Erfurt, Theater – DER RICHTER UND SEIN HENKER

von Franz Hummel; Oper (in 12 Szenen und 1 Vorspiel); Text von Sandra Hummel; Uraufführung und Auftragswerk des Theaters Erfurt.
Regie/Choreographie: Rosamund Gilmore, Bühne/Kostüme: Carl Friedrich Oberle
Dirigent: Gerd Herklotz, Philharmonisches Orchester und Opernchor Erfurt
Solisten: Petteri Falck (Bärlach), Marwan Shamiyeh (Tschanz), Alice Rath (Anna), Robert Wörle (Gastmann), Mate Solyom-Nagy (Frau Schönler), Dario Süß (Lutz), Olaf Müller (Dürrenmatt), Manuel Meyer (Pfarrer), Stefan Wey (von Schwendi), Reinhard Becker (Diener) u.a.
Besuchte Vorstellung: 8. November 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
erfurt-der-richter-und-sein.jpgDie Handlung orientiert sich am Kriminalroman Der Richter und sein Henker von Friedrich Dürrenmatt, ein linearer Handlungsfaden ist allerdings nicht zu finden. Nach Vorspiel im Niemandsland bringt Dürrenmatt nach und nach seine Figuren ins Spiel: Kommissar Tschanz ist im Gespräch mit der gebrochenen Anna, der Verlobten des ermordeten Polizisten Schmied. Gastmann und Kommissar Bärlach streiten über den Zufall: Vor Jahren konnte Bärlach einen Mord nicht nachweisen, nun will er Gastmann durch einen Zufall zu Fall bringen. Polizeichef Lutz erkundigt sich bei Bärlach über dessen Gesundheitszustand, der nicht zum Besten ist, und den Fortgang der Ermittlungen. Anna hängt Ihren Gedanken über Ihren toten Verlobten nach. Tschanz sinniert über seinen toten Kollegen, den er um seine Bildung und die schöne Anna beneidete. Auf einer Party bei Gastmann entdecken die reichen Gäste, daß der tote Schmied in ihren Kreisen als Dr. Prantl ermittelte. Bärlach verkündet Gastmann sein nahes Ende, er würde für ein Verbrechen gerichtet, das er nicht begangen hat. Gastmann verlacht ihn. Tschanz versucht sich Anna zu nähern, wird aber von Bärlach zurückgewiesen. Nach einem Albtraum Bärlachs ist Tschanz entschlossen, den Mörder selbst zu stellen. Das Finale findet vor offenen Gräbern statt: Vor der Leiche Tschanz, der sich erhängt hat, kommt es zu einem grotesken Totentanz.
Aufführung
Den Handlungsverlauf der Textvorlage nur vage andeutend, lenkt die Oper die Blicke vor allem in die Abgründe jenseits des kriminalistischen Plots – werden die psychischen und physischen Leiden jeder einzelnen Figur hör- und sichtbar. Soweit die Erläuterungen des Komponisten und des Textdichters, des Ehepaares Hummel, abgedruckt in der Theaterzeitung.
Nur zusammen mit der Inhaltsbeschreibung wird verständlich, warum von einer geradlinigen Handlung nicht geredet werden kann. Aber auch die Inszenierung von Rosamund Gilmore kann die Motivation der Handelnden nicht erläutern. Es wird keine Spannung erzeugen. Insgesamt weist das Stück ermüdende Längen auf, allein die abschließende Beerdigungsszene zieht sich mehrere Minuten hin. Auch führt die Doppelung der Hauptrollen mit den Tänzern als Schatten zu einem regelrechten Gewimmel auf der Bühne und zu erheblichen Irritationen im Publikum, z.B. als sich die Schatten gemeinsam zum Sterben auf den Boden legen und gelangweilt (?) auf den Boden klopfen, geht die Handlungslinie in Verwirrung unter. Daher wäre der Titel „Sieben Darsteller suchen eine Handlung“ eher angebracht. Etwaige Ähnlichkeiten mit Dürrenmatts Werk bleiben selten und rein zufällig.
Sänger und Orchester
Über die Leistungen der Sänger kann man wenig sagen, da zum einen das Stück über weite Teile im Parlando- oder Sprechgesang läuft, zum anderen aufgrund der Inszenierung elektronisch verstärkt wurde, obwohl die Akustik des Hauses normalerweise ausgezeichnet ist.
Das Orchester unter der Leitung von Gerd Herklotz untermalte über weite Strecken nur den Sprechgesang und konnte nur in der Begleitung der Solostücke überzeugen und seine Leistungsstärke unter Beweis stellen. Ein solches Solostück war die Glanznummer des Stückes, das Mate Solyom-Nagy als Frau Schönler (unterstützt durch ihren Schatten Michael Kitzeder) unter starkem Beifall bzw. Gelächter des Publikums vortrug: Vom Himalaja blickt man herunter. Das hatte zwar nichts mit dem Stück zu tun, aber der Tanzauftritt der beiden als Reinigungsduo mit Staubsauger war wirklich unterhaltsam. Auch musikalisch kann man dieses Solostück als kompositorischen Höhepunkt bezeichnen – zusammen mit den Brücken am Bosporus und dem Solothurner Polizistenlied. Auch ein kurzer Auftritt einer Blas- und Jazzkapelle war zwar musikalisch bewegend, doch für den Fortgang des Stücks weniger wichtig. Die gute Leistung der Alice Rath als Anne, die ein großes Pensum hatte, muß man an dieser Stelle lobend erwähnen.
Fazit
Trotz des großen Aufwandes und redlichsten Bemühens des Theaters Erfurt nur freundlich verhaltener Beifall für ein Scheitern auf mittlerem Niveau. Nietzsche kritisierte einmal die von ihm ungeliebten Wagner-Opern als Ignoranz auf allen Ebenen. Von Langeweile hat er aber nichts gesagt.
Das Stück erreicht leider nie das Niveau der Erzählung Dürrenmatts. Es ist eher dem absurden Theater mit slapstickhaften Revueeinlagen zuzurechnen. In dem angekündigten Zyklus der Literaturopern des Theaters Erfurt ist es kein Glanzpunkt.

Oliver Hohlbach
Bild: L. Edelhoff
Das Bild zeigt: Die Beerdigungsszene zum Schluß mit Regenschirmen

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