Leipzig, Oper – DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

von Richard Wagner (1813-1883); Romantische Oper in drei Aufzügen, Dichtung vom Komponisten; Uraufführung: 2. Januar 1843 in Dresden.
Regie: Michael von zur Mühlen, Bühnenbild: Natascha von Steiger, Kostüme: Dorothee Scheiffarth
Dirigent: Leopold Hager, Gewandhausorchester und Chor der Oper Leipzig
Solisten: James Moellenhoff (Donald), Edith Haller (Senta), Michael Baba (Erik), Susan Maclean (Mary), Dan Karlström (Steuermann), Wolfgang Brendel (Holländer), Peggy Plätzer (Südwind, Engel)
Besuchte zweite Vorstellung: 14. November 2008 ( Premiere am 11. Oktober)

Kurzinhalt
leipzig-fliegender-hollande.jpgDas Schiff des Daland sucht Schutz vor einem Sturm in einer Bucht. Während die Mannschaft ruht, landet auch das Schiff des Holländers, der einst die Natur und Gott herausgefordert hatte und dazu verdammt ist, ewig auf See zu sein. Alle sieben Jahre darf er an Land, um eine Frau zu finden, die ihn durch ihre Treue erlöst. Deshalb wirbt er bei Daland um dessen Tochter Senta. Daland, beeindruckt von den Schätzen des Holländers, stimmt zu.
Die Mädchen zuhause erwarten singend und spinnend die Rückkehr ihrer zur See fahrenden Liebsten. Senta bittet ihre Amme Mary vom Fliegenden Holländer zu erzählen, sie fühlt sich berufen, den „armen Mann“ zu erlösen. Senta wird vom jungen Jäger Erik umworben. Plötzlich erscheint ihr Vater mit dem Holländer, und sofort verlieben sich beide ineinander. Man rüstet zum Hochzeitsfest. Herausfordernd will man auch die Mannschaft des Holländers einladen, doch aus dem Schiff schallt nur beängstigendes geisterhaftes Dröhnen zurück. Erik erinnert Senta, daß sie ihm Treue gelobt habe, was Senta erschrocken leugnet. Der Holländer hat das Gespräch mitgehört und ist sich sicher, daß Senta ihm nicht die erhoffte Treue halten kann und eilt zu seinem Schiff. Doch Senta setzt ihm nach, verkündet ihm treu bis zum Tod zu sein und stürzt sich vom Felsen ins Meer.
Vorbemerkung
Selten wurde eine Premiere so heftig in der Presse kritisiert, hier wegen brutaler Videofilme im Hintergrund. Daraufhin wurde die nächste Vorstellung abgesetzt, zwei besonders blutrünstige Video-Filme gestrichen und James Johnson gab wegen des Gelächters des Publikums bei seiner Auftritts-Arie seine Titel-Rolle zurück: Das Publikum kann mit schwarzen Engelsflügeln für den Holländer nichts anfangen. So fand die Erstaufführung der geänderten Fassung mehr als einen Monat nach der Premiere statt.
Aufführung
Die Inszenierung von zur Mühlen dreht sich um zwei Aussagen: Zum einen geht es darum, daß der Holländer durch die Häusermeere unserer Zeit streift, in denen Daland und seine Mannschaft (eben die Menschheit) zu stranden droht. Die Damenwelt dagegen wird kritisiert, daß sie für die Ernährung durch Fleisch steht – und für die Fleischversorgung durch Schlachthöfe. Die Untermalung durch Filmszenen, die die industrielle Massentierhaltung kritisiert, geht allerdings in einer Gewalt- und Blut-Orgie unter. Die gestrichenen Filmeinspielungen stammen aus diesem Bereich, hingegen lies die beeindruckende Untermalung des Anfangs mit Autolichtern auf innerstädtischen Autobahnen noch Hoffnung aufkommen. Auch die Darstellung der Beziehung zwischen Senta und Holländer als völlig lieblos und nur von Daland erzwungen, hatte einen gewissen Aussagewert. Aber spätestens die personifizierte Erscheinung des Südwinds als leichtes Mädchen nach ach lieber Südwind blase doch lies Zweifel aufkommen.
Sänger und Orchester
Einen Monat nach der Premiere besteht schon wieder dringender Probenbedarf: Im Zusammenspiel liegen Orchester, Chor und Solisten teilweise um Takte auseinander. Starke Unsicherheiten auch im Orchester in fast allen Stimmgruppen, ein ungewöhnlicher Vorgang für das Gewandhausorchester und unverständlich gegenüber den bisherigen Vorstellungen der Oper Leipzig.
Eine sichere Bank ist dagegen der Chor und die Solisten. Sie bieten eine solide Leistung!. Umjubelter Star des Abends ist James Moellenhoff , Mitgliede der Leipziger Oper, als Daland, der mit seinem Baß eine wohltönende Tiefe erreicht, in der Höhe keine Probleme hat und die Rolle überzeugend stimmlich und darstellerisch gestalten kann. Mindestens genauso gut ist der Einspringer Wolfang Brendel in der Titelrolle, der bezüglich der Inszenierung deutlich kritische Distanz zeigte. Entdeckung des Abends ist Michael Baba als Erik, der mit einem zart schmelzenden lyrischem Tenor auch im forte die Herzen der Zuhörer im Sturm eroberte. Edith Haller ist ein dramatischer Sopran, der technisch sicher in der Ballade glänzen konnte, jedoch manchmal eine Schärfe in der Höhe zeigt. Dan Karlström ist als Nachwuchssänger mit dem Steuermann auf dem richtigen Weg, wenn er auch eher mit Pfeife und Muskelshirt beeindruckte.
Fazit
Dieser Holländer ist keinesfalls ein Theaterskandal, sondern eine äußerst schwache Vorstellung, die vom Publikum mit Gelächter quittiert wird. Und der inflationäre Einsatz nichtssagender Videofilme und des weiblichen Nackedeis waren nach anfänglicher Erheiterung spätestens nach der dritten wackelnden Runde über die Bühne deutlich überzogen: Der Gedanke an Laientheater kam auf.

Oliver Hohlbach
Bild: Andreas Birkigt: Das Bild zeigt Senta mit dem Weltuntergang

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