38. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Almira – Königin von Castilien

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oper in drei Akten, Libretto: Friedrich Christian Feustking, UA: 1705 Hamburg, Theater am Gänsemarkt

Regie: Jetske Mijnssen, Bühne/Kostüme: Ben Baur, Dramaturgie: Kerstin Schüssler-Bach

Dirigent: Alessandro De Marchi, Academia Montis Regalis

Solisten: Klara Ek (Almira), Melissa Petit (Edilia), Rebecca Jo Loeb (Bellante), Wolf Matthias Friedrich (Consalvo), Manuel Günther (Osman), Viktor Rud (Fernando), Florian Spiess (Raymondo), Sara-Maria Saalmann (Tabarco) u.a.

Besuchte Aufführung: 16. August 2014 (in deutscher Sprache und italienischer Arien)

L’Orontea

von Pietro Antonio Cesti (1623-1669), Oper in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Hiacinto Andrea Cicognini, UA: 1656 Innsbruck,

Neues Hoftheater (Komödienhaus) am Rennweg

Regie: Stefano Vizioli, Kostüme Anna Maria Heinreich, Choreographie: GloriaGiordano

Dirigent: David Bates, La Nuova Musica

Solisten: Giuseppina Bridelli (Orontea), Solen Mainguene (Silandra), David Hernandez Anfruns (Aristea), Anat Edri (Giacinta), Fernando Guimares (Alidoro), Michal Czerniawski (Corindo), Jeffrey Francis (Creonte), Giorgio Celenza (Gelone), Aurora Faggioli (Tibrino)

Besuchte Aufführung: 24. August 2014 (Open Air im Innenhof der Theologischen Fakultät)

Narciso

von Domenico Scarlatti (1685-1757), Oper (Dramma per musica) in 3 Akten, Libretto: Pietro Antonio Rolli nach Carlo Sigismondo und den Metamorphosen des Ovid, UA: 1720 London, King’s Theatre, Haymarket

Regie/Bühne: Davide Livermore Kostüme: Mariana Fracasso

Dirigent: Fabio Bondi und Europa Galante

Solisten: Maite Beaumont (Narciso), Chiara Osella (Eco), Hyekyung Choi (Pocri), Valentine Buzza (Aristeo), Federica Alfano (Cefalo)

Besuchte Aufführung: 31. August 2014

Aufführung

Das Bühnenspiel deutet in Almira eher auf eine Art Kostümfest hin und weniger auf eine Liebesposse. Während das Bühnenbild nur aus einem rechteckigen Raum besteht, der sich mit Türen oder einem Vorhang öffnen und schließen läßt, wechseln die Kostüme zwischen Renaissance, Barock und Gegenwart: Königin Almira könnte Elisabeth I. und Queen Victoria gleichzeitig sein, während ihre Staatsdiener eher moderne Anzüge tragen. Tabarco, der das verwirrende Spiel steuert, wird als Engelchen Amor dargestellt, der immer wieder in die Handlung eingreift. Zum Schluß präsentiert er dann stolz die drei Liebespaare.

Sänger und Orchester

Alessandro De Marchi hat das richtige Gespür für barocke Effekte, die Arien sind so gestaltet, daß sie nie den Spannungsbogen verlieren, so daß man den Da-Capo-Teil mit Spannung erwartet. Das erfordert natürlich auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Solisten heraus. Für Klara Ek als Almira gibt es eine zusätzliche Herausforderung: In dieser Oper taucht zum ersten Mal ein musikalisches Thema auf, eine würdevoll einherschreitende Melodie im Stil einer Sarabande, als Tanz von Asiatern. Später wird Händel dieses Thema wieder aufgreifen, in Rinaldo wird daraus die Arie Lascia ch’io pianga mia cruda sorte– Laß mich beweinen mein grausames Schicksal. De Marchi zeigt Sarabande und Arie im Vergleich beider Bearbeitungen, was äußerst spannend zu hören ist. Weniger spannend war, wie Klara Ek mit dieser Arie umgeht: Das Piano wirkt brüchig, Einfühlsamkeit und nachdenkliche Gestaltungsmöglichkeiten fehlen großteils. Das ist wirklich schade, denn mit den übrigen Arien, die früher entstanden sind, kommt sie recht gut zurecht. Melissa Petit gibt der Edilia eine jugendlich helle Stimme, während Rebecca Jo Loeb die Bellante als jugendliche Naive anlegt. Wirkliche Durchschlagskraft müssen beide nicht aufbringen. Wolf Matthias Friedrich  ist ein recht anspruchsloser, etwas farbloser Baß, kann aber Consalvo als würdevollen Amtsträger gestalten. Manuel Günther (Osman) bringt seinen Tenor in hell leuchtende Höhe und besonders in „verzweifelten Momenten“ kann er mit Durchschlagskraft Glaubwürdigkeit erzielen. Viktor Rud (Fernando) wird im Programmheft als „Baritenor“ bezeichnet, das dürfte, nach seiner Leistung, ein Bariton sein. Florian Spiess mit eher heller Baßstimme als Raymondo und Sara-Maria Saalmann (Sopran) als Tabarco runden das Ensemble ab. Die Academia Montis Regalis ist ein bestens eingestelltes Barockorchester ohne Vibrato in den Streichern, dafür mit den entsprechenden barocken „Spezialinstrumenten“ wie Theorbe oder Viola da Gamba. Unter der Leitung von De Marchi entstehen barocke Klangwolken, die sich einfach anhören, da sie den hohen Anforderungen an die Händelsche Klangsprache jederzeit gerecht werden. Solisten werden nie zugedeckt, pianissimo sind immer möglich, Koloraturen mit dem passenden Tempo für den Sänger vorbildlich unterstützt.

Innsbruck orontea3Die Open-Air Aufführung der Oper L’Orontea im Innenhof der Theologischen Fakultät ist Teil des Projektes BAROCKOPER:JUNG. Mit Hilfe dieses Projektes will man das Interesse des jungen Publikums gewinnen und entsprechend peppig wird das Stück im „theatergerechten Rahmen“ der Gewölbe und Arkaden choreographiert. Entsprechend jung auch das Ensemble: Diese sind Teilnehmer des Internationalen Gesangswettbewerbes für Barockoper „Pietro Antonio Cesti“ und nützen die romantischen Melodien in einer offenen musikalischen Form, um mit individueller Phantasie und jugendlich dynamischer Gestaltungskraft das Publikum zu unterhalten, was dem Countertenor Michal Czerniawski schon fast alleine gelang. Die sängerischen Leistungen der am Anfang ihrer Karriere stehenden Solisten sind entsprechend verheißungsvoll.

Narciso, eine mythische Liebesgeschichte, wird in die Gegenwart versetzt, als Träger dient der bildgewaltige Film The Grand Budapest Hotel als „Grand Hotel Arkadia“. Die Kulisse wird durch zwei durchs Bild tänzelnde Pagen und Videos überlagert, mit einem Wald voller Nebel oder Schnee, Wasser und Wellen, oder einem großen stillen Kaminfeuer.

Kurzinhalt

Dabei geht es darum, daß Prinz Cefalo und Aristeo die Königin Procri umschmeicheln. Der hinzu kommende Narciso wirbt auch um sie, verliebt sich aber in das Spiegelbild der Wassernymphe Eco. Am Ende feiern Personal und Hotelgäste die beiden Liebespaare mit einem etwas eigentümlichen Schluß: .Wer Freude ohne Schmerzen will, der wird nicht viel von Liebe verstehen.

Sänger und Orchester

Maite Beaumonts beweist als nach Liebe suchender Narziß, daß sie als Geheimtip für höhere Aufgaben gilt. Zu Recht hochgelobt Chiara Osella als liebeshungrige stimmgewaltige Nymphe Eco. Valentino Buzza als Aristeo wirkt ungenau und etwas zu grobschlächtig in der tenoralen Stimmführung. Die Hosenrolle des Prinzen Cefalo gestaltet Federica Alfano glaubhaft. Hyekyung Choi singt die Rolle der Königin Procri mit fein ausgesteuertem, gefühlvollem Sopran. Fabio Biondi spielt Violine und leitet nebenbei sein Ensemble Europa Galante, welches dem Anspruch seines Namens gerecht wird. Domenico Scarlattis Musik kommt sehr gut zur Geltung, Schwächen in der Harmonik werden ausgebügelt, alles wirkt wie aus einem Guß, manchmal mit breitem Tempo sehr kräftig. Der Höhepunkt ist das Finale des zweiten Akts mit dem trauernden Eco. Die Melodien bleiben jedoch wenig in Erinnerung. Wer diese umjubelt gefeierte Produktion verpaßt hat, der hat noch einmal Gelegenheit dazu: sie wird zwischen 22. und 31.Mai 2015 noch viermal gespielt.

Fazit

Ein erfolgreicher Festspielsommer geht zu Ende. Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2014 boten ein reichhaltiges Programm mit drei Opern, einem Rahmenprogramm u.a. mit Konzerten und einen Gesangswettbewerb. Alle Opernvorstellungen waren ausverkauft, das Publikum lautstark zufrieden. Seit 2010 ist Alessandro De Marchi als Nachfolger von René Jacobs Leiter der Festwochen, und es ist ihm nun gelungen, die Festwochen weiterhin zu einem der führenden Festivals zur Pflege der Barockmusik in Österreich/Deutschland zu machen. Für die historische Aufführungspraxis fühlt man sich (noch nicht?) zuständig. Modernes Regietheater kann man auch im Repertoire Betrieb anderer Theater sehen.

Oliver Hohlbach

Bild: Rupert Larl

Das Bild zeigt: von links: Anat Edri (Giacinta), Solen Mainguené (Silandra), Fernando Guimarães (Alidoro), Giuseppina Bridelli (Orontea)

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