DIE REGIMENTSTOCHTER – LA FILLE DU REGIMENT – Nürnberg, Staatstheater

von Gaetano Donizetti (1797–1848), Opéra-comique in zwei Akten, Libretto:  Jules Henri Vernoy Marquis de Saint-Georges und Jean François Alfred Bayard UA: 11. Februar 1840 Paris, Opéra-Comique, Salle des Nouvautés

Regie: Andreas Baesler, Bühne: Kaspar Zwimpfer

Dirigent: Gabor Kali, Staatsphilharmonie, Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, Choreinstudierung: Tarmo Vaask

Solisten: Heidi Elisabeth Meier (Marie), Leila Pfister (Marquise von Birkenfeld), Hartmut Schmiedner (Krakentorp), Tilman Lichdi (Tonio), Daeyoung Kim (Sulpice), Dariusz Siedlik (Hortensio) u.a.

Besuchte Aufführung: 16. Juni 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Marie wurde als Findelkind von den Soldaten eines Regiments aufgenommen und lebt dort als Marketenderin. Die Soldaten haben einen jungen Mann verhaftet, den sie für einen Spion halten. Marie erkennt in ihm ihren Geliebten Tonio. Sie bittet ihn freizulassen. Tonio fühlt sich glücklich unter den Soldaten, und, da der erfährt, daß Marie nur einen Soldaten des Regiments heiraten darf, wird er Soldat dieses Regiments. Doch dann kommt heraus, daß Marie Tochter der Marquise von Birkenfeld ist. Sie soll nun eine Dame der Gesellschaft werden und standesgemäß heiraten. Aber bei der Hochzeitsgesellschaft taucht Tonio auf und berichtet Maries Vorgeschichte als Marketenderin beim Regiment. Gerührt gibt die Marquise den Liebenden ihren Segen.

Aufführung

In dieser Oper, die mit viel Handlung angereichert ist, benötigt Andreas Baesler keine üppige Bühnendekoration. Einfache Wände bilden im Einheitsbühnenbild den Rahmen des Schlosses, das je nach Bedarf möbliert wird, einmal prunkvoll für die Hochzeitsgesellschaft, einmal spärlich, wenn die Marketenderin Marie Zigaretten und Bier an die Soldaten verkauft oder deren Socken wäscht. Als die  Soldaten das Schloß besetzen, durchbricht ein Panzer die Rückwand. Die Uniformen der Soldaten könnten aus allen möglichen Uniformen zusammengesetzt sein, passen aber ungefähr in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, und gleichen dabei dem braven Soldaten Schwejk. Ebenso zeitlos einheitsgrau ist Kleidung der Zivilisten gehalten.

Sänger und Orchester

1967 wurde Luciano Pavarotti weltberühmt, als er in Covent Garden die Rolle des Tonio übernahm und in der Bravour-Arie Je suis soldat  alle hohen C‘s traf. Damit wird deutlich, wie schwierig diese Rolle zu besetzen ist. Insofern muß man dankbar sein, diese selten gespielte Oper in Nürnberg hören zu dürfen, auch wenn der hauseigene Mozarttenor Tilman Lichdi keine dieser hohen Töne trifft. Aber schließlich hat er andere Qualitäten, und er kann den jugendlichen Liebhaber mit seiner Mozartstimme glaubwürdigen Charakter verleihen. Diese hohen Töne sind eben nicht alles. In Heidi Elisabeth Meier findet er eine jugendlich naive Marie, die mit einer ausgezeichneten Leistung die Herzen der Zuhörer gewinnt. In der ebenfalls schwierigen Arie Jeder kennt es: Das Regiment der Regimenter trifft sie die hohen Töne glockenklar und rein. Ihr schwerer Koloratursopran hat sich wunderbar weiterentwickelt. Der südkoreanische Baß Daeyoung Kim ist mit seiner volltönenden Stimme eine Bereicherung des Abends. Er kann die Emotionen der Rolle des Sulpice stimmlich einfühlsam gestalten, auch wenn ihm ab und zu in der Tiefe die Luft ausgeht. Leila Pfister kann schauspielerisch deutlich mehr überzeugen als stimmlich. Der Marquise von Birkenfeld kann sie mit Einer Frau meines Namens kein Leben einhauchen, sie hört sich wie ein zu tiefer, abgesungener Mezzo an. Der Chor erreicht die in Nürnberg gewohnte dramatische Präzision, um die Leidensfähigkeit der Bevölkerung zu übertragen. Die Staatsphilharmonie wird unter Gabor Kali in der Lautstärke zurückgefahren, so gelingt eine zurückhaltende, aber nichtsdestoweniger starke Unterstützung der Sänger in ihren schwierigen Partien.

Fazit

Zwei Argumente werden immer wieder gegen diese Oper ins Feld geführt. Zum einen soll die Verherrlichung des Militärs nicht mehr zeitgemäß sein, zum anderen ist die Besetzung der Rolle des Tonio nicht einfach, denn man benötigt „nur“ den „besten Tenor der Welt“. Andreas Baesler löst das eine Problem, indem er die Militärklamotte Donizettis in die Nähe des Braven Soldaten Schwejk rückt und Sulpice als sympathischen Übervater zeichnet. Tilman Lichdi bietet eine einwandfreie Rollengestaltung des Tonio und kann sich gegen Heidi Elisabeth Meier behaupten, der eine große Leistung mit der Rolle der Marie gelingt. Verdienter donnernder Applaus für alle Beteiligten!

Oliver Hohlbach

Bild: Jutta Missbach

Das Bild zeigt: Heidi Elisabeth Meier (Marie) versorgt ihre Soldaten mit Bier und Zigaretten.

 

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