TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG – Kassel, Staatstheater

von Richard Wagner (1813-1883), Große romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: R. Wagner, Dresdner Fassung mit Bacchanal, UA: 1845 Dresden

Regie: Lorenzo Fioroni, Bühne und Video: Paul Zoller

Dirigent: Patrik Ringborg, Staatsorchester Kassel, Opern- und Extrachor des Staatstheaters Kassel, Chor CANTAMUS, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti

Solisten: Hee Saup Yoon (Landgraf Hermann), Paul McNamara (Tannhäuser), Stefan Zenkl (Wolfram), Johannes An (Walther), Marc-Olivier Oetterli (Biterolf), Musa Nkuna (Heinrich), Krzysztof Borysiewicz (Reinmar), Kelly Cae Hogan (Elisabeth), Ulrike Schneider (Venus), LinLin Fan (Hirt), u.a.

Besuchte Aufführung: 27. April 2013 (Premiere)

Kurzinhalt
Der Minnesänger Tannhäuser hat lange Zeit im Venusberg zugebracht, dem legendären Zufluchtsort der Liebesgöttin. Tannhäuser verläßt sie, als er der erotischen Ekstase überdrüssig wird. Von seinen Freunden und künstlerischen Konkurrenten wird er überredet auf die Wartburg zu einem Sängerwettstreit zurückzukehren. Thema des Wettstreits ist das Wesen der Liebe, der Preis wird von Elisabeth, der Tochter des thüringischen Landgrafen, vergeben, die Tannhäuser in Zuneigung ergeben ist. Während seines Beitrags gesteht Tannhäuser jedoch seinen Aufenthalt im Venusberg, und, nur dank des Eintretens Elisabeths, darf er sein Leben behalten. Die daran geknüpfte Bedingung ist,  nach Rom zu pilgern und für seine Verfehlung beim Papst um Absolution zu bitten. Doch der Papst überantwortet Tannhäuser der ewigen Verdammnis, vor der ihn Elisabeths Opfer durch ihren Tod errettet.

Aufführung
Das Einheitsbühnenbild besteht aus drei Seitenwänden, die eine Halle umgeben. Auf der rechten Seite befindet sich eine Rampe, die ein Vorhang abschließt. Dahinter befindet sich ein Balkon, der zu sehen ist, wenn die Drehbühne die Rückseite nach vorne fährt. Ein weiterer Vorhang gibt den Blick frei auf einen Gang hinter der Rampe, in dem ein Kruzifix und ein Papstbild hängen. In der Halle steigt eine große Party, die Gesellschaft trägt gehobene Abendgarderobe, wie Smoking oder Pelz. Zum Sängerfest kommen die Märchenfiguren der Gebrüder Grimm zusammen, vom Froschkönig bis zu den sieben Zwergen. Während der Romerzählung erscheint die Partygesellschaft in zerrissener und verschmutzter Kleidung, Pilger sind nicht zu sehen.

Sänger und Orchester
Paul McNamara verfügt über einen lyrisch weichen Tenor, allein ihm fehlt das Standvermögen und auch manchmal die Technik, um die vertrackten Sprünge in der Gesangslinie sauber zu treffen. Er leidet zum einen unter dem verhaltenen Dirigat von Patrik Ringborg, der Wagners Frühwerk auf das Niveau des Spätwerks bringen will. Allein die Substanz wird doch einige Male brüchig, zumal man die einfachere Orchestrierung der Dresdner Fassung spielt. Da stellt sich auch die Frage, warum man das Bacchanal spielt, aber kein Ballett zu sehen ist, sondern nur eine unbewegliche Projektion. Ebenso schwierig für McNamara als Tannhäuser ist seine Gegenspielerin Kelly Cae Hogan (Elisabeth), vor allem im Dialog nach der Hallenarie Oh Fürstin.  Kelly Cae Hogan hochdramatischer, stark fokussierender Sopran überdeckt den lyrischen Tenor gnadenlos. Zurückhaltende leisere Momente finden sich auch im Gebet der Elisabeth Allmächtige Jungfrau nicht. Eine „einfachere“ Besetzung wäre hier angebracht gewesen, wie Ulrike Schneider, die mit zurückhaltendem warmen Mezzo eine teuflisch verführerische Venus gestaltet. Die verzweifelten Rufe zeigt sie auch im Forte. Stefan Zenkl gelingt ein sehr einschmeichelnder Wolfram. Er verfügt über einen durchschlagskräftig geführten, dennoch sehr beweglichen lyrischen Bariton, der die unterschiedlichen Stimmungslagen der Rolle auslotet. Hee Saup Yoon gestaltet mit seinem sicher durch alle Tiefen geführten Baß den Landgraf Hermann auch sängerisch als eine Führungsrolle. Johannes An kann den Kurzauftritt des Walther im Sängerkrieg mitreißend gestalten: Er verfügt über eine strahlende baritonale Mittellage, seine Höhen muß er sich erstemmen. Die größte Freude macht dem Publikum der Auftritt von LinLin Fan als junger Hirt. Mit ihrer glockenklaren, technisch sicheren Höhe, die sich trotzdem noch füllig anhört, bietet sie sich für höhere Weihen an. Der verstärkte Chor kann aufgrund der harmonischen Einheit begeistern, gleiches gilt auch für den Kurzauftritt des Kinderchores.

Fazit
Im Schlußbild werden die Szenenbeschreibungen Richard Wagners eingeblendet, die mit der dargestellten Handlung nichts zu tun haben. Man sieht eine verkaterte Partygesellschaft anstelle des Leichenzugs Elisabeths. Das liberale und dem Regietheater aufgeschlossene Kasseler Publikum reagiert, ob dieser ungeheuren Provokation unwillig und fertigt die Inszenierung in einer bisher ungekannten Heftigkeit ab. Die musikalische Leistung wird hingegen einhellig bejubelt.

Oliver Hohlbach

Bild: N. Klinge

Das Bild zeigt: Paul McNamara (Tannhäuser) und Ulrike Schneider (Venus)

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