Kiel, Opernhaus – L´ITALIANA IN ALGERI – DIE ITALIENERIN IN ALGIER

von Gioachino Rossini (1792–1868), Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Angelo Anelli, UA: 22. Mai 1813, Teatro San Bernedetto, Venedig
Regie: Thomas Enzinger, Bühne: Norbert Ziermann, Kostüme: Veronika Lindner
Dirigent: Johannes Willig, Philharmonisches Orchester Kiel, Herrenchor
Solisten: Kemal Yaşar (Mustafà, Bey von Algier), Lesia Mackowycz (Elvira, Frau des Mustafà), Merja Mäkelä (Zulma), Kyung-Sik Woo (Haly), Chien-Chi Lin (Lindoro), Marina Fideli (Isabella), Jörg Sabrowski (Taddeo) u. a.
Besuchte Aufführung: 14. März 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
kiel-italienerin.jpgAlgerien Anfang des 19. Jahrhunderts. Mustafà ist seiner Frau Elvira überdrüssig. Er sehnt sich nach Abwechslung mit einer leidenschaftlichen Italienerin, die ihm sein Vertrauter Haly zuführen soll. Die verstoßene Elvira soll mit Mustafàs italienischem Lieblingssklaven Lindoro verheiratet und nach Italien abgeschoben werden. Lindoro jedoch hat nur Gedanken für seine italienische Geliebte Isabella. Haly ist es gelungen, ein Schiff zu kapern. Wie es der Zufall will, befinden sich unter den Gefangenen Lindoros Geliebte Isabella, sowie ihr Gefährte Taddeo. Haly stellt seinem Herren die schöne Isabella vor, was dazu führt, daß der Bey außer sich ist vor Begierde. Derweil haben Lindoro und Elvira akzeptiert, nach Italien abgeschoben zu werden. Beim Abschied sehen sich Lindoro und Isabella unerwartet wieder. Um Isabella zu beeindrucken, ernennt Mustafà Taddeo, der fälschlicherweise für Isabellas Onkel gehalten wird, zu seinem Stellvertreter namens Kamaikan. Isabella denkt sich eine List aus, indem sie als Zeichen ihrer Liebe Mustafà als ihren Pappataci würdigt. In Wirklichkeit darf ein Pappataci nur schweigen und essen. Da Mustafà diese Lebensweise beschworen hat, ist er seiner Macht enthoben und den versklavten Italienern gelingt die Flucht. Isabella und Lindoro können sich in die Arme schließen und der zum Narren gehaltene Mustafà geht zu seiner Frau zurück.
Aufführung
Während des Vorspiels blickt der Zuschauer auf ein sich bewegendes welliges Mittelmeer, das an die Wand projiziert wird. Schon gleich am Anfang schafft das Dramma giocoso Unterhaltung: Durch den teildurchsichtigen Vorhang ist ein nur mit Badehose bekleideter Mustafà zu sehen, der sich seiner Dusche widmet. Nachdem sich Mustafà mit einem Handtuch, auf dem ein großes rotes M prangt, abgetrocknet hat, geht der Vorhang auf, und es ist ein Tempelbühnenbild mit orientalischen Wandmalereien zu erkennen. Dieses Grundbild bleibt für den Rest der Aufführung bestehen, wird aber durch viele Abänderungen aufgelockert: Dem Zuschauer wird ein sich badender, mit Schaum bedeckter Mustafà geboten. Darüber hinaus sieht man Mustafà verherrlichende Statuen und Plakate, durch Kleidung und Aussehen glitzernde und strahlende Haremsdamen, einheitlich gekleidete Sklaven, die sich zum Schluß zu italienischen Fußballern umkleiden, eine Kanone, die das Flugzeug Isabellas abschießt, ein Löwe, der seine Späße mit Taddeo treibt und ein Sternenhimmel, der durch einen auf dem Fahrrad trampelnden Sklaven zum Leuchten gebracht wird.
Sänger und Orchester
Kemal Yaşar (Mustafà) kann durch seinen Körperkult, seine Körperpflege und seine naive Harmlosigkeit umsetzen, was die Rolle ihm vorschreibt. Aber auch sein Baß hat in den Tiefen eine durchdringende Wirkung auf den Zuhörer. Lesia Mackowycz‘ Spezialität als Elvira ist es, so oft wie möglich in Ohnmacht zu fallen, jedoch überträgt sich dieser Zustand (vielleicht auch gewollt) auf ihre manchmal zu leise und nicht kräftig genug wirkende Stimme. Chien-Chi Lin (Lindoro) kann mit der sanften Klangfarbe seiner Stimme überzeugen, aber verkörpert die langweiligste und am wenigsten markanteste Rolle dieser Inszenierung. Allein Marina Fidelis (Isabella) erster Auftritt ist außergewöhnlich: Sie schwebt als Bruchpilotin vom Himmel. Daß sie die Männer in der Hand hat, bemerkt man an ihrem aufreizenden roten Kleid, ihrem italienischen Temperament und hört man in ihrer fordernden, durchdringenden Stimme. Nur ihr Garderobenwechsel in einen schlichten weißen Hosenanzug paßt nicht zu ihrer Rolle, weil sie dadurch wie eine Geschäftsfrau, und nicht wie eine leidenschaftliche Italienerin wirkt. Jörg Sabrowski (Taddeo) verwirklicht seine komische Rolle durch Tollpatschigkeit, witzige Mimik und ungenaue Leichtigkeit in seiner stimmlichen Interpretation. Unübertroffen bleiben die Septette am Ende jeden Aktes mit den beiden weiteren Darstellern Merja Mäkelä (Zulma) und Kyung-Sik Woo (Haly): Mit der Tonmalerei In meinem Kopf läutet ein Glöckchen din-din, schlägt ein Hammer tak-tak, macht eine Kanone bum-bum, ich mache wie eine gerupfte Krähe kra-kra gelingt es den Sängern, mit ihren Stimmen den Raum zu füllen, wodurch ein wildes Durcheinander und die perfekte Verwirrung entstehen.
Fazit
Das Stück lebt von lustigen und liebevollen Details und die Summe daraus bewirkt perfekte Abend-Unterhaltung und dafür belohnenden, begeisterten Applaus des Publikums.

Frederike Arns

Bild: Olaf Struck
Das Bild zeigt Marina Fidelis (Isabella) und Kemal Yaşar (Mustafa).

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