Heidelberg, Städtische Bühne – PHAEDRA

von Hans Werner Henze ; Konzertoper in zwei Akten; Libretto: Christian Lehnert; UA 6. September 2007, Berlin
Regie: Daniel Cremer; Bühnenbild: Ben Baur; Kostüme: Amélie Sator; Beleuchtung: Ralph Schanz; Dramaturg: Ulrich Volz;
Dirigent: Dietger Holm, Orchester: Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg
Solisten: Carolyn Frank (Phaedra); Maraile Lichdi (Aphrodite); Yosemeh Adjei (Artemis); Emilio Pons (Hippolyt); Alejandro Armenta (Minotaurus)
Besuchte Aufführung: 1. November 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
heidelberg-phaedra.jpgPhaedra, die Gattin des Theseus, liebt ihren Stiefsohn, den Jäger Hippolyt. Als sie diesem, von der Göttin Aphrodite bestärkt, ihre Liebe gesteht, weist er sie zurück. Phaedras Liebe schlägt in Haß um, und sie beschuldigt Hippolyt bei ihrem Gatten, er habe sie vergewaltigt. Daraufhin veranlaßt Theseus den Tod seines Sohnes durch den Meeresgott Poseidon. Von Reue- und Verlustgefühlen geplagt, tötet Phaedra sich schließlich selbst. Artemis, die Göttin der Jagd, verleiht Hippolyt neues Leben und hält ihn am See von Nemi in ihrem Heiligtum gefangen. Phaedra dagegen versucht gemeinsam mit Aphrodite, Hippolyt in die Unterwelt zu locken. Am Ende befreit Hippolyt sich selbst aus der Manipulation und wird zum Waldgott Virbius. Der wiedergeborene Minotaurus verkündet einen Neuanfang und das gesamte Ensemble singt gemeinsam: Wie sind nackt geboren. Wir dingen zur Sterblichkeit vor und tanzen…
Aufführung
Der sehr junge Regie- und Bühnenteam Daniel Cremer/Ben Baur nehmen Henzes Gattung „Konzertoper“ beim Wort und gestalten die Bühne gleich einem Konzertsaal. Das Vokalquartett steht in Alltagskleidern hinter den mit Namensschildern versehenen Pulten, das Orchester ist samt ihrem Dirigenten auf der Bühne plaziert. Die Sänger reden zwischen ihren Gesangspassagen miteinander, schreiben sms oder erledigen Einkäufe. Doch aus dem Alltag und der teilweise chaotischen Probe entwickelt sich ein Theaterspiel, denn die Sängerin der Phaedra verliebt sich in den Sänger des Hippolyt. Eine Mischung aus dem antiken Mythos Phaedra und einer verselbständigten Handlung beginnt.
Phaedra verteilt in ihrer Verzweiflung Blumenerde im Konzertsaal, eine Partitur wird zerrissen, die Bühne immer dreckiger und chaotischer. Schließlich spinnt Phaedra ihre Intrige gegen Hippolyt bildlich, indem sie gemeinsam mit Aphrodite den ganzen Raum mit goldenem Faden durchzieht, auch Hippolyt wird damit gefesselt. Der Umzug des Orchesters in den Bühnengraben, der die Pause ersetzt, verdeutlicht die Verlegung des zweiten Aktes in die Unterwelt. Es fehlt auch in der zweiten Hälfte der Inszenierung nicht an eindrücklichen Auftritten: Den der Aphrodite in goldenem Gewand beispielsweise, die in einer Art Aufzug von oben erscheint oder den Tanz der Götter mit antiken Masken am Hain von Nemi.
Eingebaute Klangelemente wie das Zirpen von Zikaden oder das Knattern einer Motorsäge sind von Henze vorgesehen, werden in der Inszenierung aber noch durch Elemente wie das Abspielen des Nessun Dorma (aus Turandot von G. Puccini) mittels eines Handys scherzhaft erweitert.
Die Inszenierung versucht, den Begriff der „Konzertoper“ zu definieren und die Leidenschaft, das Leben des Opernstoffes sowie der Musik zu vermitteln. Sie wirkt dabei aber (beispielsweise durch dazu gedichtete englische Texte) zu unruhig und verdrängt die Atmosphäre einer Aufführung immer wieder mit dem Bild einer unkoordinierten Probe.
Sänger und Orchester
Sowohl Carolyn Frank (Phaedra) mit facettenreichen Mezzosopran wie auch Maraile Lichdi (Aphrodite) begeistern durch stimmlich herausragende Leistungen und meistern besonders ihre gemeinsamen Passagen harmonisch und wohlklingend. Yosemeh Adjei (Artemis) gelingt es als Countertenor leider nicht zu überzeugen, die hohen Töne klingen unnatürlich und gepreßt. Emilio Pons (Hippolyt) dagegen glänzt mit einer vollen, ungezwungen anmutenden Tenorstimme, scheint sich aber mit der Opferrolle des Hippolyt nicht ganz identifiziert zu haben und wirkt eher arrogant als fremdgesteuert. Alejandro Armenta (Minotaurus), liefert ein rollengemäß kleines, aber sehr souveränes Debüt am Heidelberger Theater. Das Orchester, das vor allem durch aufwendiges Schlagwerk und viel Blech auffällt, spielte unter seinem Dirigenten Dietger Holm, der ähnlich einem Spielmeister alles zusammenhielt, von filigran bis dramatisch sehr einfühlsam und voller Rücksicht auf die hinzugefügten Texte des Vokalensembles.
Fazit
Eine sehr ungewöhnliche Inszenierung, die teilweise verwirren konnte, vom Publikum aber mit langem Applaus und vielen Lachern über eingebaute Scherze aufgenommen wurde und auf den zweiten und dritten Blick immer sinnvoller erscheint.
Leonore Kratz
Bild: Markus Kaesler, das Bild zeigt Aphrodite und Hippolyt.

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