Gera, Bühnen der Stadt – MOSKAU, MOSKAU

von Dmitri Schostakowitsch , musikalische Komödie in drei Akten, Libretto von Wladimir Mass und Michail Tscherwinski, UA:24. Januar 1959, Operettentheater Moskau
Regie: Steffen Piontek; Bühnenbild/Kostüme :Mike Hahne; Choreographie: Peter Werner-Ranke
Dirigent: Jens Troester, Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Opernchor und Ballett von Theater & Philharmonie Thüringen
Solisten: Franziska Rauch (Lidotschka), Serge Novik (Boris), Hugo Wieg (Semjon Semjonowitsch Baburow), Kai Wefer (Alexander Petrowitsch Bubenzow), Franziska Faust (Mascha), Nadja Mchantaf (Ljusja), Carsten Lau (Sergej Gluschkow), Günther Markwarth (Drebednjow), Katrin Strocka (Wawa), Bernhard Hänsch (Hausverwalter)
Besuchte Aufführung: 6. Februar 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
gera-moskau.jpgIm Museum für Geschichte und Wiederaufbau Moskaus treffen zufällig Museumsführer Sascha, dessen Frau Mascha, die Historikerin Lidotschka, ihr Vater Baburow, der Chauffeur Sergej und dessen Freund Boris aufeinander, als die Nachricht eintrifft, daß das Dach eines Altbaus in der „Warmen Nebengasse“ eingestürzt sei. Sascha, Lidotschka und ihr Vater wohnen in diesem Haus und werden nun von der Regierung kurzerhand in das Neubaugebiet „Tscherjomuschki“ (Kirschblütensiedlung) umquartiert. Dort angekommen, verweigert der korrupte Hausverwalter Barabaschkin die Herausgabe der Wohnungsschlüssel. Er steckt mit dem wichtigtuerischen Funktionär Drebednjow unter einer Decke. Angestachelt von dessen jungen Ehefrau Wawa möchte er seinen Wohnraum vergrößern. Um Lidotschka, durch die Intrige obdachlos geworden, aufzumuntern kreieren ihre Freunde einen Zaubergarten im Innenhof der Siedlung. Eine verzauberte Parkbank, auf welcher man immer die Wahrheit spricht, sorgt für die nötigen Liebeserklärungen von Sergej und Ljusja, sowie Boris und Lidotschka. Ihr Vater kann durch eine Beschwerde an höchster Stelle den Wohnungsraub beenden und sorgt somit für ein glückliches Ende und den beruflichen Abstieg von Drebednjow und Barabaschkin.
Aufführung
Eine kahle Museumshalle mit großen Betonsäulen links und rechts beherrscht die Szene im ersten Akt. Drei einzelne Schaukästen mit Ausstellungsstücken aus der russischen Geschichte ziehen die Aufmerksamkeit einer buntgemischten Reisegruppe in bunten russischen Bauerntrachten auf sich: die Frauen zum Teil in orientalisch wirkenden Gewändern mit Schleiern und die Männer in Gummistiefeln, geschnürten Leinenhemden und schweren Wollwesten. In riesigen Filzpantoffeln über den Schuhen schlürfen die Gäste durch den Raum. Einziger Störfaktor in der Museumshalle ist ein Stück aufgebrochener Betonboden. Er dient immer wieder als Stolperfalle oder Podest während der einzelnen Musiknummern. In einem grasgrünen Auto älteren Modells wird die Fahrt durch Moskau imitiert. Die Tänzer in olivgrünen Uniformen zeigt dabei die verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Stadt in Form von Pappmodellen. Tscherjomuschki wird als triste, graue Plattenbausiedlung mit fünfstöckigen Betonbauten, ohne irgendeine Grünfläche präsentiert. Im Hintergrund ist ein Arbeiter-Bauern-Denkmal zu erkennen. Der Zaubergarten besteht aus vier Kirschblütenbäumen in dem das in rosafarbenen Kostümen gekleidete Ballet mit Blüten geschmückt erschein.
Sänger und Orchester
Das Sängerensemble zeigte sich allgemein spiel- und sangesfreudig und ließ die Operette durch komisch-pantomimische Mimik und Gestik leben, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. So zeigten sich Kai Wefer und Franziska Faust als frisch verheiratetes Ehepaar von einer besonders komischen Seite, sängerisch fehlte beiden allerdings an Stimmvolumen. Selbst bei stärkstem Piano des Orchesters hatte man Schwierigkeiten, Text und Melodie nachvollziehen zu können. Franziska Rauch spielte die unerfahrene und romantische Lidotschka mit viel Leidenschaft und Bühnenpräsenz. Sie beherrschte sowohl das mädchenhafte Schmollen als auch die empörte Spröde oder romantisch Verliebte. Den gesanglichen Wechsel von aufbrausender zu melancholischer Stimmung vollzog sie souverän. Lediglich bei schnellen wiederholten Gesangsstellen wirkte ihr Singen monoton und flach. Serge Novique war ihr sowohl stimmlich als auch darstellerisch mit seinem weichen, dennoch klaren Bariton ein würdiger Partner. Der sonore, samtige Baß von Hugo Wieg als Barburow schmeichelte dem Ohr besonders und sorgte zwischen den ansonsten tänzerisch, schwungvollen Nummern für melancholische Ruhepunkte. Die Rolle der stolzen, dickköpfigen Ljusja, dargestellt durch Nadja Mchantaf, war der stimmliche Höhepunkt des Abends: Unter den vielen verschiedenen eher spielerischen Stimmen des Ensembles stach ihr glasklarer, hohe Sopran durch besonders fließende, unforcierte Tonführung hervor. Des weiteren bemerkenswert war Katrin Strocka als arrogante und wichtigtuerische Wawa. Ihr Registerwechsel und Atemtechnik war tadellos. Sie mimte mit viel Witz die Zickige. Der Opernchor bewies einen runden Gesamtklang und zeigte durch die in der Partitur vorgesehene Individualisierung der einzelnen Chorsänger zu Paaren bzw. Einzelpersonen besondere Spielfreude sowie tänzerisches Talent.
Dirigent Jens Troester brachte das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera an diesem Abend zum Leuchten. Er paßte seine dynamisch-musikalische Führung den verschiedenen Sängern an und gestaltete den Gesamtklang transparent.
Fazit
Die Sowjet-Satire im Dreivierteltakt durchmischt mit Balkanklängen und versteckten Jazzmomenten lebt vor allem durch Situationskomik, Slapsticks und die Balletteinlagen. Für Schostakowitsch-Liebhaber stellt sie wahrscheinlich ein musikalisch eher ungewöhnliches Erlebnis dar.

Josephin Wietschel

Bilder: Stephan Walzl
Das Bild zeigt den Chor ganz zu Beginn des Stückes.

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