LO SPEZIALE – DER APOTHEKER- Brühler Schloßkonzerte, Haydn-Festival

von Joseph Haydn (1732–1809), Dramma giocoso in drei Akten, unbekannter Bearbeiter nach dem Libretto von Carlo Goldoni (1752), UA: 28. September (?) 1768 Schloß Eszterháza, Opernhaus

Dirigent: Andreas Spering, Capella Augustina

Solisten: Daniel Johannsen (Sempronio, Apotheker), Golda Schultz (Grilletta, sein Mündel), Sebastian Kohlhepp (Mengone), Sophie Harmsen (Volpino)

Besuchte Aufführung: 17. August 2012  (Konzertant, Treppenhaus Schloß Augustusburg)

Vorbemerkung

Schloß Augustusburg mit seinen Park- und Gartenanlagen wurde kürzlich in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Im weltberühmten Treppenhaus von Balthasar Neumann in prächtigstem Rokoko gestaltet, findet seit über fünfzig Jahren Konzerte statt.

Die 1958 von Helmut Müller-Brühl gegründeten Schloßkonzerte wurden Ende 1995 an Andreas Spering übertragen. Dieser gehört als Cembalist und Dirigent zu den führenden Spezialisten für Alte Musik. Er gründete die Capella Augustina, mit der er die Aufführungen größtenteils bestreitet.

Seit der Spielzeit 2002 stellt Andreas Spering alljährlich den Komponisten Joseph Haydn ins Zentrum seiner programmatischen Arbeit. Damit gibt es in Brühl das einzige Haydn-Festival Deutschlands. Zehn Tage lang präsentieren sich hier jedes Jahr im August die renommiertesten Haydn-Interpreten und stellen das umfangreiche Werk des Wiener Komponisten aus unterschiedlichsten Blickwinkeln vor.

Kurzinhalt

Um in der Nähe seiner Geliebten Grilletta zu sein, arbeitet Mengone als Gehilfe Sempronios. Unter dem Vorwand, ein Magenmedikament zu kaufen, gelingt dem Lebemann Volpino ein Tête à tête  mit der schönen Grilletta. Doch diese weist ihn schroff ab. Da Grilletta sich über das zögerliche Verhalten ihres Geliebten Mengone ärgert, willigt sie scheinbar in die Hochzeit mit Sempronio ein. Vor zwei Notaren – es sind Mengone und Volpino in Verkleidung – wird der Ehekontrakt aufgesetzt. Doch als Unterschrift setzten beide jeweils ihre Namen. Der Schwindel fliegt auf. Beiden werden des Hauses verwiesen. Doch Volpino erscheint wenig später als Türke verkleidet und will für den Molukkenkönig einen italienischen Apotheker anwerben. Sempronio ist hocherfreut über den in Aussicht stehenden Reichtum und hat gegen eine Heirat Grillettas, die mit Mengone, als reicher Türke verkleidet, erscheint, nichts einzuwenden. Volpino kommt zwar hinzu, doch kann er Grillettas und Mengones Hochzeit nicht mehr verhindern.

Sänger und Orchester

Mit dem energisch auftrumpfendem Presto eröffnete Andreas Spering mit seiner Capella Augustina die Opera buffa, die man dem Publikum mit dem hinweisenden Titel Lustspieltrüffel angeboten hatte, das diesjährige Haydn-Festival. Elegant vollzog er die Wendung zum Menuett und gab ihm die gebührende Liebenswürdigkeit und Heiterkeit. Obwohl das Treppenhaus einen gewissen Hall hatte, gelang es Spering, die Sänger mit ausgewogener Dynamik zu begleiten, ohne daß die Stimmen verdeckt wurden. Der nötige Ausgleich von Piano und Forte blieb bei Sebastian Kohlhepp etwas auf der Strecke. Er gab dem doch eher bescheidenen Gesang Tutto il giorno pasta, pasta – den ganzen Tag über reiben, reiben seiner traurigen Arbeit als Apothekengehilfe einen zu robusten Ton. Später wurde sein Gesangsdynamik besser und das gutturale verschwand. Daniel Johannsen (Sempronio) hat eine großvolumige Tenorstimme, sie im Forte zu zügeln glücken ihm aber nicht immer. Dagegen gelingen die Registerwechsel gut, wobei auch die Pianostellen vorzüglich kommen, so besonders beim Zeitungslesen: Questa è un‘altra novità – hier eine andere Neuigkeit, besonders bei la gran lite scioglierà – wird den Streit entscheiden. Hier fällt die elegante, deutliche Stimmführung angenehm auf. Aus Südafrika stammt die bezaubernde Golda Schultz (Grilletta). Ihre anmutigen Armbewegungen und ihre sprechender Mimik verbunden mit einer sauber geführten, lyrischen Stimme brachte Leben in die konzertante Aufführung. Zuweilen allerdings hätte sie ihre große Stimme beim Forte etwas zügeln sollen, da die hallige Akustik des prächtigen Treppenhauses verstärkend wirkte. Darstellerisch noch eindrucksvoller war Sophie Harmsen in ihrer Rolle als Volpino. Ihre „Wutarie“ amore nel mio petto si è convertito in isdegno – die Liebe in meinem Herzen hat sich jetzt in Haß verwandelt als Antwort auf Grillettas Zurückweisung wurde der sängerische Höhepunkt des Abends.

Fazit

Das prachtvolle Rokoko-Treppenhaus Balthasar Neumanns ist ohne Frage ein sehr geeigneter Raum zur Darbietung einer kurzweiligen Haydn-Oper. Da nimmt man gern die Enge für Instrumentalisten und Sänger auf dem ersten Absatz der Treppe in Kauf. Die hallige Akustik ist nicht immer vorteilhaft für den Musikgenuß. Aber die Genauigkeit des Musizierens der Capella Augustina unter dem Dirigat von Andreas Spering sowie der temperamentvolle Gesang der vier Solisten wurden vom zahlreich anwesenden Publikum erkannt und enthusiastisch gefeiert.

Dr. Olaf Zenner

Bilder:  Schloß Augustusburg (Programm), Josef Haydn (Internet)

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