BORIS GODUNOW – Hof, Theater

von Modest Mussorgsky (1839-1881), Oper in vier Akten und einem Prolog, Libretto: Modest Mussorgsky nach Alexander Puschkin und Nikolaj Karamsin, UA: 16. Februar 1874 Petersburg, Mariinski-Theater (Man spielte die Urfassung von 1869)

Regie: Johannes Reitmeier/Urs Häberli, Bühne: Rudolf Rischer, Kostüme: Barbara Schwarzenberger, Dramaturgie: Thomas Schmidt-Ehrenberg

Dirigent: Arn Goerke, Hofer Symphoniker, Opernchor, Extrachor, Kinderchor Theater Hof, Einstudierung: Michel Roberge

Solisten: Wieland Satter (Boris Godunow), Ingrid Katzengruber (Feodor), Inga Lisa Lehr (Xenia), Stefanie Rhaue (Xenias Amme / Schankwirtin), Andrew Zimmerman (Fürst Wassili Iwanowitsch Schuiskij), Thilo Andersson (Andrej Schtschelkalow), Karsten Schröter (Pimen), Paulo Ferreira (Grigorij Otrepjew), Thomas Rettensteiner (Warlaam), u.a.

Besuchte Aufführung: 9. März 2012 (Premiere, in deutscher Sprache, Übersetzung: Max Hube)

Kurzinhalt

Boris Godunow ist gerade zum Zaren gekrönt worden, doch steht bereits der Beginn seiner Amtszeit unter einem düsteren Stern: Um an die Macht zu gelangen, tötete der Bojar den eigentlichen Zarewitsch, das Kind Dimitrij, fühlt sich aber nun von dessen Geist verfolgt. Der Mönch Grigorij erfährt durch seinen Zellennachbar Pimen, der eine Chronik Rußlands schreibt, von diesem Vorfall und beschließt, in die Rolle des toten Zarensohns zu schlüpfen. Er flieht nach Polen, um von dort den Kreml zu erobern. Boris verfällt aus Angst vor dem Usurpator dem Wahn und stirbt, nachdem er die Zarenkrone an seinen Sohn übergeben hat.

Aufführung

Das Bühnenbild zeigt einen zu einem imaginären Fluchtpunkt zulaufenden Raum, der durch kleine Veränderungen in die verschiedenen Kulissen verwandelt werden kann: Die Türfluchten zu beiden Seiten sind variierbar, von oben gibt es absenkbare Deckenbalken und die Rückseite wird durch ein hochziehbares Tor begrenzt, das wahlweise auch als Videoprojektionsfläche dienen kann. Die Umbauten zwischen den einzelnen Bildern finden hinter einer rot-orangenen, halbhohen Bretterwand statt und dauern manchmal etwas lang. Während der Introduktion wird die Vorgeschichte des kleinen Zarewitschs erzählt, der im Verlauf des Abends immer wieder als Geist, nur für Boris sichtbar, auf der Bühne erscheint. Die Kostüme sind den historischen Gewändern der Zarenzeit nachempfunden. Die des Volkes sind überwiegend in dunklen Grautönen gehalten, der Zar und sein Sohn tragen Goldstoffe und die Tochter Xenia ein opulentes weißes Kleid mit Kopfschmuck.

Sänger und Orchester

Mit würdevoller Autorität und solider Technik verkörpert der Baßbariton Wieland Satter die Titelpartie. Zu Beginn forciert er noch etwas, doch im Verlauf des Abends kann er sich frei singen. Satter gestaltet die Partie artikulatorisch und deklamatorisch differenziert mit einem oftmals innigen Ausdruck. Besonders der Monolog im fünften Bild gelingt ihm spannungsreich mit markigem Klang und empathischer Intensität. Insgesamt kann er die vielschichtige Persönlichkeit des Boris packend verkörpern. Ingrid Katzengruber (Feodor) hat einen leichten, jugendlichen Sopran mit sauberem und natürlichem Ton und stellt die traurige Entwicklung der Rolle mit frischem Elan eindringlich dar. Der portugiesische Tenor Paulo Ferreira legt die Partie des Grigorij Otrepjew eher lyrisch an und präsentiert sich intonationssicher, bisweilen expressiv. Karsten Schröter (Pimen) besitzt eine der klangvollsten Stimmen des Abends. Mit seinem sonoren Baß in tonlicher Fülle gestaltet er die Partie des weisen Mönchs, dem er durch seine grau-dunkle Stimmfarbe das richtige Alter verleiht. Eine gute Leistung bietet auch Thomas Rettensteiner (Warlaam). Mit Leidenschaftlichkeit gelingt es ihm, die Rolle komisch anzulegen. Stefanie Rhaue als Wirtin fällt besonders durch ihr intensives, derb-komisches Spiel auf, dem sie ihren musikalischen Vortrag unterordnet, was jedoch durchaus positiv zu werten ist. Darüber hinaus gelingt es ihr gegensätzlich hierzu ihrer zweiten Partie als Amme einen zurückhaltenden und sorgenden Charakter zu verleihen. Inga Lisa Lehr (Xenia) findet sich hier in einer für sie eher ungeeigneten Partie wieder, da ihre Stimme mit dem Klangvolumen des Orchesters kämpft. Dies versucht sie mit einem kräftigen Vibrato zu kompensieren, was ihren Vortrag jedoch unschön macht. Der Glanzpunkt des Abends ist schließlich der von Michel Roberge ausgezeichnet vorbereitete Chor. Der Klang ist ausgewogen und die Einsätze kommen stets sehr präzise. Unter Arn Goerkes Leitung läßt sich das Orchester mit vollem Klang und geradezu russischer Seele hören, überdeckt jedoch nicht dabei die Sänger.

Fazit

Das Regieteam erzählt die Geschichte um den Zaren mit sorgfältiger Personenführung und verzichtet auf eine zu opulente Ausstattung. Mit mäßigem Applaus belohnt das Hofer Premierenpublikum die solide ausgearbeitete, aber eher unspektakuläre Vorstellung. Ein Boris Godunow für all diejenigen, die das Werk einmal in seiner Urfassung unvoreingenommen kennenlernen wollen.

Laura Knoll

Bild: SFF-Fotodesign

Das Bild zeigt: Inga Lisa Lehr (Xenia), Wieland Satter (Boris Godunow), Ingrid Katzengruber (Feodor), v.l.n.r. Opernchor, hinten

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