PARSIFAL – Berlin, Staatsoper im Schiller Theater

von Richard Wagner (1813-1883), Bühnenweihfestspiel in drei Akten, Libretto: Richard Wagner, UA: 25. Juli 1882 Bayreuth, Festspielhaus

Regie, Bühne: Dmitri Tcherniakov,: Kostüme: Elena Zaytseva

Dirigent: Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin, Staatsopernchor und Gäste, Choreinstudierung: Martin Wright.

Solisten: Wolfgang Koch (Amfortas), Matthias Hölle (Titurel), Rene Pape (Gurnemanz), Tomas Tomasson (Klingsor),  Andreas Schager (Parsifal), Waltraud Meier (Kundry), Natalia Skrycka (Stimme aus der Höhe), u.a.

Besuchte Aufführung: 28. März 2016 (Berliner Festtage)

Berlin Parsifal


Kurzinhalt

Amfortas leidet an einer Verletzung, die er bei dem Raub des heiligen Speers durch Klingsor erlitten hat. Nur durch die Berührung mit dem heiligen Speer ist Heilung möglich – durch „einen reinen Toren“. Gurnemanz hält Parsifal für den „reinen Tor“ und nimmt ihn mit in die Gralsburg. Als er sich getäuscht sieht, setzt er Parsifal vor die Tür. Parsifal findet den Zaubergarten Klingsors mit seinen verführerischen Mädchen. Als auch Kundry ihn nicht halten kann, versucht Klingsor ihn mit dem Speer zu bannen. Parsifal ergreift den Speer, der Zaubergarten versinkt. Parsifal kehrt zurück zu den Gralsrittern, die von Amfortas fordern, den Gral zu enthüllen, doch Amfortas will lieber sterben. Parsifal heilt die Wunde mit dem Speer und enthüllt den Gral.

Aufführung

Die Bühne zeigt eine heruntergekommene Säulenhalle mit Türen, die ins Nirgendwo führen. Es könnte sich um eine heruntergekommene Gralsburg in einer kalten Gebirgsgegend handeln, mit Gralsrittern, die ihr Kleidungsproblem mit Recycling lösen. Oder ein russisches Kriegsgefangenenlager, ein Gulag irgendwo in der sibirischen Tundra, in das die Einsamkeit eingezogen ist. Parsifal kommt mit einem großen Trekkingrucksack und Armbrust. Kundry scheint auch zu den Insassen zu zählen, denn sie trägt genauso wie die Blumenkinder Kleider mit Blumenmuster, die den gleichen Gralsraum bevölkern. Die kleinen Kinder wie die großen Mädchen werden von Klingsor gefüttert und man frägt sich, ob er der Vater ist? Der Zaubergarten geht nicht unter, die Blumen laufen weg. Wagners mystische Gralszenen sind keine, sondern eher obskure Versammlungen vermummter Existenzen.

Sänger und Orchester

Der unangefochtene Star im Star-Ensemble ist Waltraud Meier, die angekündigt hat, an diesem Abend zum letzten Mal die Kundry zu singen. Auch nach 33 Jahren gelingen ihr immer noch verführerisch zarte Pianos, die im Orchesterklang zu schweben scheinen. Manchmal trifft sie einen keifigen, hämischen Ton, kann aber die Stimme zum Fortissimo ausfahren ohne die Gesangslinie zu verlieren. Die Klage Und lachte wird auf immer ihr unvergeßliches Markenzeichen bleiben. Ihr Gegenspieler Andreas Schager als Parsifal hat sich zu einem der führenden Heldentenöre entwickelt. So zeigt er strahlenden Glanz, auch in der Höhe Durchschlagskraft und klingt doch immer unangestrengt und leuchtend. Ebenfalls ein Star dieser Tage ist Rene Pape. Sein Gurnemanz gerät zum wortgewaltigen Epos, sein „Basso cantante“ verfügt über eine weiche, warme, aber dennoch volltönende und durchschlagsstarke Stimme, die immer präsent ist und einen nachdenklichen Menschen zeichnet. Ebenfalls auf eine lange Kariere kann Matthias Hölle zurück blicken. Als schwerer Baß kann er dem Titurel immer noch eine sonore und ehrbare Würde geben. Am Ende einer schweren Saison scheint Wolfgang Koch zu sein. Sein Amfortas ist ein leidender Mensch, ihm fehlt aber Lautstärke und Durchschlagskraft, gerade auch in den verzweifelten Situationen, ebenso jedes Leuchten in der Höhe oder Tiefe. Tomas Tomasson ist mit seiner leicht rauhen Stimme ein Heldenbariton. Seine harte Tiefe zeugt von seiner Vergangenheit als Baß. Sein Klingsor wird so zu einer ebenbürtigen Hauptrolle. Daniel Barenboim zelebriert das weihevolle Pathos der musikalischen Gralswelt wie eine symphonische Dichtung: Teilweise langsame Tempi wechseln mit raschen Tempi ab. Seine Passagen im Fortissimo klingen nicht hart und blechern, sondern ausgewogen und monumental. Er ermöglicht den Solisten die Möglichkeit, ihre Gesangslinien optimal zu gestalten, Wortverständlichkeit wird so möglich. Ebenso brillant die Zusammenarbeit mit dem Chor, der sich harmonisch in den Orchesterklang einfügt ohne die Gralszenen zu dominieren.

Fazit

Unterschiedlicher kann die Publikumsgunst nicht ausfallen: Einhelliger Jubel für die musikalischen Protagonisten, äußerste Zurückhaltung für die Inszenierung, die über weite Strecken gegen das Bühnenweihfestspiel Richard Wagners gerichtet ist. Zumal die zahlreichen Regieeinfälle aneinandergereiht immer weniger Sinn ergeben, geschweige denn eine andere Sichtweise. So bringt Gurnemanz Lichtbildervortrag über den Gral und das Reiterstandbild, das Kundry mitbringt, kein Licht ins Dunkel – das hat man auch schon anderswo gesehen!

Musikalisch ist der Bühnenabschied von Waltraud Meier von der Rolle der Kundry eine würdige Feier: Viele Ansprachen würdigen ihre Leistung, Daniel Barenboim geht auf die lange Zusammenarbeit seit 1983 ein – das war die gemeinsame Premiere Heiner Müllers Tristan in Bayreuth. Ein Abend, der aus mehreren Gründen denkwürdig ist!

Oliver Hohlbach

Bild: Staatsoper im Schiller Theater

Das Bild zeigt: Die Grals Szene im Finale 1. Akt

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