DIDO AND AENEAS – Opéra Comique, Paris

von Henry Purcell (1659-1695), Oper in drei Akten und einem Prolog, Libretto: Nahum Tate nach seiner Tragödie Brutus of Alba or The Enchanted Lovers (1678) nach dem Versepos Aeneis von Vergil, UA: 11. oder 30. April 1689 Chelsea (London), Josias Priest’s School of Young Ladies

Regie: Deborah Warner, Bühne/Kostüme: Chloe Obelensky, Licht: Jean Kalman

Kinderchoreographie: Rosita Steinhausers, Kinder: Maîtrise de Hauts-de-Seine

Dirigent: William Christie, Orchester und Chor Les Arts Florissants

Solisten: Malena Ernman (Dido), Nikolay Borchev (Aeneas), Judith van Wanroij (Belinda), Hilary Summers (Zauberin), Lina Markeby (Zweite Frau), Fiona Shaw (Prolog) u. a.

Besuchte Aufführung: 5. März 2011 (Premiere)

Kurzinhalt

Dido ist hin und hergerissen zwischen ihrer keimenden Liebe zu Aeneas und ihren Pflichten als Königin. Trotz seines Götterauftrags, die Stadt Rom zu gründen, erklärt ihr Aeneas sein Liebe und Entschlossenheit in Karthago zu bleiben. Während eines Ausflugs ins Grüne feiern die Liebenden ihre Verbindung. Doch die böse Zauberin und ihre Hexen sind schon am Werk, sie zu vernichten. Ein böser Geist im Gestalt des Gottes Merkur befiehlt Aeneas, Dido zu verlassen und nach Italien weiterzusegeln. Im Hafen bereiten die Matrosen alles zu Abfahrt vor. Im Palast klagt Dido Aeneas an, sie betrogen zu haben, weil er doch von vornherein wußte, daß die Götter ihn zu Abfahrt zwingen würden. Obwohl er verspricht, gegen Jupiters Willen bei ihr zu bleiben, schickt sie ihn fort. In ihrer Verzweiflung nimmt sie Gift und stirbt in den Armen ihrer Schwester Belinda.

Aufführung

Diese für den königlichen Hof bestimmte Kurzoper, wurde schließlich in und von einem Mädchenpensionat uraufgeführt. In Erinnerung daran, bringt Deborah Warner eine fröhliche Schar 3 bis 12 Jahre alt Mädchen auf die Bühne, die auf verschiedene Weise am Geschehen teilhaben. Besonders reizvoll der Tanz eines Matrosen mit den kleinen Mädchen. Ob diese lustige Idee  wirklich wesentlich zu Aufführung beiträgt, ist eine andere Frage. Als Hintergrund eine Rokokofassade (hinter einem Perlenvorhang), davor in der Mitte der Bühne eine Mosaikplattform, die sich später in ein Wasserbecken verwandelt. Königin und Hofdamen in Kleidern des 17. Jahrhunderts, Aeneas in langen Stiefeln und Lederweste, heutige Kostüme für den Chor der Kathager und schwarzweiße Schuluniformen für die Mädchen. Die Zauberin mit roter Perücke in schwarzen Umhängen, wie auch die Hexen. Im dritten Akt klettern halbnackte Matrosen herabhängende Seile hinauf und hissen das Segel zur Abfahrt.

Sänger und Orchester

Malena Ernman (Dido) singt und spielt hervorragend verhalten und hoheitsvoll die unglückliche Königin. Ihr kraftvoller Mezzosopran ist rein und ausdrucksvoll, abgerundet auch in den hohen Stimmlagen. Sie durchlebt stimmlich und schauspielerische mit großer Sensibliltät die Gefühlswandlungen, von der Liebeshoffnung Ah! Belinda, I am pressed with torment zu Beginn der Oper bis zum Liebestod in der Schlußszene Thy hand, Belinda, darkness shades me. Nikolay Borchev mit tiefem vollen Baryton ist der heldenhafte Aeneas, hin und hergerissen zwischen Götterauftrag  und Liebe wie in der Entsagungsarie Jove’s command shall be obey’d (Ende 2. Akt). Judith van Wanroij (Belinda) singt mit kräftiger, etwas herber Sopranstimme die treue Schwester. Die zweite Hofdame ist Lina Markeby. Hillary Summers als Zauberin mit ihren zwei Hexen, singen und spielen in humorvoller Groteske den komischen Teil der Oper, besonders schwungvoll im Hexentrio See the flags and streamers curling (3. Akt).

Da für diese Oper genaue Angaben nicht existieren, hat William Christie für diese Aufführung ein Orchester à la française, d.h. nicht nur Streicher, sondern auch Holzbläser gewählt. Er leitet Solisten sowie Chor und Les Arts Florissants mit gewohnter Meisterschaft.

Der verlorene Prologs der Oper wurde durch einige passende Gedichte von Ted Hughes, T.S. Eliot und W.B. Yeats ersetzt, melodramatisch deklamiert von Fiona Shaw.

Fazit

Wären nicht sowohl Charles II. als auch Purcell so früh gestorben, hätte sich vielleicht durch weitere Werke Purcells eine eigenständige englische Operntraditon entwickelt, wie eine italienische und eine französische Operntradtion. Doch das kam nach dieser einen Oper nicht zustande, umso weniger als Händel bei seiner Ankunft in London, 15 Jahre nach Purcells Tod, die Tradition der italienischen Oper übernahm.

Diese Produktion von Purcells einziger, lang verschollenen Oper, die schon  bei den Wiener Festwochen 2006 zu einem grossen Erfolg wurde, hat die Opèra Comique in fast derselben Besetzung wieder auf die Bühne gebracht. Und sie hat diesselbe Begeisterung ausgelöst wie damals.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: Dr. Elisabeth Carecchio

Das Bild zeigt: Malena Ernman (Dido), dahinter Judith van Wanroij (Belinda) und links Lina Markeby (Zweite Frau)

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