Nürnberg, Staatstheater – PROVA D’ORCHESTRA

von Giorgio Battistelli (*1953), Sechs musikalische Szenen vom Ende des Jahrhunderts von Giorgio Battistelli nach dem gleichnamigen Film von Federico Fellini, UA: 1995, Straßburg.
Regie: Immo Karaman, Bühnenbild: Timo Dentler
Dirigent: Guido Johannes Rumstadt, Nürnberger Symphoniker, Chor des Staatstheaters Nürnberg
Solisten: Jochen Kupfer (Dirigent), Richard Kindley (1. Violine), Sybille Witkowski (1. Cello), Christopher Lincoln (1. Klarinette), Leah Gordon (Harfe), Rüdiger Krehbiel (Tuba), Ezgi Kutlu (1. Posaune), Heidi Elisabeth Meier (2. Violine), Anna Alas i Jove (1. Trompete), Ntombizodumo Mahlaba (2. Schlagzeuger), Klaus Brummer (1. Schlagzeuger), Vladislav Solodyagin (Kopist), Stefan Hippe (Akkordeonspieler), Thoams Klenk (2. Dirigent)
Besuchte Aufführung: 14. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
nurnberg-prova-orchetra.jpgEin Symphonieorchester probt. Das Fernsehen will mitschneiden, es kommt zum Streit über zusätzliches Honorar. Der Dirigent will mit der Probe beginnen, doch der Streit geht weiter, man pflegt seine Eitelkeiten. Als die Situation eskaliert macht man eine Pause, doch die Streitigkeiten steigern sich weiter. Der Dirigent zweifelt an den Fähigkeiten des Orchesters, nur noch gegenseitiger Haß hält Dirigent und Orchester zusammen. Nach der Pause attackiert das Orchester den Dirigenten, will ihn durch ein Metronom oder Selbstverwaltung ersetzen. Plötzlich kommt es zu einer Katastrophe, in deren Verlauf die Harfenistin zu Tode kommt. Im allgemeinen Entsetzen rauft man sich wieder zusammen – und spielt in einem Ton, der die Farbe des Feuers hat.
Aufführung
In einem abstrakt gehaltenen Bühnenbild, das möglicherweise die Probenräume mit der heutigen gesellschaftlichen Realität verknüpfen soll, beginnt die – zusammen mit dem Stadttheater Bern entstandene – Inszenierung in einer bedrohlichen Atmosphäre. All die üblichen Witze über die Befindlichkeiten der Orchestermusiker dürfen Revue passieren. Der als deus ex machina vom Schnürboden herabgleitende Dirigent ist eine Persiflage auf die heutigen Stabschwinger, die sich für Halbgötter halten. Der Konflikt eskaliert, die Orchestermitglieder (nur die Verpackungen ihrer Instrumente sind auf der Bühne zu sehen) fordern Autonomie und Selbstverwaltung. Es werden Assoziationen mit der Welt der roten Brigaden oder der italienischen Kommunistenbewegung wach – wie bei Fellinis Film. Auch der Streik in den deutschen Theatern wegen der Entlohnung der Mitglieder findet mit roten V.E.R.D.I.- Fahnen Erwähnung. Die Katastrophe bricht sich in der Gestalt King Kongs Bahn, der die Kiste der Harfe umwirft und die Harfenistin tötet. Man befreit den Dirigenten, den man mit heruntergelassener Hose auf einen Kopierer gesetzt hat, und nimmt die Probe wieder auf. Ein zweiter Dirigent taucht vom Schnürboden mit Unterstützung King Kongs auf und macht die Verwirrung komplett: Wie wird die Probe enden? Kann man sich mit der Gewerkschaft einigen? Ein offenes Ende droht!
Sänger und Orchester
Guido Johannes Rumsteadt gelingt eine überaus pointierte Umsetzung des Werkes des Avantgarde-Künstlers Battistelli. Es gehört schon sehr viel Fingerspitzengefühl dazu, die vielen musikalischen Zitate klar herauszuarbeiten. So sind bestimmte Komponisten oder Werke den einzelnen Darstellern der Instrumente zugeordnet, dem Dirigenten beispielsweise das Holländer-Motiv von Richard Wagner. Die Musik erreicht zwar nicht wirklichen Tiefgang, aber als kurzweilige Untermalung der streitenden Parteien ist sie hervorragend geeignet, sie rückt Battistelli in die Nähe der Neuklassiker. Eine tragende Rolle hat der Dirigent, der von Jochen Kupfer hervorragend gesungen wird. Ebenso Klaus Brummer als Schlagzeuger bzw. Gewerkschafter, der die Rolle mit viel Arroganz, Lautstärke und Durchschlagskraft anlegt. In den übrigen Rollen können sich die kleineren Ensemblemitglieder und Mitglieder des Opernstudios Nürnberg beweisen.
Fazit
Frenetischer Applaus für alle Darsteller, Orchester und vor allem das Regie-Team als Dank für einen bunten und kurzweiligen Abend, der uns recht amüsant die verschlungenen Wege der Gedankengänge Fellinis näher brachte. Die Oper erreicht hierbei die gleiche Qualität wie der Film Fellinis – nur mit mehr Musik – und hält der Welt den Spiegel vor: Überall Streit um nichts!?!
Oliver Hohlbach

Bild: Ludwig Olah
Bildlegende: Die Katastrophe: King Kong greift an und tötet die Harfenistin.

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