WIENER BLUT – München, Theater am Gärtnerplatz

von: Johann Strauß, Operette in drei Akten, Text: Viktor Léon und Leo Stein UA: 26. Oktober 1899, Wien, Carltheater

Regie: Nicole Claudia Weber, Bühne: Karl Fehringer, Judith Leikauf, Kostüme: Marie-Luise Walek

Dirigent: Michael Brandstätter, Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

Solisten: Hans Gröning (Fürst Ypsheim-Gindelbach), Tilman Unger (Balduin Graf Zedlau), Cornelia Horak (Gabriele Gräfin Zedlau), Ella Tyran (Demoiselle Franziska Cagliari), Wolfgang Hübsch (Kagler), Jasmina Sakr (Pepi Pleininger), Daniel Prohaska (Josef, Diener des Grafen Zedlau)

Besuchte Aufführung: 1. Dezember 2014 (Premiere)

München WienerblutKurzinhalt
Während seine Frau in der Wiener Gesellschaft unterwegs ist, hält sich Grad Zedlau auf dem Landgut eine feste Geliebte: Franziska Cagliari. Als die Gräfin an das Schloß zurückkehrt, droht die Affäre aufzufliegen. Fürst Ypsheim-Gindelbach, der Vorgesetzte von Zedlau, hält die Gräfin versehentlich für die Geliebte und gibt sie als seine eigene Frau aus, um Zedlau zu helfen. Diese spielt die Komödie mit und klärt den Fürsten erst auf dem Ball des Grafen Bitowski auf. Als die Gräfin und Franziska feststellen, daß sich der Graf auf dem Ball mit noch einer anderen Frau – Pepi, der Freundin seines Dieners Josef – verabredet hat, verbünden sie sich, um ihm eine Lektion zu erteilen. Franziska verführt den Fürsten, der Graf kehrt zu seiner Frau zurück und Pepi zu Josef. Zusammen besingen die drei glücklich vereinten Paare das „Wiener Blut“.

Aufführung
In der Mitte des Raumes wurde eine Drehkonstruktion in Form eines weißen Tempelschlosses im klassizistischen Stil nachgeahmt. Die Eingangstreppe wurde während des ersten und zweiten Aktes als Schauplatz genutzt, im zweiten bildeten rankende Weintrauben über dem Schloß die Laube. Die Kostüme wurden originalgetreu aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts gewählt. Die Ballkleider der Damen waren sehr elegant verziert, mit Stickereien in Pastell-Farben und mit durchsichtigen Schleiern über den Unterkleidern, die Herren trugen die typischen Fräcke und Uniformen des Österreichischen Kaiserreichs. Der Text zwischen den Singstücken wurde bewußt im Wiener Dialekt gesprochen, Untertitel gab es keine.

Sänger und Orchester
Schon zur Ouvertüre wird man von Michael Brandstätter abgeholt: ein majestätischer, schreitender Walzertakt mit einem sehr nuancierten poco a poco accelerando entführte in die Strauß’sche Wiener Gesellschaft. Der erste Auftritt von Daniel Prohaska (Diener Josef) fügte sich mit seinem charmanten Schauspiel als bemühter Diener sehr gut in diese Stimmung ein. Mit seinem klirrend-scharfen Bariton akzentuierte er den Wiener Dialekt, man konnte aber jede einzelne Silbe des Gesangs sehr dank seiner bestechend klaren Intonation gut verstehen. Leider war es bei seinen Mitsängern oft nicht möglich, den Text so genau zu verstehen . Ella Tyran (Franziska Cagliari) überzeugte mit einem schillernden Vibrato in ihrem warm gefärbten Sopran; besonders in der Arie Ich kann mich nicht beklagen legte sie sich mit perfektem Stimmschluss seidig-geschmeidig in die Spitzentöne. Auf gleich hohem Niveau, aber mit noch mehr Abwechslungsreichtum sang Cornelia Horak (Gräfin Zedlau) in der Paraderolle. Ihr verspielter, kühler Sopran war schnörkellos und im Vergleich zu Tyrans ohne ein starkes Vibrato. In der Arie Grüß dich Gott, du liebes Nesterl sang sie die Wechsel von hohen zu tiefen Tönen mit einem sehr akzentuierten Ausdruck und rhythmischer Perfektion, dabei wirkte sie nie angestrengt. Das konnte man von ihrem männlichen Mitsänger Tillmann Unger (Graf Zedlau) nicht behaupten. Besonders im berühmten Duett  Wiener Blut  im zweiten Akt fiel seine Leistung ab: während Horak die Anfangstöne im Pianissimo und sotto voce ansetzte, um sich viel Spielraum zur Steigerung zu schaffen, gelang es ihm nicht, so viel Dynamik in den Gesang zu bringen. Sein Tenor klang gleichlaut im Mezzoforte und oft etwas angestrengt. Das wunderschöne Timbre seiner Stimme (ein metallisch-scheppernder Tenor) kam nicht so gut zur Geltung, da er sehr kehlig sang und den Klang oft verschluckte. Erwähnenswert ist aber auch Jasmina Sakrs (Pepi Pleininger) Darbietung: ihr schlanker, ebenfalls sehr klarer Sopran legte sich grazil in die schwungvollen Partien der Lieder, während sie auch tänzerisch und komödiantisch eine gute Figur machte. Hans Gröning (Fürst Ypsheim-Gindelbach) sang mit einem sehr aufrichtigen und knatternden Bassbariton, dabei betonte er den etwas tollpatschigen Minister oft mit weit aufgerissenen Augen und erstauntem Gesichtsausdruck. Für den typischen Operetten-Klamauk sorgten vor allem noch die Sprechgesangsrollen von Wolfgang Hübsch (Kagler) und  Harald Hofbauer (Graf Bitowski). Hübsch torkelte betrunken über die Bühne und mimte den besorgten Vater der Cagliari mit faselnder Stimme. Hofbauer sorgte als im Rollstuhl-fahrenden lüsternen Hallodri, der jedes Röckchen hinterherschaute ebenfalls für einige Lacher im Saal.

Fazit
Neben den musikalischen Höhepunkten (hier sind auf jeden Fall die Sopranistinnen die Stars des Abends) ist es einfach mal wieder schön, eine Oper in originalgetreuer Fassung zu sehen. Ein fantasievolles Bühnenbild, wunderschöne Kostüme und eine herrlich lustige Inszenierung machen diese Produktion zu einer runden Veranstaltung. Ein paar Untertitel wären zwar schön gewesen, denn man konnte den starken Wiener Dialekt nicht immer zu 100 % verstehen. Aber der Wiener Charme sprühte über: unbedingt hingehen!

Melanie Joannidis

Bild von: Christian POGO Zach

Das Bild zeigt: Cornelia Horak (Gräfin), Tilman Unger (Graf Zedla), Statisterie

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