacmas, seinem Freund Ali und Zaïre und Fatima. Aus Anlaß eines Blumenfestes löst sich der Streit in Wohlgefallen auf. Der vierte Aufzug Die Wilden spielt in den Wäldern der Neuen Welt und zeigt die Auseinandersetzungen zwischen französisch-spanischen Truppen und nordamerikanischen Indianern. Die Invasion kann verhindert werden, Adario bekommt Zima. Zum Happy-End kehren die Beteiligten ins Paradies zurück.

Aufführung

Wir sehen einen Tag in heutiger Zeit in einem historischen Völkerkundemuseum: Besucher kommen und gehen, Gruppen werden geführt, eine Schulklasse wird unterrichtet, eine andere Schulklasse kampiert in einer eigenhändig montierten Holzhütte, Dekorationen in Vitrinen werden mit „lebenden Puppen“ aufgebaut und wieder geändert, Schaukästen werden verschoben, eine Hochzeitsgesellschaft feiert, ein Doppelschrank wird als Beichtstuhl oder Doppeltoilette genutzt, die Ausgangstür wird belagert und gestürmt, ein Altar aufgebaut und eine Messe gefeiert. Getanzt wird dabei viel, und es wird auch eine USA- Flagge geschwenkt.

Sänger und Orchester

Eine wichtige Frage bei solchen barocken Opernproduktionen ist die Frage, auf welchen Instrumenten gespielt wird. In diesem Fall spielt das Orchester auf den üblichen Instrumenten (Stichwort „Streicher mit Stahlsaiten“), ergänzt durch Cembalo, Theorbe und Musette de Cour. Letztere ist eine historische französische Sackpfeife, im Klangbild einem Dudelsack nicht unähnlich. Eigentlich handelt es sich um Orchestermitglieder des Orchesters der Münchner Staatsoper, die mit Barockinstrumente ergänzt werden und unter dem Namen Münchner Festspielorchester firmieren. Daher ist es nicht wirklich überraschend, daß es Ivor Bolton nicht gelingt, das Orchester in Richtung barocker Klangwelten zu führen und für eine eindrucksvolle Untermalung des Bühnengeschehens zu sorgen.

Die Solisten, teilweise in Mehrfachrollen, können sängerisch den hohen Anforderungen des französischen Barockgesangs und die dabei nötigen Freiheiten in Phrasierung und Verzierung nicht wirklich gerecht werden. Es handelt sich durchwegs um junge Nachwuchssänger am Anfang ihrer Kariere, teilweise im Ensemble der Münchner Staatsoper. Keiner von ihnen ist wirklich auf alte Musik spezialisiert. Für alle beteiligten ist es die erste Auseinandersetzung mit französischem Barock und speziell mit Jean-Philippe Rameau. Für wirklich alle – inklusive Ivor Bolton.

Fazit

Das ist also die erste Auseinandersetzung der Münchner Staatsoper mit der Opernwelt von Jean-Philippe Rameau sowie dem französischen Barock überhaupt. Musikalisch sollte man von einem führenden Opernhaus wie auch für eine Vorstellung der Münchner Opernfestspiele deutlich mehr erwarten können. Darüber hinaus befremdet es auch, daß man mit im französischen Barock unerfahrenen Nachwuchskräften arbeitet, auch wenn man offensichtlich bemüht ist, eigenen Kräfte aus dem Ensemble einzusetzen. Hier wäre eine Hinzuziehung französischer Spezialisten, Solisten und Orchesterensembles dringend ratsam gewesen. Vielleicht wären dann der Zauber der Klangwelten Rameaus und seine Wirkung auf den Sonnenkönig Ludwig XV. deutlich geworden.

Szenisch war diese Umsetzung eine komplette Verweigerung gegenüber der Handlung, die in weiten Teilen auch Befremden ausgelöst hat. Einziger Pluspunkt ist, daß die Ballettmusiken nicht gestrichen, sondern mit einer eigenen Ballettkompagnie aufgeführt werden. Das Publikum ist interessiert und spendet freundlichen Applaus.

Oliver Hohlbach

Bild: Wilfried Hösl

Das Bild zeigt: Ana Quintans (L’Amour/Zaire)

Veröffentlicht unter Aktuelles, München, Staatsoper